Aber Rückstand gegenüber US-Firmen

Java steht bei deutschen Entwicklern hoch im Kurs

06.03.1998

Angesichts der rasanten Änderungen, denen die Java-Technologie unterworfen ist, stehen Untersuchungen zu diesem Thema unter einem hohen Aktualitätsdruck. Betroffen vom raschen Wandel sind besonders das Angebot an Entwicklungswerkzeugen und die Programmier-Schnittstellen. Letztere spielen eine zentrale Rolle bei der Bewertung von Java als Integrationsmedium für bestehende Daten und Anwendungen.

Diverse Untersuchungen zu diesem Thema weisen dennoch einen einheitlichen Trend aus: Die Akzeptanz von Java steigt sowohl bei Softwarehäusern als auch in IT-Abteilungen. Die Erwartungen an die Sun-Technologie und die geplanten Einsatzgebiete weichen allerdings bei diesen beiden Gruppen voneinander ab. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die die COMPUTERWOCHE bei der Kasseler Tech Consult in Auftrag gegeben hat.

Der Marktforscher untersuchte 150 Systemhäuser, deren Java-Nutzung bekannt war, sowie 100 Softwarefirmen, die zwar keine Java-, aber dafür C++-Erfahrungen vorweisen konnten. Von letzteren ist eine besondere Aufgeschlossenheit gegenüber Java zu erwarten, da Sun seine Programmiersprache in enger Anlehnung an C++ entwickelte. Eine vergleichsweise geringe Akzeptanz in den Entwicklungsabteilungen von Anwenderunternehmen läßt die dort verzeichnete Rücklaufquote vermuten: Aus einer Zufallsstichprobe von 600 Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten standen schließlich nur 31 Firmen zur Verfügung, die mit Java-Erfahrung aufwarten konnten. Auch wenn diese geringe Resonanz keine genaue Auskunft über den Einsatz von Java in deutschen Firmen gibt, so steht sie doch in Kontrast zu einer amerikanischen Studie http://www.idcresearch. com/F/HNR/224. htm der International Data Corp. (IDC). Danach nutzten im vierten Quartal 1997 insgesamt 35 Prozent der 800 befragten US-Companies Java in irgendeiner Form, bei solchen mit mehr als 1000 Mitarbeitern waren es gar 66 Prozent. Gegenüber dem vorhergehenden Quartal bedeutet dies einen Zuwachs um zwölf Prozent.

Zumindest bei den Planungen für die nächsten Jahre eifern deutsche Softwerker ihren amerikanischen Kollegen nach. Bis 1999 wollen die untersuchten Systemhäuser ihren Anteil von Java am gesamten Programmiervolumen durchschnittlich auf 30 Prozent anheben (Ende 1997 noch zwölf Prozent).

In Übereinstimmung damit gaben 41 Prozent der befragten Softwareschmieden an, daß Java für sie 1999 wichtig sein werde, derzeit sind nur zehn Prozent dieser Meinung. Die zunehmende Akzeptanz der Sun-Technologie findet auch in der Erwartung ihren Niederschlag, daß Java-Produkte bis dahin für durchschnittlich 27 Prozent des Gesamtumsatzes verantwortlich sein könnten.

Aufschluß über den Stand der Java-Erfahrung geben Auskünfte über Einsatzgebiete der Technik. Obwohl die Plattformunabhängigkeit sowie zahlreiche Erweiterungen und Zusatzprodukte Java immer mehr als Integrationsmedium empfehlen, dominieren derzeit noch die Neuentwicklungen. Bei Systemhäusern liegen diese mit 91 Prozent, bei IT-Abteilungen mit 87 Prozenz klar vor der Integration bestehender Anwendungen (43 beziehungsweise 52 Prozent). Dies läßt vermuten, daß viele der schnell hochgezogenen Java-Projekte für den Internet-Auftritt von Unternehmen gedacht sind, beispielsweise Bestellsysteme für den elektronischen Handel.

Fördert Java Insellösungen?

Diese laufen aber Gefahr, zu Insellösungen zu verkommen, die nicht ausreichend in bestehende Warenwirtschaftssysteme eingebunden sind. Bestätigt wird diese Sichtweise durch die unbedeutende Rolle, die Java bei der Integration von Legacy-Anwendungen zugestanden wird. Bei ISVs rangiert diese Funktion immerhin im Mittelfeld, unternehmensinterne Entwickler hingegen weisen ihr überraschend den letzten Platz zu. Dies mag auch ein Zeichen dafür sein, daß diese Gruppe über wenig Erfahrung im Umgang mit der Sun-Technologie verfügt und über den schnell wachsenden Markt für einschlägige Tools schlechter informiert ist.

Die Einschätzung Javas als reine Internet-Programmiersprache wird auch an den Merkmalen deutlich, die Vertreter beider Gruppen bevorzugten. Dort rangieren bei den Systemhäusern die Plattformunabhängigkeit und die Internet-Fähigkeit ganz vorn, beim MIS-Personal folgt der universellen Ablauffähigkeit zwar noch die einfache Softwareverteilung - aber auf Platz drei und vier finden sich dann schon die Browser-Anbindung und Internet-Funktionen. Die relativ niedrige Bewertung kostenreduzierender Softwaredistribution über das Web durch die Systemhäuser erklärt die Studie sehr plausibel mit dem drohenden Verlust von Geschäftsmöglichkeiten. Installation und Konfiguration von Anwendungen auf Desktops fallen mit Java weitgehend aus dem Servicekatalog der Softwarefirmen.

Überraschend gut schnitt Java bei der Bewertung der Plattformunabhängigkeit ab, obwohl die Company in diesem Bereich selbst noch Mängel eingesteht. Die inhäusigen Programmierer gaben Java auf einer Skala von 1 bis 4 dafür die Note 1,5, die Systemhäuser 2. Nachsitzen müssen James Gosling & Co. wohl noch bei der Ausführungsgeschwindigkeit. Dort gab es die Werte 3 und 2,8. Allerdings zeichnen sich seit dem Erhebungszeitraum im Herbst 1997 schon Verbesserungen ab. Zum einen sind leistungsfähigere virtuelle Java-Maschinen der Version 1.1 mittlerweile für fast alle Systeme verfügbar, zum anderen werden Just-in-time- (JIT-)Compiler immer effizienter. Sun verspricht weitere Fortschritte durch die "Hotspot"-Technologie, die im zweiten Quartal dieses Jahres freigegeben werden soll. Ähnliches wie bei der Performance gilt für die Qualität der Entwicklungswerkzeuge. In den letzten Monaten kam eine große Zahl von Produkten auf den Markt, die nicht für animierte Web-Seiten, sondern für den Enterprise-Einsatz gedacht sind. In der Studie von Tech Consult spiegelt sich diese Entwicklung noch nicht wider.

Das vorherrschende Verständnis von Java als Tool für Internet-Anwendungen scheinen auch Aussagen zu Network Computern zu bestätigen. Rund 55 Prozent der Systemhäuser bezweifelten, ob der NC überhaupt Verbreitung finden werde. Bei den befragten Unternehmen wollen nur 26 Pozent definitiv auf NCs setzen, 48 Prozent verhielten sich ablehnend gegenüber dem schlanken Client. Die Argumente für die negative Haltung waren allerdings nicht mehr ganz zeitgemäß. Sie spiegelten die meisten Vorurteile wider, mit denen der NC bei der Vorstellung seines Konzepts noch zu kämpfen hatte. Dazu zählen Einwände wie der NC sei ein Rückfall zu dummen Terminals, sein Hauptcharakteristikum sei die fehlende Festplatte, und der Anwender wolle seine Daten nicht aus der Hand geben.