Apple bringt Mac OS X 10.2

Jaguar: Alles umsteigen, bitte!

30.08.2002
MÜNCHEN (tc) - Seit dem vergangenen Wochenende ist die auch als "Jaguar" bekannte Version 10.2 des Apple-Betriebssystems Mac OS X erhältlich. Für gut 160 Euro erhält der Anwender endlich eine echte Alternative zum "klassischen" Mac OS.

Die Jaguar-Packung enthält ein Handheft (Buch wäre zu viel gesagt) und drei CDs - zwei für die Installation, die dritte birgt optionale Entwickler-Tools. Die Installation dauert für System und Devtools jeweils rund eine halbe Stunde. Wer über ein vorhandenes OS X installiert, sollte einen neuen Systemordner mit Archivierung des alten auswählen - so bleiben keine Altlasten im System; Anwendungen müssen trotzdem nur in Ausnahmefällen neu eingespielt werden.

Beim Start fällt zunächst der neu gestaltete Begrüßungsbildschirm ins Auge (dunkelgrauer Apfel auf hellerem Grund). Anschließend präsentiert sich Jaguar mit gegenüber den Vorversionen geringfügig veränderter Optik. Der Mauszeiger hat einen Schatten, das Dock ist nicht mehr gestreift, und viele bislang englische Ordner sind ordentlich eingedeutscht. Bei der Erkundung der Finder-Feinheiten fällt vor allem die deutlich höhere Arbeitsgeschwindigkeit auf.

Diese verdankt OS X 10.2 seiner intern wohl wichtigsten Änderung: Mit "Quartz Extreme" wurde ein Großteil der Berechnungen für die auf Portable Document Format (PDF) basierende 2D-Grafik in die Grafikkarte verlagert (was aktuellere Hardware mit sinnvollerweise 32 MB Videospeicher voraussetzt). Zuvor gab es nur pures Software-Rendering, was das System spürbar bremste. Einen Geschwindigkeitsrausch brauchen OS-X-Kenner zwar nicht zu erwarten, das System geht aber endlich mit einem für Produktionsumgebungen tauglichen Tempo zur Sache.

Daneben bringt Jaguar zahlreiche große und kleine Neuerungen mit. Die aus dem klassischen Mac OS bekannten Spring Loaded Folders (Ordner öffnen sich automatisch, wenn man eine Datei darauf zieht) und Systemklänge sind zurückgekehrt. Verbessert wurden "Mail" - jetzt mit ausgefuchstem Spam-Filter - und die Kooperation mit Windows-Rechnern und -Netzen.

Neue Programme und Techniken

Mit dem AOL-kompatiblen Instant-Messaging-Client "Ichat", einem systemweiten Adressbuch, der Handschrifterkennung "Inkwell", der an Suns "Jini" erinnernden Netztechnik "Rendezvous", Version 6 der Multimedia-Software "Quicktime" (mit MPEG-4 und AAC-Audio) und Bluetooth-Unterstützung auf Systemebene gibt es zudem neue Anwendungen und Techniken.

Die hauseigenen Anwendungen "Itunes", "Iphoto" und "Imovie" sind natürlich genauso wie die neue Version der Suchsoftware "Sherlock" (deren Kanäle allerdings noch arg US-lastig sind) mit an Bord, demnächst folgen noch "Ical" und "Isync". Zusammen mit weiteren Dreingaben wie Microsofts "Internet Explorer" und dem "Acrobat Reader" von Adobe ergibt das ein rundes Angebot. Nichts Wesentliches geändert hat sich an der seit jeher soliden Grundlage - dem Darwin-Unix-Fundament mit vielen Free-BSD-Bestandteilen, dem "Mach"-Kernel, Java 2 Standard Edition und Open GL für die 3D-Grafik.

Da Apple mit 10.2 intern auf den Compiler GCC3 umgestellt hat, kann es mit Treibern (diese sind in C++ geschrieben) für exotischere Peripherie anfangs Probleme geben. Hier muss sich der Anwender gedulden, bis sein Hersteller ein Update veröffentlicht. Was das Softwareangebot insgesamt angeht, so sind fast alle wichtigen Anwendungen inzwischen in OS-X-fähigen Versionen zu haben - Microsofts "Office:mac" etwa oder die gängigen Adobe- und Macromedia-Produkte.

Eine unrühmliche Ausnahme macht leider immer noch Quark mit seinem Layout-Programm "Xpress", das wohl erst im kommenden Jahr angepasst wird und (auch wenn man das bei Apple nicht mehr hören kann) immer noch viele Stammkunden vom Wechsel auf das neue Betriebssystem abhält. Dabei läuft die aktuelle Version 5 in der "Classic"-Emulationsumgebung sauber - und auch Adobes "Indesign" ist spätestens seit Version 2 eine ernst zu nehmende Alternative.

Echte Alternative zu Mac OS 8/9

Es währte lange, aber es wurde gut: Mit Jaguar haben Macintosh-Anwender nun eine echte Alternative zum in die Jahre gekommenen "Arbeitspferd" Mac OS 8/9 zur Verfügung. Alle neuen Macs kommen standardmäßig mit OS X 10.2, Mac OS 9 findet sich nur noch auf den Restore-CDs (und nicht mehr auf einer bootfähigen Installationsdisk). OS-X-Anwender der ersten Stunde werden sich über das erneut kostenpflichtige Update ärgern, aber sein Geld ist Jaguar allemal wert.

Rückblick

- 1985: Apple-Mitgründer Steve Jobs verlässt das Unternehmen und gründet Next.

- Anfang der 90er Jahre scheitert Apple mit der Entwicklung seines geplanten neuen Systems "Copland/Gershwin".

- 1996 kauft Apple die Überreste von Next und dessen Betriebssystem "Nextstep/Openstep".

- Im Rahmen des Projekts "Rhapsody" soll Openstep mit einer Mac-Oberfläche verschmolzen werden. Daraus wird Mac OS X.

- Im Mai 1998 kündigt Apples (damals Interims-)CEO Jobs Mac OS X für Herbst 1999 an.

- Anfang 1999 erscheint Mac OS X Server mit vielen Rhapsody-Elementen.

- Im Mai 2000 verschiebt Jobs OS X auf das kommende Jahr und verspricht eine öffentliche Beta für "Sommer"; diese Version erscheint dann im September (und kostet 80 Mark!).

- Im Januar vertagt Jobs Version 10.0 auf den 24. März, dieser Termin wird eingehalten.

- Das erste Major Update 10.1 erscheint Ende September 2001.

- 24. August 2002: OS X 10.2 a.k.a Jaguar kommt in den Handel.

- Hinweis: Einen interessanten Rückblick auf die Historie von Mac OS X gibt dieser englischsprachige O''Reilly-Artikel:

- www.macdevcenter.com/pub/a/mac/2002/05/03/cocoa_history_one.html