Kritik an halbherzigen Versprechungen

Java-Entwickler formieren sich gegen Herstellerwillkür

29.08.1997

Rick Ross, Chef einer New Yorker Softwareschmiede, hat offensichtlich den wunden Punkt vieler seiner Entwicklerkollegen getroffen, als er vor einigen Tagen zur JDL-Gründung aufrief. Frustration habe sich im Java-Lager breitgemacht, resümiert Ross, da ein einzelner Experte nichts gegen die Marketing-Maschinerie der großen Hersteller mit ihren leeren Versprechungen ausrichten könne. Die Resonanz auf die von Ross eröffnete Web-Site "javalobby. org" war unerwartet hoch. Obwohl nur einige Notizen in Java-orientierten Newsgroups auf das Forum hinwiesen, erklärten inzwischen mehrere hundert Entwickler aus aller Welt ihre Teilnahme.

Die Mitgliedschaft sei kostenlos, es komme in erster Linie auf die Größe der Interessensgemeinde an, um den Forderungen möglichst viel Nachdruck zu verleihen, heißt es sinngemäß auf der Homepage. Beklagt wird vor allem, daß die Kontrahenten Sun und Microsoft keine ausreichenden Anstrengungen unternehmen, um eine wirklich portable Standard-Implementierung der jeweiligen Java-Plattform zu erreichen. Entwickler sollten laut Ross endlich die Möglichkeit erhalten, grundlegende Anwendungselemente wie Menüs oder Toolbars nur einmal schreiben zu müssen, diese dann aber auf allen Java-Systemen laufen zu lassen.

Für Unsicherheit unter den Kollegen sorge vor allem Microsoft, ergänzt JDL-Mitglied Ted Young, CEO der New Yorker Firma Advanced Web Technologies. Das Gates-Unternehmen sei nicht an einer Cross-Plattformfähigkeit von Java interessiert und schüre deshalb die Ängste der Entwickler.

Young räumt allerdings ein, daß bislang auch andere, zum Teil schwerwiegendere Gründe die Entwicklung guter Java-Tools hemmen würden. Das größte Problem seien derzeit die Browser, denen es noch an Reife für den Einsatz von Java-Applets fehle. Vorwürfe diesbezüglich müsse sich besonders die Sun-Netscape-Allianz gefallen lassen, zumal der "Communicator" momentan noch nicht einmal Java 1.1 vollständig unterstütze.

Derweil hat ein Sun-Sprecher die JDL-Initiative begrüßt. Mit der branchenweiten Einführung von Java sollten vor allem die Belange der Anwendungsentwickler besser berücksichtigt werden. Insofern wolle man das Konzept des "write-once/run-anywhere" forciert vorantreiben. Was von diesem Versprechen zu halten ist, wird sich auf der Java Internet Business Expo zeigen, die zur Zeit in New York stattfindet. Dort erwarten die Experten eine Ankündigung der Sun-Tochter Javasoft zusammen mit IBM und Netscape, wonach an einer gemeinsamen Java-Runtime-Umgebung gearbeitet wird.