Deutschland glänzte auf der Telecom Interctive durch Passivität

ITU setzt auf Koexistenz von Internet und Telekommunikation

10.10.1997

Das Zusammenwachsen von Computer und Telekommunikation prägten die von der ITU veranstaltete Telecom Interctive in Genf. Kaum ein Stand, auf dem nicht die neuen interaktiven Multimedia-Welten demonstriert wurden, die leistungsfähige Rechner und Hochgeschwindigkeitsnetze heute ermöglichen. Nur wer den etwas abseits gelegenen deutschen Gemeinschaftsstand besuchte, mußte seine Interaktivität auf das Blättern in den ausgelegten Firmenprospekten beschränken. Produkte, Standpersonal oder gar innovative Lösungen suchte der Messebesucher hier vergebens.

"Wenn wir in der Vergangenheit Daten über das Telefonnetz transportiert haben, so werden wir künftig unsere Sprache über globale Datennetze wie das Internet übertragen", skizzierte Pekka Tarjanne, der amtierende Generalsekretär der ITU, den dramatischen Wandel in der Telekommunikation, wie er sich in Genf abzeichnete. Die größte Herausforderung sieht Tarjanne deshalb für die Zukunft darin, die Interessen der Internet- und TK-Gemeinde auf einen Nenner zu bringen, so daß beide Gruppen ein und dasselbe Netz nutzen.

Ein Ziel, das sich dem Generalsekretär zufolge nur verwirklichen läßt, wenn beide Gruppen zu Einschränkungen bereit sind. Internet-Benutzer müssen vielleicht auf den uneingeschränkten Zugang zu fixen Preisen verzichten und künftig mit nutzungsorientierten Tarifen leben. Die Telecom-Netzbetreiber, so Tarjanne weiter, hätten sich dagegen auf niedrigere Profitmargen einzustellen.

Thesen, die der neueste ITU-Report "Challenges to the Network: Telecoms and the Internet", der ebenfalls in Genf vorgestellt wurde, untermauert. Der Bericht untersucht die weitere Entwicklung der Beziehungen zwischen TK-Industrie und Internet. Neben den technischen und wirtschaftlichen Einflüssen des Internet auf die TK-Dienste beleuchtet die Untersuchung die Frage, wie die beiden unterschiedlichen Kulturwelten zueinander passen: Trifft doch mit dem Internet die junge, dynamische und unregulierte Kultur der Computerwelt auf eine nüchterne und immer noch hochregulierte TK-Industrie, die sehr viel langfristiger plant.

Hierauf versucht der Report Antworten zu geben, wobei allerdings den Beteiligten nicht mehr viel Zeit für das Zusammenwachsen der unterschiedlichen Kulturen bleibt: Waren zum Jahresanfang 1997 weltweit nur 8,6 Internet-Nutzer pro 100 Telefonanschlüsse zu registrieren, so werden es 2001 bereits 30 sein. Diese Entwicklung wird einen zusätzlichen Bedarf an Telefonanschlüssen erzeugen. Allerdings dürfte dieser im wesentlichen nicht mit den heutigen analogen Anschlüssen und den bekannten Modems zu decken sein, da der Multimedia-Siegeszug den Wunsch nach mehr Bandbreite weckt. Deshalb, so der Report weiter, dürften sich Technologien wie ISDN und DSL rasch verbreiten. Der Bedarf an schnelleren und günstigeren Zugängen eröffnet aber auch anderen Playern wie Kabelfernsehbetreibern, Diensteanbietern mit drahtlosen Zugangstechnologien oder Satellitenbetreibern neue Geschäftsfelder.

Schneller als die Nachfrage nach Telefonen dürfte die nach Internet-Computern expandieren. Der ITU-Report geht davon aus, daß die Zahl der Internet-Host-Rechner von 16,1 Millionen im Jahr 1996 auf 110 Millionen 2001 wächst. Die Zahl der geschätzten Internet-Anwender steigt im gleichen Zeitraum von 60 auf 300 Millionen. Als treibende Kräfte hierfür sieht die Studie Internet-Telefonie, Intranets und Extranets.

Vor allem das Telefonieren via Internet wird enorme Anforderungen an die Kapazität des globalen Netzes stellen. Das gilt vor allem, wenn sich Lösungen wie Net 2 Phone durchsetzen, bei denen kein PC mehr benötigt wird. Trotz dieser unterschiedlichen Internet-Szenarien scheint für die ITU ein Faktor klar zu sein: Die Plattform für das wachsende Internet wird das öffentliche TK-Netz bilden.