Neben dem eigenen Markt auch den Rest der Welt erobern:

Japan verfolgt in der OV eine Doppelst

15.06.1984

WIESBADEN (CW) - In der Rangliste der internationalen Wettbewerbsfähigkeit, die alljährlich vom European Management Forum in Genf herausgegeben wird, lag Japan 1983 zum vierten Mal auf dem ersten Platz, gefolgt von der Schweiz, den USA und der Bundesrepublik Deutschland.

Vergleichbare Zahlen für die Computerindusrie existieren nicht, aber nach einer Studie der IDC Deutschland GmbH, Wiesbaden, dürfte sich Japan hier ebenfalls unter den Spitzenreitern befinden.

Die japanischen Computerexporte steigen Jahr für Jahr: von 463 Millionen Dollar 1978 über 1178 (1981) bis zu 3788 Millionen Dollar im vergangenen Jahr, Japan ist innerhalb relativ weniger Jahre nach den USA das zweitgrößte Hersteller- und Einsatzland von DV-Geräten in der Welt geworden. Getragen wurde (und wird) die stürmische Entwicklung der japanischen Informationsindustrie von einer Doppelstrategie. Einerseits ver

folgt die Branche das Ziel, sich noch stärker auf dem wachstumsträchtigen einheimischen Markt zu etablieren, anderer seits steht die Eroberung immer neuer Exportmärkte im Vordergrund. Auf seinem Inlandsmarkt hat Japan bereits die Vorherrschaft errungen, wie die Tabelle zeigt.

Für den Erfolg auf dem japanischen Binnenrnarkt wird, so die Analyse, die Beherrschung von Kanji-Verarbeitung in Text- und Datenverarbeitungssystemen zunehmend zwingend, bereits mittelfristig wird dies unerläßlich sein, Von den vier in Tabelle 1 aufgelisteten US-amerikanischen Unternehmen - IBM, Sperry, Burroughs und NCR - ist es bislang dürfte sich aber nur IBM gelungen der Kanji-Anforderung in flexibler Weise zu entsprechen. Somit ist damit zu rechnen, daß der japanische Inlandsmarkt zukünftig eher noch weiter .japanisiert" wird, als daß sich für ausländische Hersteller Chancen auftunwerden.

Umgekehrt hinge.gen sind die Japaner in allen wl( igen Exportmärkten aktiv und erfolgreich. Der wichtigste jAuslandmarkt für die japanische Computerindustrie sind die USA, gefolgt von der BRD, Großbritannien, Australien, Südkorea, Kanada, den Niederlanden, Frankreich, Belgien und Hongkong.

Die Eroberung ausländischer Märkte gehen.japanische Unternehmen auf zwei unterschiedlichen Wegen an: Auf der einen Seite sind Kooperationen der Schlüssel zum Eindringen in völlig neue Märkte. Im Rahmen von OEM-Abkommen wird japanische Technologie unter (zumeist) amerikanischem Label abgesetzt. So wird zum Beispiel ein von der Kyocera Corp. Japan entwickelter Hand-held-Computer gleich von fünf Unternehmen unter eigenem Namen angeboten: von Tandy (Modell 100), Olivetti, Nixdorf und NEC und Epsons Erfolg im Druckermarkt kommt auf ähnliche Weise zustande.

Abbildung 1 gibt einen Uberblick über den derzeitigen Stand der Kooperationen zwischen Ost und West auf dem Mainframegebiet, Aus Tabelle 2 wird ersichtlich, auf welche Weise die drei großen japanischen Computerhersteller Fujitsu, Hitachi und NEC mit Hilfe von OEM-Abkommen mit Siemens, BASF, Olivetti, HIS und Cii-Bull auf dem europäischen Mainframemarkt tätig sind, ohne direkt in Erscheinung zu treten. Die Kooperation mit westlichen Partnern ist derzeit einer der wichtigsten Schlüssel des Erfolges der gesamten japanischen Computerindustrie.

Andererseits scheuen sich die japanischen Hersteller auch nichts direkt präsent zu werden. Während sie dabei im Mainframe- und Minimarkt eine ganze Reihe von Mißerfolgen hinnehmen inußteng gelingt ihnen das im unteren Computerbereich der Mikros recht gut. Bemerkenswert: Je mehr eine Produktgruppe den Regeln des Konsummarktes folgt, desto erfolgreicher sind japanische Anbieter (im Direktmarketing, nicht im OEM-Geschäft).

Eine Schwäche der Japaner im Direktmarketing liegt nach wie vor in fehlender oder ungeeigneter Software. Allerdings ist das Problem erkannt, und es sind große Anstrengungen zur Uberwindung zu verzeichnen. So beschäftigt Fujitsu neben 180 Spezialisten in der Softwareforschung mehr als 800 Mitarbeiter in der Systemsoftwareentwicklung. Zur Zeit existieren etwa 50 nennenswerte Softwarehersteller in Japan.

Die Abbildung 2 zeigt, daß der Mainframemarkt einen beträchtlichen Beitrag zum japanischen Computerexport leistet.

Den weitaus größten Absatzanteil aber steuert der Peripheriemarkt bei. Lag er 1978 noch deutlich unter 50 Prozent - wenngleich er auch damals bereits den größten Einzelmarkt darstellte -, so macht er heute über 50 Prozent des japanischen Exports von DV-Geräten aus. Diese Ausdehnung geht aber weniger zu Lasten der Mainframe-Auslieferungen als vielmehr zu Lasten des Exportanteils des Komponentengeschäfts. Die Expansion im Peripheriebereich ist unter anderem auf die Stärke der japanischen Industrie im Druckermarkt zurückzuführen.

Für den Erfolg japanischer Unternehmen insbesondere im Peripheriebereich auf praktisch allen bedeutenden internationalen Märkten sind im wesentlichen folgende vier Punkte verantwortlich:

- Anwendung von Industrieautomation (Roboter) bei der Produktion,

- hohe Arbeitsmoral,

- totale Qualitätskontrolle auf allen Ebenen,

- strategische Preisgestaltung.

In japanischen Elektroindustrie sind im Zeitraum von 1978 bis 1982 rund 18 300 neue Industrieroboter zum Einsatz gekommen, die zum größten Teil in der Teilezusammensetzung und Plastikformung tätig sind. Dennoch sind Industrieroboter keineswegs so weit verbreitet, wie hin und wieder dargestellt, insbesondere nicht in der DV-Branche. Japanische Arbeitskräfte sind häufig noch billiger als derart komplexe Maschinen.

In der Zeit von 1970 bis 1980 hal sich das Durchschnittseinkommen eines Japaners vervierfachtt Im gleichen Zeitraum stieg die Produktivität in der Automobilbranche um das 4, 1fache, in der Elektroindustrie um das 4,9fache und in der Präzisionsmaschinenbranche gar um das 5, 2fache. Arbeitsleistung in diesen Branchen ist somit innerhalb dieser zehn Jahre billiger geworden statt teurer.

Der Begriff "Totale Qualitätskontrolle" (TQC) bezieht sich nicht etwa nur auf Fertigungsprodukte, sondern schließt Bereiche wie Produktplanung, Design, Anlagenplanung, Verkauf etc. mit ein. Dadurch ist das sofortige Erkennen und Beheben von Schwachstellen auf allen Ebenen eines Unternehmens gewährleistet. Dieser Aspekt wird häufig übersehen oder zumindest unterschätzt.

Eine ganz besondere Beachtung findet die japanische Preisstrategie, Nippon ist mittlerweile berühmt dafür, ganze Branchen mittels Niedrigstpreispolitik für sich einzunehmen. Marktexpansion und langfristige Ziele stehen ganz offensichtlich vor einer schnellen Realisierung von Profiten. Die Preispolitik erfolgt unter rein marktorientierten Gesichtspunkten und nicht nach der Maxime "Herstellungskosten plus Gewinnmarge". Ziele dieser Politik sind in erster Linie die Newcomer in der betreffenden Branche, also beispielsweise Computereinsteiger (Homecomputermarkt), die von westlichen Unternehmen häufig wegen zu gering eingeschätzter Kaufkraft und Bereitschaft vernachlässigt werden.

Auch die japanischen Anstrengungen im Supercomputerbereich und im Fifth-Generation-Projekt zeigen, daß dieses Land fest entschlossen ist, seine bis vor kurzem noch relativ schwache Position in DV-HI-Tech-Märkten konsequent auszubauen.

Für das Supercomputerprogramm steht von 1982 bis 1989 ein Fördervolumen von umgerechnet 640 Millionen Mark zur Verfügung. Die angestrebte Vektor-Multiprozessor-Architektur soll 10 000 Megaflops leisten (zum Vergleich: CDC strebt für 1986/87 eine Anlage mit 2000 Megaflops an) und eine Hauptspeichergröße von 1 000 MB. aufweisen.

Dem Fifth-Generation-Projekt soll von 1981 bis 1992 ein vorläufiger Förderbetrag von 1,2 Milliarden Mark zur Verfügung stehen. Diverse Nachschüsse zeigen aber bereits, daß hier noch wesentlich mehr entwicklungsgelder hineinfließen werden.

Für die Entwicklung der fünften Generation ist das "Institute of the New Generation Computer TechnoIogy" UCOT) aufgebaut worden. Gründungsmitglieder sind Fujitsu, Hitachi, NEC, Mitsubishi Electric, Matsushita Electric, Toshiba, Oki Electric-und Sharp. Die wesentlichen Entwicklungsziele lauten: Sprachein- und -ausgaben Dialogprogrammierung in natürlicher Sprache, Expertenwissensspeicherung und Schlußfolgerungsmechanismen (Artificial Intelligence).