"Geheimtreffen" auf der Systems

IuK-Branche nimmt erneut Anlauf zu einem Dachverband

30.10.1998

Es war eigentlich als geheimes Treffen deklariert, doch durch gezielte Indiskretionen an die Fach- und Wirtschaftspresse war schnell eine vermutlich erwünschte Öffentlichkeit hergestellt. Hochrangige Vertreter des Bundesverbands Informations- und Kommunikationssysteme (BVB), des Fachverbands Informationstechnik im VDMA/ZVEI, des Bundesverbands Informationstechnologien (BVIT), des Verbands der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM), des Verbands der Software-Industrie Deutschlands (VSI) sowie weiterer Organisationen nutzten den IT-Event in München zu einer Art kritischer Nabelschau. Ergebnisse des Gesprächs: Die deutsche IuK-Branche muß sich nach außen besser und einheitlicher darstellen. Eine gemeinsame Arbeitsgruppe soll nun ein Strategiepapier formulieren, wie ein Dachverband oder eine einheitliche Spitzenorganisation aussehen könnte.

Ansätze wie dieser sind nicht neu. Seit Jahren leistet sich die deutsche IuK-Branche, die sich mit beeindruckenden Wachstumszahlen zu Recht als einen der Motoren der Volkwirtschaft sieht, den Luxus einer zersplitterten Verbandslandschaft. Immer wieder kam es zumindest zu informellen Kontakten zwischen den einzelnen Verbänden - bis dato ohne Erfolg.

Drei Verbände gaben die Pressekonferenzen

Mehr als ein Dutzend Herstellervereinigungen repräsentieren nach wie vor die zusammenwachsenden Marktsegmente Software, Telekommunikation und Multimedia. Besonders kraß trat dieser Anachronismus wieder auf der Systems '98 in Erscheinung, als BVB, BVIT und VDMA/ZVEI in jeweils eigenen Pressekonferenzen mit unterschiedlichen Zahlen zum Wachstumstempo der Industrie aufwarteten, ansonsten aber in das gleiche Horn stießen.

Derzeit würden in der deutschen IT-Branche jährlich rund 20000 neue Jobs geschaffen; weitere 15000 entstünden allerdings gar nicht, weil der eklatante Personalmangel bei den einschlägigen Firmen mögliches weiteres Wachstum verhindere, rechnete Jörg Menno Harms, Vorsitzender des Fachverbands Informationstechnik im VDMA/ZVEI, in München vor. Alle drei Spitzenverbände forderten in ähnlich formulierten Maßnahmenkatalogen die neue Bundesregierung zu einer Bildungsoffensive auf (siehe Seite 43 und 44). Ziel müsse es sein, dem Problem fehlender Nachwuchskräfte - nur jeder dritte Informatik-Studienplatz ist derzeit besetzt - endlich Herr zu werden.

Doch genau das ist das Problem der hiesigen IuK-Zunft. Man spricht nicht mit einer Stimme und hat es schwer, in Bonn Gehör zu finden. Über die Aussichten, daran etwas zu ändern, schweigen sich die Betroffenen indes nach wie vor aus. Sowohl Jörg Menno Harms als auch BVB-Chef Willi Berchtold wollten zu dem Münchner Treffen offiziell nicht Stellung nehmen. Auch bei anderen Organisationen begibt man sich auf Tauchstation. BVB-Geschäftsführer Werner Senger sprach gegenüber der CW lediglich von "einer positiven Atmosphäre", in der das Gespräch stattgefunden habe. Das dürfte sich jedoch ändern, wenn es ans Eingemachte geht. Vor allem die tonangebenden Verbände BVB und VDMA/ZVEI ringen, so Insider, um die Vormachtsstellung in einer künftigen Dachorganisation - gilt es doch für den "Verlierer", sich von Einfluß und lukrativen Posten in der Verbandslandschaft zu verabschieden.