Electronic Commerce/Kein Zwischenlager mehr

ITN läßt die Hardware direkt zum Kunden schicken

16.10.1998

Das Besondere an dem ITN-Konzept ist, daß netzfähige Hardwarekomponenten, die ITN für Auftragsprojekte benötigt, direkt vom Hersteller Cisco an den Kunden geliefert werden. Siemens braucht also kein Zwischenlager mehr. Die Effekte liegen auf der Hand: Kostenvorteile durch den Wegfall des Zwischenlagers, hohe Transparenz bei der Bestellverfolgung und die Auslieferung der jeweils aktuellsten Hardwareversion.

Mit einem Projektvolumen von rund 750 Millionen Mark und insgesamt 950 Mitarbeitern weltweit zählt Siemens ITN zu den großen Dienstleistungsanbietern im Bereich der Datennetzintegration. Das Portfolio reicht dabei von der Bedarfsanalyse und Beratung (Consulting) über die Planung und technische Konzeption komplexer Unternehmensnetze einschließlich der Auswahl und Lieferung der benötigten Hardwarekomponenten bis hin zur Installation und Inbetriebnahme. "Da wir alle Leistungen aus einer Hand anbieten, treten wir zugleich als Hardwarelieferant auf und kümmern uns um die Beschaffung sämtlicher Komponenten", erklärt Ronald Bock, Leiter Logistik. Demnach besteht ein typischer Projektauftrag zu etwa 30 bis 40 Prozent aus Dienstleistung, die übrigen 60 bis 70 Prozent entfallen auf die benötigten Produkte.

Für rund 180 Millionen Mark jährlich beschafft die Geschäftseinheit auf diese Weise Hardware im Kundenauftrag. Hierbei handelt es sich überwiegend um Markenprodukte des Marktführers Cisco Systems, die großteils in den USA gefertigt werden. In der Vergangenheit war deshalb ein hoher logistischer und finanzieller Aufwand nötig, um die Teile zunächst nach Deutschland zu bringen und dann hier zu lagern. Logistikchef Bock: "Die Vorhaltung der Komponenten in Deutschland ist in dreifacher Hinsicht unrentabel: Zum einen fallen für das Lager selbst hohe Unterhalts- und Betriebskosten an. Zum zweiten wird Hardware rasant billiger, so daß gelagerte Produkte rasch an Wert verlieren. Und drittens kommen in rascher Folge neue Updates, so daß der Lagervorrat schlagartig unverkäuflich werden kann."

ITN arbeitete mit der Düsseldorfer Unternehmensberatung Intra zusammen.

Zu Beginn des Projektes stand eine umfangreiche Analyse der Geschäftsprozesse des Netzdienstleisters: "Es stellte sich heraus, daß mehr als 80 Prozent der von uns beschafften Hardware innerhalb von ein bis vier Wochen und weniger als 20 Prozent in unter einer Woche ausgeliefert werden müssen", erinnert sich Intra-Projektleiter Gerd Lenz. "Damit war klar, daß wir den größten Teil der Hardware direkt vom Hersteller an den Kunden liefern lassen können und für diese Komponenten keine Lagerhaltung mehr betreiben müssen."

Für die Bestellung via Internet wurde das Electronic-Commerce-Tool "IPC" entwickelt. Parallel mußte ein international aktiver Logistikpartner gefunden werden, dem man zutraute, sämtliche bestellten Komponenten fristgerecht auszuliefern: "Bei einer Netzinstallation müssen praktisch alle benötigten Hardware-Elemente am ersten Implementierungstag zur Verfügung stehen, da sie oft im Netz direkt voneinander abhängen", beschreibt Hans-Joachim Litzkow, kaufmännischer Leiter bei ITN und Leiter des Logistikprojekts. Werden einzelne Komponenten zu spät geliefert, kann das gesamte Projekt ins Stocken geraten. Cisco entschied sich für den internationalen Logistik-Dienstleister United Parcel Service (UPS).

Lieferung an den Kunden, Rechnung an ITN

Praktisch funktioniert das folgendermaßen: Nachdem die für ein Projekt benötigten Hardwarekomponenten bestimmt und die Bestellungen per IPC in das Warenwirtschaftssystem des Herstellers Cisco übermittelt wurden, erhält IT Networks zunächst eine elektronische Bestellbestätigung, die komplett über die Produktions- und Lieferfristen informiert. Parallel dazu bekommt der Logistikpartner Nachricht über die anstehenden Lieferungen. Sind die Hardwarekomponenten fertiggestellt und zur Auslieferung bereit, wird die Ware abgeholt und innerhalb von vier Werktagen aus den USA an den Kunden in Europa ausgeliefert. Dieser erhält einen Lieferschein, die Rechnung geht an ITN.

Zwischenzeitlich hat sich herausgestellt, daß von der Hardware noch 15 Prozent mehr als zunächst erwartet erst innerhalb von ein bis vier Wochen nach Bestellung ausgeliefert werden müssen. "Heute wickelt Siemens auf diese Weise bereits über 95 Prozent seines gesamten Geschäftes mit Cisco ab. Seit Aufnahme des Produktivbetriebs im Oktober 1997 ist das ein Einkaufsvolumen von rund 35 Millionen Mark, das wiederum entspricht rund 2000 Aufträgen mit insgesamt 10000 Produkten", beschreibt ITN- Logistiker Bock. Intra-Projektleiter Lenz: "Diese nochmalige Steigerung beruht auf zwei Effekten: Zum einen hat die schnelle, papierlose Bestellabwicklung mit der integrierten technischen Plausibilitätsprüfung die Prozeßzeiten stärker verkürzt, als zunächst angenommen. Zum zweiten hat Cisco die Lieferzeiten für kurzfristig benötigte Produkte in Europa weiter reduzieren können."

Nach der Umsetzung des Konzeptes mit Cisco plant Siemens nun die Einbindung weiterer Lieferanten. "Ab Ende 1998 wollen wir das gesamte Hardwaregeschäft auf die neue Weise abwickeln", so Logistikexperte Bock.

Angeklickt

"Just-in-Time" ist nicht nur eine Methode für den Anlagen- oder Maschinenbau. Auch Netzspezialisten bedienen sich jetzt einer ähnlichen Vorgehensweise, die es im besten Fall erlaubt, auf Lagerhaltung ganz zu verzichten. Die Siemens-Geschäftseinheit ITN beschafft im Kundenauftrag aus den USA Hardware von Cisco für ihre hiesigen Auftragsprojekte im Netzbereich. Ein bisher noch ungewöhnliches Logistikkonzept auf der Basis von Internet hat die Prozeßzeiten deutlich verkürzt.

Harald Zapp ist Marketing-Manager bei Cisco Systems GmbH in München.