Japan und die Vereinigten Staaten galoppieren davon Bei den High-Tech-Patenten liegen die Deutschen hinten

31.03.1995

MUENCHEN (CW) - Deutsche High-Tech-Erfinder stecken offenbar in einer schoepferischen Krise. Ein Indiz dafuer ist die Zahl der 1994 angemeldeten Patente, die im Vergleich zur japanischen und amerikanischen Konkurrenz eher mager ausfiel. Erich Haeusser, Praesident des Deutschen Patentamts, wies in seiner Bilanz auf eine offenkundige Stagnation in wichtigen Zukunftsmaerkten hin.

In der Mikroelektronik lag die Zahl der Patentanmeldungen deutscher Entwickler im letzten Jahr bei 279 (Vorjahr: 216). US- Tueftler meldeten im gleichen Zeitraum 2070 (1792) Patente an, und japanische Spezialisten kamen gar auf stolze 17970 (21119) Patente. Ein aehnlich deutliches Bild ergibt sich bei den Grosscomputern: Waehrend die Japaner 19 273 (23 475) und die Amerikaner 3373 (2798) Ideen registrieren liessen, liefen beim Deutschen Patentamt nur 386 (332) Erfindungen auf.

Auch bei der Unterhaltungselektronik ist die Bilanz der deutschen Unternehmen wenig schmeichelhaft. Nur 215 (219) Erfindungen erreichten die Muenchner Behoerde, in den USA waren es 875 (768) und in Japan 11874 (12513). Aehnlich deutlich nehmen sich die Rueckstaende in den Schluesselmaerkten Biotechnologie (193 deutsche Patente), Medizin- (997) und Lasertechnik (137) aus.

Mit einem gewissen Recht argumentieren Skeptiker, diese absoluten Zahlen seien nicht vergleichbar, da nationale Besonderheiten des Patentrechts und der -praxis das Bild verzerrten. Doch ein internationaler Vergleich der Anmeldungszahlen in den letzten 20 Jahren laesst kaum noch Zweifel am Defizit der deutschen Wirtschaft zu.

Japan erreicht den groessten Zuwachs

Waehrend in diesem Zeitraum die Zahl aller Patente hierzulande zwischen 30000 und 37000 schwankte, entwickelte sie sich in Japan von 53876 im Jahr 1963 auf 332345 im vorletzten Jahr. Dies entspricht einem Zuwachs von mehr als 500 Prozent. In den Vereinigten Staaten ist ebenfalls ein Aufwaertstrend erkennbar, die Patentanmeldungen stiegen in diesem Zeitraum von 66715 auf 99955, wenngleich 1983 ein Zwischentief von unter 60000 Anmeldungen verzeichnet wurde.

Patentamtschef Haeusser aeusserte sich denn auch skeptisch, ob der Rueckstand in Schluesseltechnologien, vor allem im Computerbereich, aufzuholen sei. Die Wirtschaftszeitung "Handelsblatt" zitiert den Praesidenten mit der Aussage: "Bei High-Tech wie Grosscomputern, Mikroelektronik und Biotechnologie stagniert die Zahl der deutschen Anmeldungen im Gegensatz zu Japan und den USA, wo sich gerade in diesen Bereichen die Anmeldungen in den letzten zehn Jahren teilweise verdoppelt und verdreifacht haben." Ein "Quantensprung" auf einem neuen Gebiet wie der Nanoelektronik sei notwendig, wollten die Deutschen weltweit eine Spitzenposition einnehmen.

Inwieweit Patentanmeldungen als Indikator fuer den Zustand einer Volkswirtschaft gelten koennen, ist umstritten. Kritiker melden an, dass bis zur Patentierung einer Idee gerade im schnellebigen Umfeld der Mikroelektronik oft so viel Zeit vergehe, dass sich Entwickler gar nicht mehr die Muehe machten, ihre Idee absichern zu lassen. Doch dieses Argument duerfte wohl international gueltig sein.