Jahresrueckblick/1995 stand im Zeichen von Windows 95 und dem Internet

22.12.1995

Nicht die IBM, sondern Microsoft lieferte die Schlagzeilen im abgelaufenen Jahr. Dabei fuellte weniger die verspaetete Windows-95- Einfuehrung als das staendige juristische Gezaenk (versuchte Intuit- Uebernahme, Kopplung von Betriebssystem und Online-Dienst etc.) die Gazetten. Aufmerksamkeit erntete, wer es wagte, sich gegen den Softwarekroesus aus Redmond zu stellen. Hier fiel vor allem der Chor der Herren McNealy (Sun), Ellison (Oracle) und Gerstner (IBM) auf, der eintraechtig das Lied vom dummen Internet-Terminal anstimmte - vielleicht nur, um Gates zu provozieren. Das Internet war dann auch das Thema des Jahres, sieht man einmal vom Hype um Windows 95 ab. Neulinge wie Netscape und Spyglass stuermten die Boersen-Charts, alte Haudegen der Branche versuchten Schritt zu halten - teilweise mit nur maessigem Erfolg. Fuer das grosse Buch der Fusionen wurden einige neue Kapitel geschrieben: IBM schluckt Lotus, Computer Associates steckt Legent ein, 3Com kauft Chipcom etc. - offen blieb, was aus Novell wird. Ja, und dann war da noch die SAP...

Januar

Etwas Besseres als italienischen Perlschaumwein duerfte es bei der IBM zum Jahreswechsel 1994/95 kaum gegeben haben. Zu deprimierend waren die Resultate aus dem PC-Geschaeft: Mit nur 4,23 Millionen verkauften PCs verlor Big Blue seine Spitzenposition an Compaq (4,83 Millionen). Permanente Lieferschwierigkeiten lassen den Marktanteil der IBM von elf auf knapp neun Prozent fallen. Hinzu kommen die Probleme bei der Entwicklung ihres Workplace-OS, dessen Personality-Konzept sich als ausserordentlich komplex erweist. Dennoch kann IBM fuer 1994 einen Umsatzanstieg von sechs Prozent auf 64 Milliarden und einen Gewinn von drei Milliarden Dollar verbuchen.

Bewegung in den Outsourcing-Markt will Siemens-Nixdorf bringen: Vorstandssprecher Gerhard Schulmeyer hat von der Siemens AG den Auftrag erhalten, zum Oktober 1995 eine neue Gesellschaft zu gruenden, die nicht nur die komplette Datenverarbeitung der Muttergesellschaft betreuen, sondern auch IT-Dienstleistungen im Markt anbieten soll. SNI ist ausserdem wegen der Uebernahme des OEM- Partners Pyramid Technology in den Schlagzeilen. Ueber eine Tochtergesellschaft kauft SNI alle Anteile fuer einen Preis von knapp 210 Millionen Dollar. Zu 17 Prozent war das Unternehmen bereits zuvor in SNI-Besitz gewesen.

Das Megaereignis des Jahres wirft seine Schatten voraus: Windows 95 kommt - allerdings nicht, wie von Microsoft angekuendigt, im Juni, sondern erst im August. Nicht nur die staendigen Verzoegerungen, auch die geringen Fortschritte beim Versuch, das Softwarehaus Intuit zu uebernehmen, machen Bill Gates Kummer. Weggefaehrte Intel erholt sich derweil noch vom Schock des Vorjahres: Anwender des fehlerhaften Pentium-Chips koennen diesen nun problemlos gegen ein voll funktionsfaehiges Exemplar umtauschen.

Die Problemchen von Microsoft und Intel sind vergleichsweise harmlos, nimmt man die existentielle Krise der Borland International Inc. als Massstab. Firmengruender Philippe Kahn muss als President und CEO dem Finanzchef Gary Wetsel weichen; Kahn steht dem Unternehmen nur noch als Vorsitzender des Verwaltungsrats zur Verfuegung. Analysten sehen fuer einen Turnaround schwarz, wenn nicht moeglichst schnell eine radikale Sanierung und eine Rueckbesinnung auf das Kerngeschaeft erfolgt. Tatsaechlich beschliesst Borland, 650 von 1700 Mitarbeitern zu entlassen und sich auf die Segmente Datenbanken und Programmiersprachen zu konzentrieren.

Hurra, die Post ist da - und das von nun an mit drei Gesellschaften. Die Postreform II wird mit Gruendung der Deutschen Post AG, der Deutschen Postbank AG und der Deutschen Telekom AG Realitaet. Konkurrenz droht dem Ex-Monopolisten von verschiedenen Seiten, darunter auch dem frisch vermaehlten Paar British Telecom und Viag AG. Aus der Ehe geht das Joint-venture Viag Interkom hervor, das sich um eine bundesweite Lizenz fuer den Telefonverkehr bewirbt. Auch die Thyssen Handelsunion buendelt ihre Aktivitaeten in der Neugruendung Thyssen Telecom AG, die ihre Schwerpunkte im Dienstleistungsbereich haben soll. Der Veba-Konzern kooperiert mit Cable & Wireless, waehrend die RWE AG eine bundesweite Zusammenarbeit mit sechs deutschen Elektrizitaetsversorgern angeht, um ein flaechendeckendes Telecom-Netz auf die Beine zu stellen.

Februar

Das Client-Server-Fieber grassiert - unter anderem bei der Rheinisch-Bergischen Druckerei und Verlagsgesellschaft sowie dem Verlagshaus W. Girardet. Die Herausgeber von "Rheinischer Post" und "Westdeutscher Zeitung" gruenden eine gemeinsame Tochter, die eine Client-Server-Architektur mit 1200 Arbeitsplaetzen ueber 40 Standorte hinweg realisieren soll. Eine ganzheitliche IT-Loesung fuer die Zeitungsproduktion, Anzeigenverwaltung und Vertrieb ist gemeinsam mit der Einfuehrung der R/3-Standardsoftware von SAP geplant - fuer die vorhandenen IBM- und SNI-Mainframes ist in diesem Szenario kein Platz mehr.

Das Phaenomen SAP beschaeftigt die Branche: Autor Karl Schmitz schreibt fuer die CW einen vielbeachteten Beitrag, in dem er auf die massiven Probleme hinweist, die durch den Einsatz der Software entstehen. "SAP erstickt an der Komplexitaet der eigenen Produkte", heisst es in dem Artikel, R/3 entspreche einer "Kalibrierung des R/2-Systems auf Techniken, die heute up to date sind". Die Philosophie hinter der Client-Server-Software sei nicht neu; Schmitz spricht von einem "Rehosting", zumal keine verteilte Datenhaltung vorgesehen sei. Wenig spaeter nimmt die "Wirtschaftswoche" den Faden auf und berichtet ueber den "Lemming- Effekt": Tausende von Unternehmen folgen demnach derselben Strategie und ueberlegen zuwenig, wohin der Weg fuehrt.

Die SAP AG bemueht sich, ihre marktbeherrschende Position im gehobenen Segment auf den Mittelstand auzudehnen. Zu diesem Zweck verpflichtet sie eine Reihe mittelstaendischer Softwarehaeuser als Vertriebs- und Servicepartner. Ehemalige Konkurrenten wie die BIW in Weinstatt oder die Command GmbH, Ettlingen, vermarkten von nun an R/3. Im Oktober stoesst sogar der Erzrivale Quantum zum Kreis der Partner. Doch auch die Opposition formiert sich: So verschmelzen die Ulmer Wilken GmbH und das Bad Nauheimer Softwarehaus Aperia ihre Produktlinien zu einer integrierten Standardsoftware. Wenig spaeter bringt die WSW Software GmbH, Krailling, ihr Vertriebsmodul in die Partnerschaft ein.

Data-Warehouse entwickelt sich zu einem haeufig benutzten Schlagwort. Mit vergleichsweise preiswerten Angeboten lockt etwa die Darmstaedter Software AG, die ein Datenlager zum Preis von rund 80000 Mark einrichten will - allerdings gibt es wohl kaum Faelle, in denen dieses Pricing realistisch ist.

Microsoft und Intel haben Aerger mit Apple. Der Mac-Anbieter behauptet, Bill Gates und Andy Grove haetten den Code der Multimedia-Entwicklungsumgebung "Quicktime" widerrechtlich fuer eigene Produkte verwendet. Apple will vor allem den Verkauf von Microsofts "Video for Windows" und dem von Intel und Microsoft gemeinsam entwickelten Display Control Interface (DCI) gerichtlich unterbinden. Einen Monat spaeter faehrt Gates die Retourkutsche und klagt gegen Apple. Der Vorwurf: Der Mac-Hersteller veroeffentliche falsche Informationen ueber Video for Windows. Es sei kein Schuldbekenntnis gegenueber Apple, heisst es schliesslich im April, doch Microsoft und Intel nehmen Release 1.1D von Video for Windows vom Markt.

Diskussionen um den Messestandort Deutschland: Waehrend die CeBIT- Verantwortlichen noch raetseln, ob sie ihre Grossveranstaltung in eine Profi- und eine Consumer-Messe aufteilen sollen, sind in Muenchen bereits die Wuerfel gefallen. Die Systems findet fortan jaehrlich statt, die Systec faellt nach zuletzt geringer Besucherakzeptanz unter den Tisch. Zusaetzlich entsteht eine Verkaufsveranstaltung fuer den Consumer-Bereich mit der Bezeichnung "bits & fun". In Koeln begnuegt man sich mit Kosmetik und laesst ab 1996 unter dem Dach der Orgatec zwei Messen parallel laufen: "die Internationale Fachmesse fuer Bueroeinrichtungen" und die "Ifcom - Anwendermesse fuer Information und Communikation".

Maerz

Beschraenkten sich die Hersteller bei der Erfuellung der Anwenderwuensche nach offenen Systemen bisher lediglich auf die Betriebssysteme, so scheint nun eine Wende einzutreten: Neun der wichtigsten Anbieter von Standardsoftwareprodukten, darunter die SAP, Oracle, People-soft und Marcam, gruenden die Open Applications Group (OAG). Sie soll Spezifikationen erarbeiten, um die Interoperabilitaet von Anwendungssoftware zu verbessern. Das Motto der Gruppe: "Wahlfreiheit fuer den Kunden".

Schlechte Erfahrungen mit der "Lex Microsoft" machen Apple und Vobis. Ein Apple-Rechtsanwalt wirft Microsoft vor, Gates drohe Apple-Chef Michael Spindler, die Programmierung von Software fuer den Mac herunterzufahren, falls Apple nicht die Entwicklung der Objekttechnik Opendoc einstelle. Diese konkurriert mit Microsofts Object Linking and Embedding (OLE). Auch Vobis-Geschaeftsfuehrer Theo Lieven ist ungluecklich: Weil Vobis seit Ende 1994 IBMs OS/2 Warp auf seinen Rechnern vorinstalliert, verstoesst ihn Gates aus dem Kreis der Windows-95-Betatester. Dabei sieht er gar nicht so "taff" aus, der Softwareguru aus Redmond - Tausende von Studenten konnten sich davon ueberzeugen, als der Softwarekoenig in der Koelner Universitaet Hof hielt.

Im Vorfeld der CeBIT faellen CW-Leser erbarmungslos ihr Urteil: Von 250 befragten Messebesuchern fuehlen sich 220 durch die Besuchermassen gestoert. Rund 200 befuerworten eine Trennung zwischen dem Fach- und dem Sehpublikum. Ausserdem haelt knapp die Haelfte der Befragten die Messe fuer zu unuebersichtlich.

Dennoch lassen sich die IT-Freaks nicht von ihrer jaehrlichen Hannover-Safari abhalten - die Deutsche Messe AG meldet mit 750000 Besuchern wieder einmal ein Rekordergebnis. Immer klarer zeichnet sich ab, dass die Messegesellschaft die CeBIT spalten wird.

Als kleine Sensation wird auf dem Fruehjahrsmarkt CeBIT ein Abkommen zwischen der IBM und der Hamburger Softwareschmiede Star Division gefeiert. Big Blue kauft die Rechte an der integrierten Buerosuite "Star Office" und kuendigt an, das Paket mit erster Prioritaet unter dem Namen "IBM-Star Office" fuer das Betriebssystem OS/2 international zu vermarkten.

Und wie geht es weiter mit OS/2? Je naeher Microsofts Windows-95- Debuet heranrueckt, desto groesser werden die Zweifel in der Branche, ob IBM an seinem Desktop-Betriebssystem festhalten wird. So verlautet aus IBM-nahen Kreisen, die Investitionen in OS/2 Warp wuerden stark gekuerzt, wenngleich Big Blue das Marketing fuer eine Enterprise-Version weiter ankurbele. Big Blue muss sich das ganze Jahr ueber boeser Zungen erwehren, die OS/2 totreden wollen - die Quellen dieser Geruechte bleiben zumeist verborgen. Doch auch Microsoft kaempft mit Problemen: Schon jetzt zeichnet sich ab, dass Umstiegsaengste die Anwender in puncto Windows 95 eher vorsichtig machen werden.

Im Markt fuer Online-Dienste waechst der Konkurrenzdruck: Neben Datex-J (heute: T-Online) und Compuserve kuendigen sich mit Europe Online und dem Duo America Online und Bertelsmann neue Wettbewerber an. Die Ernsthaftigkeit dieses Ansinnens unterstreicht Bertelsmann-Chef Mark Woessner mit einer 50- Millionen-Dollar-Beteiligung (fuenf Prozent) an America Online.

Einen Achtungserfolg im deutschen Markt erringt die Marcam Corp., deren PPS-Loesung "Pro-tean" beim Duesseldorfer Chemieunternehmen Henkel Gefallen findet. Marcam bricht damit in eine SAP-Festung ein, ohne diese allerdings vollstaendig nehmen zu koennen. Keinen Erfolg hat dagegen der Supercomputer-Entwickler Seymor Cray: Nachdem zuvor bereits Thinking Machines und Kendall Square Research Opfer der sinkenden Nachfrage aus dem militaerischen Bereich geworden waren, muss jetzt auch Cray Computer, Seymors Spin-off von Cray Research, Antrag auf Glaeubigerschutz nach Chapter eleven des amerikanischen Konkursrechts stellen.

Outsourcing und Business Re-Engineering gehoeren zu den wichtigsten Trends der 90er Jahre - oder? Umfragen in den Vereinigten Staaten zeigen, dass die Re-Engineering-Welle bereits abklingt. Wichtiger als der Aufbau crossfunktionaler Systeme ist den Amerikanern die Abstimmung der Informationstechnik auf die Geschaeftsziele. Besser steht es um den Outsourcing-Trend: In 74 Prozent der grossen und mittleren Unternehmen Deutschlands wurden entsprechende Moeglichkeiten geprueft, in die Wege geleitet oder bereits abgeschlossen.

April

Louis Gerstner verlangt seinen Managern im Kampf gegen die Microsoft-Dominanz das Letzte ab: Die 100 ranghoechsten IBM-Manager sollen jetzt persoenlich je zehn Windows-Entwickler ansprechen und zu einem Wechsel ins OS/2-Lager bewegen. Gerstner selbst will ebenfalls bei zehn Independent Software Vendors (ISVs) Klinken putzen - bei welchen, verraet er leider nicht. Wie ernst es IBM mit dem OS/2-Engagement ist, verraet wenig spaeter die Ankuendigung, ein "Back-Office-Paket" fuer die eigene Betriebssystem-Welt zu schnueren.

Fuer Ueberraschung sorgt Hewlett-Packard: Mit billigen Multimedia- PCs zielt der Branchenriese auf den Heimmarkt und bereitet Compaq, Packard Bell und Apple Kummer. Um preiswerter anbieten zu koennen, entschliesst sich Marktfuehrer Compaq, kuenftig neben Intel- und AMD- CPUs auch die "Nx586"-Chips von Nexgen zu verwenden. Intel strickt derweil fleissig an den neuen P6-Chips, die Ende Oktober praesentiert werden sollen.

Kummer nagt an Apple-Chef Michael Spindler - auch wegen interner Unstimmigkeiten: Mit einer kompletten Reorganisation will das Headquarter im kalifornischen Cupertino verlorene Marktanteile zurueckerobern. Fuer Ian Diery, bisher zustaendig fuer die Hardware- Division, ist im neuen Apple-Organigramm kein Platz mehr. IBM ist mit seiner PC-Division ebenfalls unzufrieden. Noch immer sind die Lieferprobleme nicht ueberwunden - und vor 1996 rechnet niemand mit einer grundlegenden Verbesserung.

Ueberhaupt brodelt es im April besonders heftig im PC-Markt. Compaq wirft Packard Bell vor, gebrauchte Teile in PCs einzubauen und diese als fabrikneu zu verkaufen. Auch Dell steht im dringenden Verdacht, gebrauchte Festplatten als neu oder neuwertig anzubieten. Waehrend sich die Hardwarehersteller gegenseitig madig machen, setzt Dataquest ein Streichholz an den OS/2- Scheiterhaufen: Ein Analystenteam prophezeit, Windows 95 werde OS/2 bereits im naechsten Jahr vom Markt fegen. Apples Macintosh- System werde mit einem Marktanteil von fuenf Prozent nur ein klaegliches Dasein fristen. Waehrenddessen schnappt sich die deutsche Escom AG bei einer Versteigerung fuer nur zehn Millionen Dollar die Ueberreste des einstigen PC-Kroesus Commodore.

Freude kommt bei Microsoft-Chef Bill Gates auf, dem die Aktionaere der Intuit Inc. signalisieren, sie seien mit einer Uebernahme des Quicken-Herstellers durch Microsoft einverstanden. Allerdings hat zu diesem Zeitpunkt die US-Justizbehoerde (DOJ) noch nicht ihr Plazet gegeben... Anwender beschaeftigen sich derweil mit der Frage, ob Windows 95 in Redmond als eigenstaendiges Produkt ernstgenommen wird, oder ob es sich nur um ein Uebergangsprodukt handelt, das schon bald mit Windows NT verschmelzen soll. Die Sourcecodes werden frueher oder spaeter vereinheitlicht, verlautet aus Redmond - NT habe dabei absoluten Vorrang, von Windows 95 bleibe wohl nur die Benutzeroberflaeche uebrig.

Ein Dauerpolitikum ist die Privatisierung der franzoesischen Groupe Bull S.A., die langsam voranschreitet. NEC, Motorola und France Telecom beteiligen sich an dem Konzern, dessen Mehrheitsanteil vorerst noch in staatlichen Haenden bleibt. Erste Unsicherheiten treten auf, was die Zukunft von Novell angeht. Zwar ist die Verschmelzung der eigenen Messaging Handling Services (MHS) mit dem E-Mail-System Groupwise angekuendigt, doch die Integration schreitet kaum voran. Alarmsignale dringen auch von der Lotus Corp. an die Oeffentlichkeit: Der Notes-Hersteller musste im ersten Quartal 1994 einen Verlust von 17,5 Millionen Dollar wegstecken. Besser ergeht es der SAP AG, die einen Rahmenvertrag im Gesamtwert von 16 Millionen Mark mit der Daimler-Benz AG abschliesst.

In Bonn tagen die Vordenker der Nation: Der Kanzler gruendet den Rat fuer Forschung, Technologie und Innovation und ueberlaesst seinem Adjutanten, dem Superminister Juergen Ruettgers, den Vorsitz. Forscher, Branchengroessen, Professoren, Verbandsfunktionaere, Gewerkschaftler - alle reden sich von jetzt an in regelmaessigen Abstaenden die Koepfe darueber heiss, wie der Technologiestandort Deutschland international aufzuwerten sei.

Mai

Zwei Trends machen sich im Wonnemonat besonders stark bemerkbar: Data-Warehouse-Projekte sind einer Umfrage der Meta Group zufolge bei nahezu der Haelfte aller Grossanwender vorgesehen; das Internet wird zum Thema schlechthin, die Fruehjahrs-Comdex in Atlanta ist ein sicherer Indikator fuer diese Entwicklung. Uebrigens: Immerhin 36 Prozent aller Internet-Surfer sind weiblich, wie eine Umfrage bei mehr als 1400 Unternehmen gezeigt hat.

Mit dem Netz der Netze beschaeftigt sich Branchenstar Bill Gates zunaechst weniger. Ihn interessiert immer noch die Softwareschmiede Intuit Inc. Doch das amerikanische Justizministerium versagt ihm die Zustimmung zu einer Uebernahme. Damit erhaelt Microsoft nicht die Kontrolle ueber das weltweit verbreitete Finanzsoftwarepaket Quicken, das bei Heimanwendern ein absoluter Renner ist. Anne Bingaman, im DOJ fuer Antitrust-Angelegenheiten zustaendig, argwoehnt, Microsoft koenne sich eine dominierende Marktposition erkaufen, die letztendlich zu hoeheren Softwarepreisen fuer Anwender fuehren duerfte.

IBM-Boss Louis Gerstner bereitet auf der Hauptversammlung allen Spekulationen ein Ende: OS/2 lebt und wird weiterentwickelt! Mit der SNI schliesst IBM ein Abkommen, das fuer den hiesigen Markt besonders interessant ist: Big Blues Anwendungs-Server "Customer Information Control System" (CICS) und das Datenbanksystem DB2 sind kuenftig ueber den SNI-Vertrieb erhaeltlich. Die Muenchner erhoffen sich von dieser Strategie vor allem bei IBM-Kunden einen besseren Absatz ihrer Server-Systeme der RM-Reihe. Auch mit Microsoft wird SNI einig: Server der Reihen RM 200 und RM 400 werden auf Wunsch mit Windows NT und den Back-Office-Produkten geliefert.

Es geht aufwaerts - mit dem konjunkturellen Auftrieb steigen die Gehaelter. Das Plus gegenueber 1994 betraegt bei DV-Mitarbeitern durchschnittlich 2,7 Prozent. Im Vorjahr gab es nur eine Steigerung von 1,8 Prozent. Wohl dem, der einen Job hat, denn selten wurden so viele Stellen in der Datenverarbeitung abgebaut wie in den letzten beiden Jahren. Business Re-Engineering in Deutschland reduziert das Personal um durchschnittlich ein Fuenftel und bringt eine Produktivitaetssteigerung von 17 Prozent - so das Untersuchungsergebnis einer Muenchner Unternehmensberatung.

In Hannover sind die Wuerfel gefallen: Vom 28. August bis zum 1. September 1996 wird die "CeBIT Home - World of Home Electronics" durchgefuehrt. Die Veranstaltung soll alle zwei Jahre stattfinden und Privatanwender sowie Fachhaendler ansprechen.

Eitel Sonnenschein im Outsourcing-Business? Folgt man den Jubelstories der Anbieter, so moechte man dies glauben. Doch die Anzahl der relativierenden Berichte steigt. Katastrophale Erfahrungen machte beispielsweise die US-Eisenbahngesellschaft Southern Pacific Rail Corp. mit der IBM-Tochter ISSC. Durch Rechnerausfaelle verzoegerten sich Finanzberichte; sogar ein wichtiges Stellwerk fiel aus, weil es Probleme in der DV gab. Alles andere als zufrieden war auch die amerikanische Gesundheitsorganisation Blue Shield mit EDS: Eine Trennung war unmoeglich, da das gesamte Know-how inzwischen an EDS uebergegangen war.

Die Gartner Group, durch die Uebernahme des Muenchner Trendforschungs-Unternehmens MZ Projekte verstaerkt, ist in puncto Outsourcing ebenfalls vorsichtig geworden. Ueber Projekterfolge gebe es kaum verlaessliche Daten, die Vertraege seien meist noch so neu, dass Euphorie vorherrsche. Scheiterten Projekte, gelange dies nur selten an die Oeffentlichkeit.

Juni

Im Zeichen der Grossakquisitionen steht der Monat Juni: Computer Associates wird seinem Haifisch-Image einmal mehr gerecht und schluckt nach einigen Querelen mit den US-Kartellbehoerden den System-Management-Konkurrenten Legent Corp. Nachdem der Microsoft- Intuit-Deal geplatzt ist, koennte dies die teuerste Firmenuebernahme in der Geschichte der Software-Industrie werden, denn CA laesst sich Legent knapp 1,8 Milliarden Dollar kosten.

Unter Legent-Anwendern ist die Aufregung gross: Wird CA ihre Produkte ebenso zuverlaessig pflegen und supporten wie die eigenen?

Deutlich hoeher ist dann jedoch die Summe, die IBM fuer Lotus Development an die Aktionaere ueberweist. Fuer 3,5 Milliarden Dollar uebernimmt Big Blue den Groupware-Spezialisten. Lotus-Chef Jim Manzi wechselt in das IBM-Management, wo er es aber nur drei Monate aushaelt. Der Markt beurteilt die Fusion wohlwollend: Die IBM koenne Lotus Notes ueber ihre breitgefaecherten Vertriebskanaele zu einem fuehrenden Produkt machen. Ausserdem haetten die Anwender einen besseren Support verdient, als ihn das krisengeplagte Softwarehaus Lotus zuletzt bieten konnte.

Die Smalltalk-Spezialisten Parcplace und Digitalk beschliessen, zum 1. September des Jahres zu fusionieren. Marktbeobachter bewerten diese Hochzeit als Praeventivmassnahme gegen eine moegliche Vormachtstellung der IBM, die sich ihrerseits stark im Smalltalk- Geschaeft engagiert.

Der texanische IT-Servicegigant EDS schlaegt ebenfalls zu und und uebernimmt die renommierte Unternehmensberatung A.T.Kearney. Die General-Motors-Tochter laesst sich das Chikagoer Consulting-Haus 600 Millionen Dollar kosten. Aehnlich wie sich das Debis Systemhaus mit Diebold verstaerkte, sucht nun EDS die Naehe zu einem Management- und Strategieberater.

Schliesslich streckt die Adobe Systems Inc. ihre Hand nach Frame Technology aus. Offensichtlich weckt das Dokumenten-Management- System "Framemaker" die Begehrlichkeit des Postscript-Anbieters. Geradezu bescheiden nimmt sich bei diesen Akquisitionsfestivals der Griff von Oracle nach den Online-Analytical-Processing-(Olap- )Tools von der Information Resources Inc. (IRI) aus. Doch immerhin kostet das Olap-Produkt "Express" auch seine 100 Millionen Dollar.

Erhoehtem Stress sieht sich Microsoft ausgesetzt - nicht nur wegen des erstarkten Wettbewerbs von IBM-Seite. Wieder einmal droht die Konkurrenz mit gerichtlichen Schritten. Diesmal geht es um den hauseigenen Online-Dienst Microsoft Network, den Gates an das Betriebssystem Windows 95 koppeln will. Die Konkurrenz aus dem Online-Lager protestiert - von Compuserve ueber Prodigy bis hin zu America Online. IBM stoehnt ebenfalls unter der Last eines Skandaelchens: Release 3.1 des AS/400-Betriebssystems OS/400 kommt mit Fehlern auf den Markt. Die Kunden sind veraergert, sie erwarten Bug-Fixes an immerhin 500 Stellen.

Freude herrscht hingegen bei Siemens-Nixdorf. SNI hat im ersten Quartal 1995 mit einem umsatzbezogenen Marktanteil von 13,5 Prozent die Fuehrung am deutschen PC-Markt uebernommen. Nach verkauften Stueckzahlen liegt SNI hinter Vobis auf dem zweiten Rang, verraet eine Statistik von Dataquest.

Waehrend in Muenchen die Korken knallen, gehen bei der Taligent Inc. die ersten Lichter aus. Die gemeinsame Softwareschmiede von IBM, Apple und Hewlett-Packard gibt oeffentlich bekannt, von der Betriebssystem-Entwicklung Abstand zu nehmen. Wehmut auch bei der Open Software Foundation: Die Arbeiten an der geplanten Mach- Kernel-Version des Betriebssystems OSF/1 werden eingestellt. Abgesehen von Digital Equipment mochte sich keines der OSF- Mitglieder so recht auf das System einlassen.

Geradezu exotisch muten die Sorgen einer kleinen Gruppe von IBM- Anwendern an. Sie setzen die PPS-Software Copics ein. Da IBM weder selbst noch ueber die Tochtergesellschaft CGI an dieser Software weiterentwickelt, greifen die Kunden zur Selbsthilfe. Ehemalige und teilweise pensionierte IBM-Mitarbeiter gruenden in Ulm eine User Group. Eines der Probleme, mit dem sie sich beschaeftigt, ist der Datumswechsel zum Jahr 2000. Einige Wochen spaeter uebernimmt die CGI Informatik GmbH, Leinfelden-Echterdingen, die Copics- Pflege.

In der Telecom-Szene steht eine weitere Elefantenhochzeit ins Haus. Nach monatelangem Verhandlungspoker kommt ein Vertrag zustande, demzufolge sich die Deutsche Telekom und France Telecom mit 20 Prozent an US-Carrier Sprint beteiligen. Die Zustimmung der Washingtoner Aufsichtsbehoerde Federal Communications Commission (FCC) steht noch aus.

Juli

"Bitte wem, frag' ich Sie, schadet Pornografie?" - waehrend Georg Danzer in seinem Lied noch raetselte, scheint die bayerische Staatsanwaltschaft keine Zweifel zu hegen. Sie fahndet mit polizeilicher Unterstuetzung nach Mailbox-Betreibern, die in ihren elektronischen Infoboersen pornografische Bilder zum Abruf bereithalten. Insider berichten von voellig ueberzogenen Massnahmen; weit anruechigeres Material werde ueber CD-ROMs und das Internet vertrieben.

Die Kritik an der Komplexitaet des R/3-Systems von SAP reisst nicht ab. Professor Christian Helfrich von der Fachhochschule Muenchen erkennt im Run auf die Standardsoftware eine "Flucht ins System". Es sei ein Irrglaube zu meinen, mit einer integrierten Standardsoftware koenne man die komplexe Wirklichkeit eines Unternehmens nachbilden. Offenbar hat auch SAP-Kunde IBM die Einfuehrung der Software unterschaetzt: Finanzchef Jerome York verlaengert die Frist, innerhalb derer die Software installiert werden soll, auf 18 Monate.

PC-Hersteller Compaq beginnt mit dem kontinuierlichen Ausbau seines Enterprise-Geschaefts. Zusammen mit der Cisco Systems Inc. plant Compaq die Entwicklung von Servern mit Routing-Funktionen. Die Texaner sind die ersten Hardwarehersteller, die Ciscos Internetworking Operation System (IOS) unterstuetzen. Bis zur Anerkennung als Allround-Anbieter ist es jedoch ein weiter Weg: Beim Grosskunden Bauer Verlag macht sich der Hersteller mit der Lieferung defekter Rechner, ineffizienter Hotline-Beratung, ueberforderten Servicemitarbeitern und unzumutbar langen Entscheidungswegen unbeliebt.

Derweil schlaeft die Konkurrenz nicht. Packard Bell befindet sich auf einem halsbrecherischen Wachstumskurs, der offenbar nur mit Unterstuetzung eines starken Partners fortgesetzt werden kann. Diesen finden die Amerikaner in der NEC Corp., die sich mit 170 Millionen Dollar (20 Prozent) am PC-Hersteller beteiligt. NEC und Packard Bell arbeiten fortan in den Bereichen Einkauf, Multimedia- Entwicklung und Marketing zusammen. Auch in den Softwaremarkt kommt Bewegung: Rund 415 Millionen Dollar laesst sich Utility- Anbieter Symantec den etablierten Hersteller von Fax- und Workflow-Software Delrina kosten.

Kann sich mit dem US-Softwarehaus QAD ein weiterer Grossanbieter auf dem deutschen Markt fuer Anwendungssoftware positionieren? Geruechte um eine Uebernahme der in Konkurs gegangenen Softwareschmiede Integral Datentechnik AG bestaetigen sich nach einigen Monaten - allerdings haelt sich QAD nur an einigen Beteiligungsgesellschaften schadlos. Dagegen laesst sich das AS/400- Softwarehaus Ratioplan in Villingen vollstaendig von der britischen JBA International Plc. uebernehmen.

Vom Debis Systemhaus wollen die Diebold-Geschaeftsfuehrer Fritz Reinhard Mueller und Wolfgang Dernbach nicht viel wissen. Als die Daimler-Tochter das uebernommene Beratungshaus enger an sich binden und das Dienstleistungsangebot beider Haeuser verschmelzen will, nehmen die Geschaeftsfuehrer den Hut. Ein schwerer Aderlass, denn Dernbach gilt als Vater der "Geschaeftsprozess-Optimierung" - der Dieboldschen Adaption des Business Re-Engineering.

IBMs Lotus-Uebernahme trifft vor allem die Hamburger Star Division GmbH. Hatte man zur CeBIT noch gehofft, die Buerosuite "Star Office" koenne zu einem strategischen Produkt im IBM-Portfolio werden, so zeichnet sich nun immer deutlicher ab, dass Big Blue seine Energien auf das Lotus-Paket "Smartsuite" konzentriert. Tatsaechlich teilt IBM schliesslich im November mit, Star Office eigne sich in erster Linie fuer Kunden, denen Smartsuite zu teuer sei.

IBM verstaerkt durch die Uebernahme eines 75prozentigen Anteils der DVO Datenverarbeitungs-Service Oberhausen GmbH, einer Tochter der Deutschen Babcock AG, ihre Praesenz im Outsourcing-Markt. Das Internet-Lied stimmt IBM zu diesem Zeitpunkt noch nicht an - anders der Sun-Mitbegruender Scott McNealy. Ueber das Netz der Netze werde kuenftig Software als Freeware zu beziehen sein, die mit spezifischen Sprachen wie dem hauseigenen "Java" erstellt werde. Die Aera der paketierten Programme, die ueber den Ladentisch verkauft werden, naehere sich ihrem Ende.

Zwei ungelegte Eier beschaeftigen die Oeffentlichkeit: Windows 95 von Microsoft und Intels P6-Prozessor. Sehr gut scheinen beide Hersteller ihre Hausaufgaben nicht erledigt zu haben, denn es wird bekannt, dass das Betriebssystem auf dem neuen Intel-Chip zunaechst nur um etwa zehn Prozent schneller laufen wird als auf dem Vorgaenger Pentium.

Die Deutsche Bahn AG hat Deutschland nicht nur mit einem dichten Schienen-, sondern auch mit einem Kommunikationsnetz ueberzogen, das nun kommerziell genutzt werden soll. Verwalterin der rund 4000 Kilometer Glasfaserkabel ist das Projekt DB-Telekom, das auf absehbare Zeit in eine selbstaendige Tochtergesellschaft umgewandelt werden soll.

August

Schlechte Nachrichten: Deutsche Anbieter von PPS-Systemen sind vom Aussterben bedroht. Jeden Monat verschwinden ein bis zwei Systeme vom Markt, weil Softwarehaeuser ihre Entwicklungen einstellen, Konkurs anmelden oder von Wettbewerbern aufgekauft werden. Nur 30 von 200 PPS-Systemen, so die Prognose, ueberstehen die naechsten zwei Jahre.

Geht es mit den PPS-Systemen abwaerts, so stehen die Workflow- Produkte noch vor ihrer Bluete. Bis 1998 soll der Markt in Nordamerika und Europa auf ein Volumen von 1,1 Milliarden Dollar anwachsen, prophezeit das Marktforschungsunternehmen BIS Strategic Decisions. Ein gigantisches Workflow-Projekt will die Deutsche Telekom AG mit vorerst 20 000 Arbeitsplaetzen realisieren. Auf Unix-Rechnern von Siemens-Nixdorf und Hewlett-Packard soll die Loesung eines Anbieterteams eingesetzt werden, zu dem die CSE GmbH, Klagenfurt, sowie Unisys und Garmhausen und Partner zaehlen.

Im Internetworking-Sektor rollt die Fusionswelle weiter. Nachdem im vergangenen Jahr Synoptics und Wellfleet zu Bay Networks verschmolzen, steht jetzt die Uebernahme von Chipcom durch den kalifornischen Anbieter 3Com bevor. Im Hub-Markt nimmt 3Com damit den zweiten Platz hinter Cisco Systems und vor Bay Networks ein. Die Netzhersteller tun etwas fuer eine eindrucksvolle Statistik: Im ersten Halbjahr 1995 gab es in der Computerindustrie weltweit 649 Fusionen - 76 Prozent mehr als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum.

Dass die IBM mit Lotus Notes ein interessantes Produkt erworben hat, wird immer offensichtlicher. So plant die Deutsche Bank, ihr Mainframe-basiertes Buerokommunikations-System Officevision sowie die vorhandenen heterogenen Kommunikations- und Informationssysteme gegen eine Notes-Basis auszutauschen. Insgesamt 30000 Notes-Lizenzen sowie die Option auf Einbindung weiterer 20000 Arbeitsplaetze wurden erworben.

Vergessen scheint indes das klare Bekenntnis von IBM-Chef Gerstner zu OS/2 als universellem Desktop-Betriebssystem. Statt dessen geht der Eiertanz weiter: "Der breite Verbrauchermarkt sowie der Bereich der Einzelplatzcomputer" sei fuer IBM sekundaer, man wolle die Betriebssystem-Basis fuer "grosse unternehmensweite, wirklich wichtige Business-Applikationen" schaffen.

Aufatmen im Hause Microsoft: In der Frage, ob die Gates-Company Zugriffssoftware fuer den Online-Dienst Microsoft Network in das Betriebssystem Windows 95 integrieren darf, hat das amerikanische Justizministerium vorerst gruenes Licht gegeben. Allerdings betonen die Juristen, eine endgueltige Entscheidung in dieser Frage sei noch nicht gefallen.

Wieder einmal steht das Internet in den Schlagzeilen. Diesmal geht es um den Online-Support, der nach Meinung von Auguren den traditionellen Support mehr und mehr verdraengen wird. Ohnehin hat es den Anschein, als sei der traditionelle Support grosser Hersteller laengst verdraengt worden - nur weiss niemand so recht, von wem.

Mit Peoplesoft laesst sich eines der namhaftesten US-Softwarehaeuser im Bereich Standardapplikationen in Deutschland nieder. Der Spezialist fuer Human Resources hofft, nicht nur den Klassiker Paisy in die Schranken zu verweisen, sondern auch der SAP Marktanteile abnehmen zu koennen.

Wieder einmal geht Angst vor einem Virus um: Am 9. September soll der Erreger alle Festplatten, die von ihm befallen sind, loeschen und gleichzeitig das Logo der Elektrofachmarkt-Kette Media Markt anzeigen. Vor dem Stichtag ist der Virus nur mit einem Virenscanner aufzuspueren und zu vernichten.

Peinlich fuer Apple: Das kleine Schweizer Softwarehaus Quix Computerware in Ebikon portierte in weniger als einem halben Jahr mit nur sechs Leuten das Macintosh-Betriebssystem auf IBMs Power- PC-Rechner. Apple selbst hatte dies im Herbst 1994 als Aufgabe fuer mindestens zwei Jahre bezeichnet und abgelehnt. Der Prototyp laeuft nahezu fehlerfrei auf den neuen Prep-Rechnern (Prep = Power-PC Reference Platform) von Firepower und Motorola.

Um das Betriebssystem Unix ist es still geworden - allein, es wird mehr benutzt denn je. Insgesamt 50 Hersteller einigen sich auf einen Schnittstellen-Standard fuer das Betriebssystem, um seine 64- Bit-Zukunft abzusichern. Die konkurrierenden Microsoft-Systeme Windows NT und Windows 95 sind nur auf 32-Bit-Technik ausgelegt.

Dennoch dreht sich in diesen Wochen alles um Microsofts Windows 95, das am 24. August freigegeben wird. Die ganze Industrie wird vom "Start-me-up"-Rhythmus geschuettelt - schliesslich versprechen allein die notwendige Aufruestung bestehender Desktop-Systeme und die Lieferung 32-Bit-faehiger Programme ein Bombengeschaeft. Dass sich die Verkaufszahlen dann doch nicht ganz so entwickeln, wie Microsoft dies wuenscht, haengt wohl mit der unklugen Ankuendigung zusammen, ueber kurz oder lang Windows 95 und NT miteinander zu verschmelzen.

Die Markteinfuehrung jedenfalls macht der Branche Freude. In London kauft Gates eine ganze Tagesausgabe der "Times" und bringt sie kostenlos - erweitert um eine im Titel plazierte Anzeige - unter das Volk. In Frankreich fahren Citroens mit Windows-95-Logo durch das Land, und in Wien steht sogar der altehrwuerdige Stephansdom Kopf. In Polen tauchen die Microsoft-Manager gemeinsam mit Pressevertretern ab - in einem U-Boot. In Australien bleibt Admiral Gates auf dem Wasser, in einem "Windows-95-Pappmache- Boot"...

Vor lauter Win-95-Euphorie scheint der Softwarekroesus das Internet zu vergessen. Nicht so die Konkurrenz. Dass Spezialisten wie Netscape und Spyglass den Kuchen nicht allein unter sich aufteilen, dafuer sorgt unter anderem Oracle. Eine ganze Produktpalette namens "Internet Server" kuendigt der Datenbankspezialist an - das Angebot reicht vom Browser ueber objektorientierte Entwicklungs-Tools bis hin zu Anwendungen.

September

Zu den groessten deutschen Anbietern von Konstruktionssoftware zaehlt von jetzt an die Stuttgarter Straessle GmbH, nachdem sie die "Sigraph"-Produkte von Siemens-Nixdorf uebernommen hat. Straessle will mit diesem Angebot den 2D-Markt abdecken und eventuell den Einstieg in den US-Markt wagen.

Die Konkurrenz im Online-Markt wird haerter - so hart, dass die Telekom ihren eher hausbacken wirkenden Datex-J-Dienst in T-Online umbenennt. Der Oldie erhaelt eine Multimedia-faehige Oberflaeche mit Internet-Zugang und PC-gestuetztem Mail-Service. Der Aktionismus tut not, denn Bertelsmann und Burda stehen mit ihren Online- Diensten vor der Tuer. Auf der Internationalen Funkausstellung in Berlin kuendigen Bertelsmann und America Online an, ihren gemeinsamen europaeischen Dienst unter dem Namen AOL zu starten. Bei Burda denkt man zu dieser Zeit noch, unter anderem mit dem Springer-Verlag einen starken Partner fuer den Konkurrenzdienst Europe Online an Bord zu haben.

Ganz auf das Internet setzt der amerikanische Boersenliebling Netscape, dessen WWW-Browser "Navigator" die wohl populaerste Software in diesem Umfeld ist. Allerdings leidet das Image der aufstrebenden Company, als Studenten herausfinden, wie lueckenhaft der Verschluesselungscode der Software ist. Die Uebertragung kritischer Daten birgt unkalkulierbare Risiken.

An Netscapes mangelt es der deutschen Softwarebranche. Dort wird die fehlende Bereitschaft der Banken beklagt, Risikokapital zu gewaehren. Wie die GFT GmbH, St. Georgen, moniert, werde Software nicht als Wirtschaftsgut gewuerdigt. Sie sei nach deutschem Recht nicht aktivierbar, und auch die Hardware eigne sich nicht als Banksicherheit, weil ihr Wert innerhalb kuerzester Zeit verfalle. So komme es dazu, dass Softwarehausbetreiber mit ihren privaten Besitztuemern hafteten oder sich auf der Suche nach Venture-Capital in den USA umsaehen.

Die Windows-95-Schlagzeile des Monats liefert der Chemiekonzern BASF, der rund 20000 PCs mittelfristig auf das neue Client- Betriebssystem von Microsoft umruesten will. Der chronische Mangel an Systemressourcen und die komplizierte Bedienung der Netzkomponenten lassen den Konzern Abstand von Windows 3.1 nehmen. Die 30-Millionen-Mark-Investition lohne sich, so lernen wir, weil die Betreuung der Anwender deutlich reduziert werden koenne.

Scott McNealy hatte die Diskussion im Juli eroeffnet, Oracle-CEO Larry Ellison setzt noch eins drauf: Der PC sei ueberholt, er werde schon bald durch Terminals fuer 500 Dollar ersetzt, referierte Ellison vor Besuchern des European IT Forum in Paris. Software, Anwendungen und Dienste wuerden kuenftig ausschliesslich im Netzwerk vorgehalten und vom Anwender bei Bedarf abgerufen - eine besondere Rolle spiele in diesem Zusammenhang das Internet. Gates konterte, indem er den Desktop als das "Kommunikations-Tool" der Zukunft hinstellte. Rechner- und Speicherkapazitaet vor Ort wuerden niemals ueberfluessig.

Vorerst, so scheint es, bleibt Microsoft ein tonangebender Player. Das meint wohl auch die SAP, die ihre Standardsoftware R/3 mit einer Schnittstelle zu Microsofts High-end-Datenbank SQL Server versieht. Doch auch mit der IBM koennen es die Walldorfer: Ab Mitte 1996 wird R/3 generell auf der AS/400 verfuegbar sein.

"Back to the roots" heisst es bei Novell: President Bob Frankenberg will sich der ureigenen Domaene, dem Networking, widmen und den Windows NT Server von Microsoft durch das eigene Produkt "Gemini" in die Schranken verweisen. Als erstes tritt Novell das Betriebssystem Unixware einschliesslich saemtlicher Kundenvertraege an SCO ab. Der Preis: 6,1 Millionen SCO-Aktien im Wert von knapp 58 Millionen Dollar. Auch das Netzwerk-Unix Super-NOS wird kuenftig von SCO weiterentwickelt - allerdings gemeinsam mit Hewlett- Packard auf einer 64-Bit-Basis.

Um Gesundheit im Computergeschaeft ist auch der Telecom-Gigant AT&T bemueht, der sich die Verluste und den Abwaertstrend beim Rechnerabsatz der Tochtergesellschaft Global Information Solutions (GIS, ehemals NCR) nicht mehr mit ansehen mag. Der neue Chef der Geschaeftseinheit, Lars Nyberg, soll eine Milliarde Dollar pro Jahr einsparen - 8500 Jobs stehen vor der Vernichtung, in Deutschland sind es rund 500. Betroffen ist vor allem das PC-Werk in Augsburg, weil AT&T die PC-Produktion einstellt. Einen Kaeufer hat der Konzern fuer dieses Werk bis dato nicht gefunden.

Oktober

Das Internet-Terminal fuer 500 Dollar koennte auch ein Billig-PC sein - das zumindest meint Compaqs Europa-Chef Andreas Barth. Konkrete Plaene gebe es noch nicht, doch das US-Headquarter beschaeftige sich mit derlei Ideen. Unterdessen schlaegt das Thema Sicherheit im Internet immer hoehere Wellen. Eine Allianz von Netscape und Mastercard konkurriert gegen das Duo Microsoft und Visa. Beide Teams haben sich die Entwicklung technischer Standards fuer den Datenschutz im Internet auf die Fahnen geschrieben.

Microsoft scheint mit der Objekttechnik Object Linking and Embedding (OLE) einen Durchmarsch anzustreben. Gates beauftragt die Software AG, Darmstadt, den Desktop-Standard auf die gaengigen Unix-Plattformen sowie das IBM-Grossrechnersystem MVS zu portieren. Noch zeigt sich die Konkurrenz um IBM kampfbereit - allerdings broeckelt bereits die Fassade. Vor allem Novell nimmt seine Aufgabe, die Objekttechnik Opendoc fuer Windows zu implementieren, nicht mehr sehr ernst.

IBM sieht's mit Schrecken, sollte doch Opendoc dem Erzrivalen Microsoft in einem Schluesselbereich das Wasser abgraben. Aus gehobenen Novell-Kreisen verlautet jedoch, der Industriestandard heisse nun einmal Object Linking and Embedding (OLE), und er stamme von Microsoft - an dieser Tatsache komme niemand vorbei.

Die Konsolidierungsmassnahmen bei Novell schreiten unterdessen voran. Die Weiterentwicklung von "Netware for SAA" wird an die IBM abgegeben, und erste Spekulationen treten auf, ob nach DOS 7 und Unixware auch die Buerosuite Perfect Office ausgemustert wird. Wenige Wochen spaeter bestaetigen sich diese Annahmen; Novell will bis Ende Januar 1996 einen Kaeufer fuer die Application Division aufgetrieben haben. Als Interessenten werden unter anderem Oracle, IBM, Symantec, Corel und CA gehandelt. Mit dem Ausverkauf ist der Plan des ehemaligen Vordenkers Ray Noorda, Novell zu einem Microsoft-Konkurrenten aufzubauen, endgueltig ad acta gelegt.

Unruhe auch bei der IBM: Die US-Zentrale hat die deutsche Niederlassung aufgefordert, die Vertriebs- und Verwaltungskosten 1996 um 30 Prozent und 1997 noch einmal um 20 Prozent zu senken. 1500 Arbeitsplaetze, so wird gemunkelt, stuenden auf dem Spiel. Beim Versuch, mit der Standardsoftware "MAS Open" einen Teil des an die Software-Industrie verlorengegangenen Applikationsmarktes zurueckzugewinnen, richtet sich Big Blue auf lange Zeitraeume ein: Fruehestens Ende 1997 sind erste Produkte zu erwarten.

Auf der Weltbuehne verbuendet sich IBM mit wichtigen Carriern wie AT&T, Deutsche Telekom, British Telecom oder Nippon Telegraph and Telephone Company etc., um ihrer Groupware Notes zum Durchbruch zu verhelfen. Die Partner vereinbaren Interoperabilitaetsstandards, damit sie weltweit Dienstleistungen auf der Basis von Notes anbieten koennen. Die Telecoms sollen das Notes-Release 4.0 in Lizenz nehmen, Applikationen entwickeln und ihre Netze zu einem globalen "Notes Public Network" verbinden.

Kommt sie oder kommt sie nicht, die Eurowaehrung? In jedem Fall wird sie zu einer zusaetzlichen Belastung fuer die DV-Abteilungen fuehren, zumal das Eurogeld eine Zeitlang parallel zu den nationalen EU-Waehrungen existieren soll. Vor allem Banken und Finanzdienstleister erwarten Schwierigkeiten, weil beispielsweise Kassenterminals angepasst und auf Kontoauszuegen Betraege in zwei Waehrungen ausgedruckt werden muessen. Ausserdem duerften Umrechnungs- und Rundungsfehler zu Verwirrung fuehren.

Erstmals findet die Muenchner Computermesse Systems '95 im Jahresrhythmus statt. Abwartehaltung ist bei Herstellern wie Informix, Sybase und der Software AG angesagt; sie machen ihr kuenftiges Engagement vom Andrang zur Messe abhaengig. Und der haelt sich in Grenzen. Mit 116000 Besuchern kamen 1000 weniger als vor zwei Jahren. Allerdings betont die Messegesellschaft, der Anteil der Fuehrungskraefte beziehungsweise Entscheider sei deutlich gestiegen.

Ein Image als Client-Server-Company versucht sich Compaq aufzubauen. Das Unternehmen soll zum Rundum-Anbieter von Netzwerkdienstleistungen und Server-Konzepten werden. Zu diesem Zweck werden Lizenzrechte an der "Servernet"-Architektur von Tandem erworben, einer Technologie, mit der sich grosse Datenmengen ohne Belastung der Zentral-CPU zwischen Massenspeicher-Subsystemen bewegen lassen. Die Netzfaehigkeit der Server wird verbessert, indem die Rechner Komponenten fuer Hubbing, Routing und Switching erhalten.

Neue Konkurrenz fuer Intel? Chiphersteller Advanced Micro Devices Inc. (AMD) uebernimmt den Wettbewerber Nexgen, um eine staerkere Marktposition gegenueber Intel einzunehmen. Die Nexgen-Aktionaere ASCII, Olivetti und Compaq befuerworten den fuer Anfang 1996 geplanten Deal, dessen Wert bei rund 840 Millionen Dollar liegen soll.

Ganz leise nimmt die SAP AG Abschied von ihrem "Heidelberg"- oder "SAP-Light"-Konzept. Eine abgespeckte Version der Software war nach Angaben von Chefmarketier Paul Wahl nie angestrebt, man habe lediglich ein Verfahren entwickeln wollen, um die maechtige Standardsoftware schnell, interaktiv und ohne Vorkonfiguration einfuehren zu koennen.

November

Dezentral oder doch lieber zentral? Die IBM scheint sich ueber ihre interne Organisationsstruktur nicht so recht einigen zu koennen. Jedenfalls strafft die soeben dezentralisierte IBM ihre Organsiation wieder und schlaegt zum 1. Januar 1996 das Mittelstandsgeschaeft, den Bereich Systeme und Netze, die Bildungsgesellschaft und die IBM Deutschland Systeme und Service Ost der IBM Deutschland Informationssysteme GmbH zu. Im Zuge der Restrukturierung muessen die Topmanager Bernhard Dorn und Wolfram Staiger ihre Stuehle raeumen.

Zu diesen Belastungen kommen noch Probleme mit dem Partner: Novell uebergibt die Opendoc-Entwicklung fuer Windows 95 jetzt an die IBM, die bereits an Versionen fuer AIX und OS/2 arbeitet. Dass es fuer Windows 3.1 ebenfalls eine Variante der Objekttechnik geben wird, gilt als eher unwahrscheinlich. Sicher ist indes, dass die IBM Microsofts Erfolge mit Windows NT anzuerkennen beginnt. Schluesseltechniken wie die System-Management-Umgebung "Systemview" oder das Datenbanksystem DB2 werden kuenftig auch auf dem Microsoft-System angeboten.

Ein zunaechst undurchsichtiges Spiel treibt der Springer Verlag, Hamburg, der sich entgegen urspruenglichen Absichten doch nicht am Online-Dienst Europe Online beteiligt. Man werde sich kuenftig staerker im Internet engagieren, lautet die offizielle Begruendung fuer den Kurswechsel. Wenig spaeter schliesst sich Springer jedoch ueberraschend dem Online-Projekt von Bertelsmann und America Online an. Eine Kooperation und Kreuzbeteiligungen zwischen Bertelsmann, Springer und der Deutschen Telekom werden beschlossen. Die Online- Dienste T-Online und AOL sollen weitergefuehrt werden, aber verschiedene Zielgruppen ansprechen. Im Internet engagiert sich nun nicht der Springer Verlag, sondern Europe Online - ein "privates Netz im Internet" soll aufgebaut werden.

Die Euphorie um den entstehenden Multimedia-Markt hat offenbar vielen Anbietern den Blick fuer die Realitaeten getruebt. Eine europaeische Studie stellt klar, dass die multimediale Revolution bisher ausgeblieben ist. PC und Fernsehgeraet sind wider alle Prognosen nicht zusammengewachsen, der Markt fuer Multimedia-PCs lebt ueberwiegend vom Abloesegeschaeft alter PCs - neue Kunden werden kaum erreicht.

Intels Pentium-Nachfolger "Pentium Pro" wird in ersten Maschinen von Siemens-Nixdorf, Hewlett-Packard und Intergraph vorgestellt. Compaq wartet noch ab, da der Prozessor in Netzumgebungen Probleme bereiten soll. Dieser Behauptung widersprechen die drei anderen Lieferanten vehement.

Microsoft machts moeglich: Gemeinsam mit Oracle-Chef Larry Ellison und Sun-Mitbegruender Scott McNealy schmiedet IBM-Boss Louis Gerstner eine Gesinnungsallianz, der es offenkundig um eine Degradierung des "gewoehnlichen PCs" und eine Entmachtung des marktbeherrschenden Duos Microsoft-Intel geht. Anlaesslich der Comdex praegt Gerstner den Begriff des "Network-Centric-Computing": Die PC-Aera werde durch das Zeitalter des Netzwerk-Computing abgeloest, Anwender wuerden kuenftig mit sehr einfachen Endgeraeten auf Hochgeschwindigkeitsnetze zugreifen, aus denen sie alle benoetigten Informationen beziehen koennten. Die Idee vom "Interpersonal Computer" (IPC) ist geboren.

Aussergewoehnliche Nachrichten erreichen die Nation aus Muenchen: Siemens-Nixdorf weist 1994/95 erstmals Gewinn aus. Insgesamt 62 Millionen Mark Gewinn vor Steuern (23 Millionen nach Steuern) kann SNI vorlegen. Im Vorjahr hatte der Verlust noch 319 Millionen Mark betragen. Trotz des juengsten Erfolgs spricht Unternehmenschef Gerhard Schulmeyer von Strukturproblemen. SNI sei zu sehr vom deutschen Markt abhaengig.

Dezember

Eine softwaretechnologische Pionierleistung vollbringt die in Luzern ansaessige Versicherung Christlich-Soziale der Schweiz (CSS). Bisher ein Vorzeigekunde fuer DB2, entwickelt der Anwender kuenftig saemtliche wettbewerbsrelevanten Applikationen auf Grundlage der objektorientierten Datenbank "O2" vom gleichnamigen franzoesischen Anbieter. Die Versicherung erhofft sich fuer die Herausforderungen des ab Januar 1996 teilliberalisierten Schweizer Versicherungsmarktes mehr Flexibilitaet und Uebersichtlichkeit.

Auch bei der BMW AG kommt Bewegung in den Datenbankbereich. Der Muenchner Automobilhersteller, der einer Einfuehrung von Windows 95 eher skeptisch entgegensieht, setzt im Datenbankbereich jetzt voll auf Oracle. Hohe Wartungskosten und eine eher durchschnittliche Betreuung lassen die Bayern Abstand nehmen von ihrem bisherigen Datenbankprodukt CA-Ingres.

Die CeBIT 1996 wirft ihre langen Schatten voraus - und schon jetzt zeichnet sich ab, dass die Spaltung in eine Veranstaltung fuer professionelle und private Besucher nur wenig Entspannung bringen wird. "Die CeBIT aendert sich ueberhaupt nicht", erklaert Hubert Lange vom Vorstand der Messe AG gegenueber der Presse. Die komplette Praesentationsflaeche ist bereits ausgebucht. Mit anderen Worten: Die CeBIT Home ist eine Zusatzveranstaltung, die den Messemachern einmal mehr die Kasse fuellen soll.

Digital Equipment, im Laufe des Jahres immer naeher an Microsoft herangerueckt, plant zum Januar 1996 die Fertigstellung einer 64- Bit-Variante des Betriebssystems Open VMS. Auch Microsoft arbeitet unter dem Codenamen "Cairo Pro" an einer 64-Bit-Version von Windows NT.

In der Internet-Szene dreht sich alles um die Programmiersprache "Java" des Workstation-Herstellers Sun Microsystems. Noch gibt es nicht einmal Entwicklungswerkzeuge, die das Betastadium verlassen haben, doch schon reissen sich die Interessenten von IBM bis Microsoft um Lizenzen. Bei Java handelt es sich um eine interpretierte Sprache mit objektorientierten Eigenschaften, die Sun selbst als fuer das Internet optimiertes C++-Derivat beschreibt.

Eines der innovativsten Softwareprojekte, das Gemeinschaftsunternehmen Taligent von IBM, Apple und HP, wird aufgeloest. Rund die Haelfte der Mitarbeiter muss gehen, die andere Haelfte arbeitet fortan im "Taligent Object Technology Center" der IBM, wo objektorientierte Systemtechniken entwickelt werden. Unstimmigkeiten der Sponsoren ueber Strategie und Kostenverteilung haben offenbar zu dieser Entwicklung gefuehrt.

Wieviel Mitarbeiter muessen bei der IBM den Sessel raeumen? Waehrend Deutschland-Chef Edmund Hug prophezeit, zu den urspruenglich befuerchteten 1200 Entlassungen werde es nicht kommen, rechnen die Mitarbeitervertreter mit einem groesseren Aderlass in der Verwaltung.

Foto: Karl Schmitz. Sein Beitrag stoesst eine Debatte um Sinn und Unsinn von SAP-Software an: Karl Schmitz. Der Autor kritisert die Komplexitaet der Software, vermisst eine echte Client-Server- Unterstuetzung aufgrund des zentralen Datenhaltungskonzeptes und fragt, ob R/3 fuer ein "agiles Unternehmen" die richtige Wahl ist.

Foto: Richard Seibt. Deutscher Softwarechef der IBM wird Richard Seibt (Foto), der zuvor das Personal Software Marketing (PSM) leitete und dort den OS/2-Verkauf vorantrieb. Seibt loest Peter Kirn ab, der die Position schon ein Jahr zuvor abgegeben hatte, um IBMs Mittelstandsorganisation Anwendungs-Systeme GmbH zu leiten. Im August wird Seibt zum Geschaeftsfuehrer der IBM Informationssysteme bestellt.

Foto: Ron Sommer. Von der Sony Deutschland GmbH kommt er: Der neue chef der Telekom AG heisst Ron Sommer, ist 45 Jahre alt und muss den Augiasstall Telekom gruendlich ausmisten, ehe das Unternehmen im November 1996 an die Boerse gehen kann.

Foto: Paul Margolis. Die Open Applications Group (OAG) hat das hehre Ziel, die Interoperabilitaet zwischen Standardapplikationen zu verbessern. Den Vorsitz dieser Gruppe, in der auch SAP und Oracle mitarbeiten, hat Paus Margolis, CEO der Marcam Corp., inne.

Foto: Louis Gerstner. IBM-Boss Louis Gerstner bekraeftigt sein Commitment fuer das Betriebssytem OS/2. Gleichzeitig schickt er die fuehrenden Manager los, um Softwarehaeuser zur Entwicklung von Anwendungen zu bewegen. Er selbst geht ebenfalls Klinken putzen.

Foto: Jim Manzi. Jim Manzi wird weich. Der Chef der Lotus Development Corp. kann der 3,5-Milliarden-Dollar-Offerte von IBM nicht widerstehen und verkauft. Manzi bleibt noch fuer 99 Tage Chef von Lotus, um sich dann zurueckzuziehen.

Foto: Fritz Reinhard Mueller und Wolfgang Dernbach. Zwei Pioniere der IT-Beratung verlassen mit Fritz Reinhard Mueller und Wolfgang Dernbach die Diebold Deutschland GmbH. Die engere Einbindung des Beratungshauses in die Muttergesellschaft Debis Systemhaus schmeckt den beiden Consultants nicht so recht.

Foto: Werner Suelzer. Suelzer geht, Bernardi kommt. Olivetti- Geschaeftsfuehrer Werner Suelzer wchselt nach dreijaehriger Taetigkeit zu AT&T. Seine Position nimmt Edmund Bernardi ein, der in den letzten beiden Jahren Geschaeftsfuehrungsmitglied der Straessle Informationssysteme GmbH war.

Foto: Erwind Leonhardi. Zuletzt bei Lotus Development als General Manager fuer Zentraleuropa verantwortlich, soll er jetzt in seiner Funktion die Geschaefte der Unisys Deutschland GmbH fuehren. Leonhardi ersetzt Goetz Siebrecht, der nun das europaeische Outsourcing-Geschaeft von Unisys leitet.

Foto: Bernhard Auer. Es war wohl der Druck seiner Vorgesetzten, der Bernhard Auer zum Ruecktritt zwang. Der Chef der PC-Business- Unit von Digital Equipment hatte den PC-Absatz 1994 um 56 Prozent verbessert, musste allerdings in diesem Jahr nachlassende Verkaufszahlen hinnehmen - was DEC-Chef Robert Palmer offenbar missmutig stimmte. Im Oktober uebernimmt Auer den Bereich Sales und Marketing der PC-Abteilung von Olivetti.

Foto: Andreas von Bechtolsheim. Im Technologierat des Kanzlers ist er vertreten, doch bei Sun Microsystems steigt er aus: Andreas von Bechtolsheim verlaesst das Unternehmen aus einem einfachen Grund. Ihm ist langweilig. Kaum vorstellbar bei den Internet-Visionen, die Kollege McNealy verbreitet.

Foto: Peter Page. Die Vorstandsmitglieder Horst Nasko und Hartwig Rogge raeumen den SNI-Vorstand und machen Platz fuer Peter Page. Im nunmehr vierkoepfligen SNI-Vorstand betreut Page, zuvor Vorstandmitglied der Software AG, das weite Feld Anwendungssoftware.

Foto: Robert Hoogstraten. Nach nur zweiJahren verlaesst Vertriebsvorstand Robert Hoogstraten Siemens-Nixdorf. Der von Tandem Computers eingekaufte Manager muss nach offizieller Lesart gehen, weil die neue Unternehmensorganisation diese Position nicht mehr vorsieht.

Foto: Robert Frankenberg. Novell-Chef Robert Frankenberg raeumt auf: Unixware wird an SCO verkauft, Netware for SAA und die Opendoc-Entwicklung gehen an IBM. Das Bueropaket Perfect Office steht ebenfalls zum Verkauf.

Foto: Gerhardt Merkel. Zum Vice-President und Europa-Chef hatte er es gebracht - dennoch kehrt Gerhardt Merkel dem Unternehmen den Ruecken. Der Grund: Der Systemsoftwarespezialist loese sich zu langsam vom Mainframe-Geschaeft.

Foto: Bernhard Dorn und Wolfram Staiger. DieIBM laesst ihren langjaehrigen Topmanager Bernhard Dorn ziehen, der zuletzt das Dienstleistungsgeschaeft betreute. Waehrend Dorn dem Unternehmen aber noch zumindest als Berater und Aufsichtsratsmitglied erhalten bleibt, nimmt Wolfram Staiger, verantwortlich fuer das Produkt- Markteing, endgueltig seinen Hut.

Foto: Peter Kirn. Aufstieg fuer Peter Kirn: Der IBM-Manager uebernimmt die europaweite Verantwortung fuer die Anwendungsentwicklung. Vor allem die Weiterentwicklung des AS/400- Pakets MAS/90, das als MAS/Open neu positioniert wird, liegt Kirn am Herzen.