Ceatec 2014

Japans Elektronik-Industrie hofft auf Olympia 2020

09.10.2014
Die Jubelstimmung auf der führenden japanischen Elektronikmesse ist schon seit geraumer Zeit vorbei. Dabei gibt es auf der Ceatec noch immer spannende Innovationen zu bestaunen. Die coolsten Gagdets kommen aber nicht mehr aus Japan.

Japans Elektronikindustrie hat in den vergangenen Jahren und Monaten immer wieder Horror-Schlagzeilen produziert. Milliardenverluste bei Sharp, rote Zahlen auch bei Panasonic und Bilanzaffäre bei Olympus. Zuletzt schockte Sony die Branche mit einer Warnung, weil nach der Sanierung der TV-Sparte plötzlich das miese Geschäft mit Smartphones für einen Jahresverlust von umgerechnet 1,7 Millionen Euro sorgen dürfte.

Kein Wunder, dass auf der größten japanischen Elektronikmesse die Stimmung im Keller ist - auch weil der Elektronikriese Sony erstmals seit dem Start der Ceatec im Jahr 2000 nicht mehr auf dem Gelände der Makuhari Messe vertreten ist. In diesem Jahr stecke man das Geld in grundlegende Strukturreformen, begründete ein Sony-Sprecher das Fernbleiben von der Ceatec.

Mit nur noch 547 Firmen ist die Zahl der Aussteller auf ein neues Tief gesunken, zwei der acht Messehallen stehen zur Hauptsaison leer. Dabei sind in Chiba östlich von Tokio auch in diesem Jahr echte Neuheiten zu bestaunen. Das sind zum einen die allgegenwärtigen Roboter, die Ping-Pong spielen, einen übergroßen Dinosaurier antreiben oder als menschenähnlicher Humanoid sogar die Zeichensprache beherrschen.

Was in Europa manchmal belächelt wird, soll nach dem Willen der japanischen Regierung das Fundament für eine neue "Roboter-Revolution" legen, weil in der Produktion - aber auch der Betreuung von Alten und Kranken - immer mehr künstliche Hände gebraucht werden. Außerdem spüren die japanischen Maschinenbauer auch die Konkurrenz von Firmen wie dem Industrieroboter-Spezialisten KUKA aus Augsburg.

Beim Bummel durch die Messehallen der Ceatec fällt auf, dass in der klassischen Unterhaltungselektronik die ultra-hochauflösenden Fernseher (4K) inzwischen im Massenmarkt angekommen sind - ähnlich wie vor einigen Wochen auf der Berliner Funkausstellung IFA. Mit den höheren Absatzzahlen sinken die Preise der Geräte. Was die Verbraucher freut, bereitet den Firmenlenkern dagegen Kopfzerbrechen. In Japan macht man sich deshalb schon sehr konkrete Gedanken über die nächste Stufe des ultra-hochauflösenden Fernsehens (8K), bei der man selbst aus geringster Entfernung kein einzelnes Pixel mehr identifizieren kann.

Der öffentlich-rechtliche japanische TV-Sender NHK fixte auf der Ceatec 2014 die Messebesucher unter anderem mit ultrascharfen Bildern vom Sieg der Deutschen Nationalmannschaft bei der Fußball-WM in Brasilien an, die testweise schon in 8K-Auflösung aufgenommen wurden. Zu den Olympischen Sommerspielen im Jahr 2020 sollen die 8K-Signale mit gewaltigen 33,2 Megapixel nicht nur aufgezeichnet und zeitversetzt übertragen, sondern auch in Echtzeit live an die Haushalte gesendet werden.

Wie das im Detail funktionieren soll, steht noch nicht fest. Die Arbeiten, um die Engpässe auf den Übertragungswegen zu beseitigen, laufen aber auf Hochtouren. Und da der Standard unter der Federführung von NHK entwickelt wurde, sehen etliche Branchenbeobachter in dem Drängeln in Richtung 8K auch den staatlich geförderten Versuch, der Geräteindustrie in Japan einen Startvorteil gegenüber der Konkurrenz aus Südkorea und China zu verschaffen.

Die Olympischen Spiele bilden auch in der Telekommunikations-Entwicklung einen Meilenstein. Der größte japanische Mobilfunk-Anbieter NTT DoCoMo plant, zur Eröffnungsfeier ein Netz der fünften Mobilfunkgeneration (5G) in Betrieb zu nehmen. Gerade in gut besuchten Sportstätten kann man mit den bislang gängigen Standards GSM (2G), UMTS (3G) und LTE (4G) kaum noch telefonieren oder gar Daten übertragen, weil die Netze der Belastung nicht standhalten. Bei 5G können sich in eine Funkzelle 100 Mal mehr Handys einbuchen als bislang. Außerdem fließen die Daten bis zu 100 Mal schneller - so zumindest die Theorie. Ob das in der Praxis dann funktionieren wird, wird sich in sechs Jahren zeigen.

Aber auch wenn die Olympischen Spiele 2020 für die Elektronik-Branche in Japan wichtig Impulse geben werden, wird sich der Lauf der Industrie-Geschichte vermutlich nicht umkehren. Und der Trend zeigt, dass es den japanischen Unternehmen immer schwerer fällt, wie einst beim Farbfernseher, dem Walkman oder der Spielekonsole weltweite Trends zu setzen. Die begehrtesten Gagdets, für die sich lange Warteschlangen - auch in Tokio - bilden, kommen derzeit aus Kalifornien und Südkorea. Und künftig vielleicht auch aus China.

Ein Teil der Branche kann sich damit trösten, dass in vielen Geräten oder unter der wortwörtlichen Motorhaube Technik "Made in Japan" steckt. Gerade viele Entwicklungen rund um Digitaltechnik und Elektroantriebe rund ums Auto stammen von Firmen wie Kyocera, TDK oder Alps Denki. Und manchmal bieten solche Anbieter Gadgets an, die sich in bester Ceatec-Tradition an der Grenze zwischen skurril und cool bewegen: Die Datenbrille "J!ns Meme" beobachtet die Augen des Fahrers und stellt fest, ob er zu müde ist. Über das Smartphone wird der Fahrer dann gewarnt, wenn der Sekundenschlaf droht. (dpa/tc)