Ein gutes Jahr

Jahresrückblick 2007: Nach dem Hype ist vor dem Hype

19.12.2007

Sonnenschein im Klimaschutz

2007 war alles im grünen Bereich ...
2007 war alles im grünen Bereich ...
Foto: IBM

Eitel Sonnenschein herrschte hingegen unter Klimaschützern, denn die IT entdeckte im Verlauf des Jahres, dass Rechner und Kühlungen auch Strom verbrauchen. Folglich wurden die Angebote der Lieferanten sowie die Nachfrage spontan grün beziehungsweise green, was die üblichen Bedenkenträger auf den Plan rief: "Energie sparen kann teuer werden." Nicht sparen ist leider nur selten billiger, von einer Billigung der Energieverschwendung ganz zu schweigen. Folglich setzte die Virtualisierung 2007 ihren Siegeszug fort und schaffte es auf der CeBIT in den Rang eines "Megatrends". Es ist nicht davon auszugehen, dass sich im neuen Jahr daran etwas ändert, denn für Gartner zählt Virtualisierung (sowie Green IT) zu den zehn wichtigsten strategischen Techniken, die man 2008 beherrschen muss. Die nackten Zahlen zum Börsengang der EMC-Tochter VMware vermitteln ein Bild der Phantasie, die auch bei Nichttechnikern durch die Virtualisierung hervorgerufen wird.

Selbst in Sachen SOA herrschte zuletzt viel Phantasie, wenn auch nicht unbedingt so, wie es sich die Zulieferer der Architekten erwartet hatten. Nachdem 2006 ausgiebig über die vermeintlichen Vorzüge der Service-Orientierung sinniert wurde, häuften sich im abgelaufenen Jahr Berichte, die im SOA-Kontext Schlagwörter wie "Hürden", "Mythen" und "Scheitern" führten. Im Gegensatz dazu war die Begeisterung über das "Web 2.0" ungebrochen. Allen voran marschierte IBM in der virtuellen Welt "Second Life" voran, während die Produktmanager des Unternehmens in einen "Web 2.0-Taumel" gerieten und "Enterprise 2.0" propagierten. Zumindest in den einschlägigen Medien ist "Second Life" seit dem Sommer eine No-go-Area, so dass auch niemand mehr zweifelsfrei darüber berichten kann, was sich dort derzeit noch abspielt. Dass diese virtuelle Welt erst der überbewertete Anfang einer langfristigen Entwicklung war, sollte indes jedem (Spötter) bewusst sein.

Zu den Gewinnern des Jahres 2007 – zumindest auf dem Papier – zählten IT-Fachkräfte, die sich über eine rege Nachfrage nach ihren Assets und Skills freuen durften. "Goldene Zeiten für Bewerber?", titelte denn auch die CW. Aufmerksamen Lesern wird das Fragezeichen aufgefallen sein, was dann auch elegant zur nächsten Hiobsbotschaft überleitet: "Konzerne streichen 120.000 IT-Jobs." Wer einmal auf der Straße sitzt, darf sich indes das verlorene Selbstbewusstsein wiederbeschaffen, indem er einfach einer neuen Klasse beitritt – der "digitalen Boheme". "Besser leben jenseits der Festanstellung" ist einigen Menschen durchaus zuzutrauen, doch für viele Deutsche wird dieses Credo bis zum Ruhestand ein unauflöslicher Widerspruch bleiben. Angestellte auf den billigen Plätzen erhielten im Herbst die Quittung für ihre Mutlosigkeit: Bei den IT-Gehältern sahnten nicht sie, sondern die oberen Management-Etagen ab. Ohne Kontinuität geht es eben auch nicht.

iPhone scheidet Geister und Wurstfinger

Am iPhone scheiden sich die Geister - und die Menschen mit normalen beziehungsweise Wurstfingern.
Am iPhone scheiden sich die Geister - und die Menschen mit normalen beziehungsweise Wurstfingern.

Kommen wir zu den wahren Gewinnern des Jahres: den Aktionären von Apple und Google. Noch sind die Konzerne von Steve "Midas" Jobs und Eric "Krösus" Schmidt nicht direkt verfeindet, doch die sich anbahnende Auseinandersetzung verspricht einen interessanten Kampf. Fast alles, was die beiden Unternehmen ankündigen (Google) und auf den Markt bringen (Apple), entwickelt sich zu einem Renner – hüben das "iPhone", drüben das "gPhone" (namens "Android", das gar kein Handy ist, aber zeigt, was man heutzutage mit einer Pressemitteilung und einigen Partnern für einen Wirbel erzeugen kann). Nokia hat seinen Handy-Marktanteil 2007 übrigens auf 39 Prozent gesteigert, was aber nicht weiter aufgefallen ist – außer bei den Angestellten von Motorola, die wegen der Krise um ihren Job fürchten mussten.

Während Apple am 6. November eine Marktkapitalisierung von 167 Milliarden Dollar aufweisen konnte, brachte es Google auf 231 Milliarden Dollar. Beide Unternehmen lagen zwischen IBM (unten) und Microsoft (oben). Dass dort die Luft dünn wird, musste auch Bill Gates schmerzlich erfahren: Er ist nicht mehr reichster Mensch der Welt und auch nicht zweitreichster. Das Schicksal teilt er mit den meisten anderen Windows-Anwendern.

Microsoft: Vista, OOXML und ein verlorenes Kartellverfahren

Dafür stand Microsoft 2007 am Pranger wegen der kreativen "Standardisierung" von OOXML, verlor einen Kartellprozess, öffnete sich zaghaft neuen Bereitstellungsmodellen wie SaaS und brachte Windows Vista auf den Markt – Letzteres zumindest in Anwenderunternehmen relativ unbemerkt, glaubt man den Kommentaren der Analysten. Immerhin erzielte der Konzern mal wieder ein Rekordergebnis im Herbst und schaffte es, sein Xbox-Spiel "Halo 3" in einer Woche millionenfach zu verkaufen und neue Maßstäbe in der Entertainment-Industrie zu setzen. Wo das Geld verdient wird, kann dem Konzern letztlich auch egal sein.

So gesehen kann man sich nicht beklagen, das IT-Jahr 2007 miterlebt zu haben. Nach einer Phase der ernüchternden Konsolidierung im Anschluss an den großen Knall ist die Branche auf eine spannende Konsolidierung im Vorgriff auf den großen Knall 2.0 umgestiegen. Der zentrale Trend aus Sicht der Anwenderunternehmen ist, dass die dicken Brocken (SAP, Oracle, IBM, Microsoft) immer größer werden, was interessante Allianzen und Wettbewerbssituationen für die Zukunft verspricht. Leider hat es Kanzlerin Merkel verpasst, der Branche auf dem kürzlich abgehaltenen IT-Gipfel 2.0 in Hannover eine Marschroute mit auf den Weg durch das Jahr 2008 zu geben. Immerhin hat die Nation nun einen eigenen CIO - beziehungsweise BfIT. Mehr dazu in zwölf Monaten an gleicher Stelle. Mehr zu den Trends und Herausforderungen in 2008 lesen Sie im ersten E-Paper der COMPUTERWOCHE. (ajf)