Salesforce sieht neue Rollenverteilung

ITler innovieren, User programmieren

16.05.2017
Von 
Heinrich Vaske ist Editorial Director a.D. von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO.
Gängige Methoden des IT-Service-Managements bilden das moderne digitalisierte Unternehmen nur noch unzureichend ab. Warum das so ist, verdeutlicht der neu aufgelegte "State of IT Report" von Salesforce: Die Grenze zwischen IT und Business löst sich auf.

Die IT ist heute das "zentrale Nervensystem" der Unternehmen, sie entscheidet über den Geschäftserfolg. IT spielt eine Schlüsselrolle darin, was Fachbereiche aus Kundendaten herausholen und wie abteilungsübergreifende Prozesse abgebildet werden. Der CIO wird zu einem Business-Manager, seine IT ist nicht mehr ein Cost-Center, sondern entwickelt sich zu einem "wertorientierten Service-Broker". Die größten Herausforderungen für diesen Transformationsprozess liegen in den Legacy-Systemen sowie im Mangel an qualifiziertem Personal.

Zu diesen und anderen Ergebnissen kommt der weltgrößte CRM-Anbieter Salesforce, der 2200 IT-Verantwortliche weltweit befragt hat, davon 254 aus Deutschland. Drei Viertel der Umfrageteilnehmer sagen, dass ihre Fachbereichs-Kollegen viel von ihnen erwarten: Die IT werde vom Business als größter Hebel für den Geschäftserfolg gesehen.

Wo IT-Chefs einen Mangel an Skills beklagen: Die internationale Umfrage zeigt, dass es überall an qualifiziertem IT-Personal fehlt – jetzt und in Zukunft.
Wo IT-Chefs einen Mangel an Skills beklagen: Die internationale Umfrage zeigt, dass es überall an qualifiziertem IT-Personal fehlt – jetzt und in Zukunft.
Foto: Salesforce

It`s all about Speed

Für 76 Prozent der Befragten ist die Geschwindigkeit, in der sie Anwendungen fertigstellen und Projekte abwickeln können, ein besonders wichtiger Erfolgsparameter. Sie wünschen sich deutlich kürzere Entwicklungszyklen - doch nur 45 Prozent sind mit ihren Teams derzeit in der Lage, eine App in weniger als einem Monat zu designen und als Prototyp fertigzustellen. Deshalb bezeichnen zwei Drittel der Befragten "mehr Speed in den Entwicklungszyklen" als ihre höchste Priorität.

Low-Code-Programmierung im Kommen

Konjunktur haben "Low-Code-Development"-Plattformen. Sie erlauben es, Anwendungen allein durch die Konfiguration vorgegebener Funktionsbausteine zu erstellen. Neun von zehn IT-Chefs wollen in den nächsten zwölf bis 18 Monaten solche Low-Code-Lösungen nutzen oder tun es bereits. Sie versprechen sich davon nicht nur höhere Geschwindigkeit, sondern auch mehr Produktivität, da sich die IT-Mitarbeiter mehr auf strategische Initiativen und vor allem auf Innovationen konzentrieren könnten.

Die IT-Verantwortlichen sind mehrheitlich keineswegs darauf aus, ihr Hoheitsgebiet zu verteidigen, im Gegenteil: Viele beginnen sich mit "Citizen Development" zu beschäftigen - der Verlagerung von Programmieraufgaben an die End-User in den Fachabteilungen, die dann allerdings in vorgeschriebenen Entwicklungsumgebungen arbeiten sollen. So soll die Entwicklungsgeschwindigkeit erhöht und die Brücke zwischen Geschäftsanforderungen und technischer Execution geschlagen werden.

Sorge um IT-Governance

Naturgemäß gibt es hier aber auch Vorbehalte. Nur 24 Prozent der IT-Chefs haben IT-Governance-Prozesse, die es erlauben, dass NichtITler Software entwickeln. Nicht einmal ein Drittel verfügt derzeit über adäquate Trainingsprogramme für Business-Anwender, die programmieren sollen. Deshalb wollen die meisten Befragten den Usern nur ausgewählte Tools an die Hand geben, und das zunächst auch nur an wenige geeignete Kandidaten.

Automatisierung ist Trumpf
Automatisierung ist Trumpf
Foto: Salesforce

Wie Salesforce feststellt, streben nahezu alle Firmen kundenzentrische Geschäftsmodelle an, weshalb Vertrieb, Marketing und Kundenservice die IT-Organisation als wichtigen strategischen Partner betrachten. Die abteilungsübergreifende Zusammenarbeit (Collaboration) wird vor diesem Hintergrund immer bedeutender, denn der externe Kunde nimmt Anbieter oder Marken als Ganzes wahr - und nicht irgendwelche Abteilungen, die ihr Süppchen kochen.

Sales vertraut auf künstliche Intelligenz

Vor diesem Hintergrund spielt auch künstliche Intelligenz (KI) eine immer wichtigere Rolle: In den nächsten Jahren werden es sowohl Consumer als auch Business-Kunden für selbstverständlich erachten, dass Unternehmen ihre Wünsche antizipieren können. Sie erwarten Empfehlungen, und das möglichst früh in der Customer Journey. Der Umfrage zufolge wissen die IT-Teams zwar, dass KI ein wichtiges Thema wird, doch sie fühlen sich überwiegend noch nicht vorbereitet. Die meisten Befragten wollen erst einmal auf Abteilungsebene entsprechende Pläne umsetzen und Erfahrungen sammeln. Hier drohen in vielen Unternehmen Konflikte mit den Fachbereichen, insbesondere den Sales-Teams, die lieber heute als morgen automatisierte Produktempfehlungen für Kunden mit Hilfe von KI-Anwendungen möglich machen würden.

CIOs aus USA und Deutschland im Vergleich

Vergleicht man die Angaben amerikanischer Umfrageteilnehmer mit denen der deutschen, zeigen sich feine Unterschiede. In den USA beispielsweise sagen 91 Prozent der IT-Chefs, ihre IT-Organsation führe die konzernweite digitale Transformation an. In allen anderen Ländern sind deutlich weniger dieser Meinung, Deutschland liegt mit 81 Prozent noch im oberen Bereich. Eine bessere Zusammenarbeit von IT und Fachbereichen halten über die nächsten 18 Monate 74 Prozent der Amerikaner für erfolgskritisch, die deutschen IT-Chefs stimmen zu 67 Prozent zu. IT-Aufgaben automatisieren, um mehr Spielräume für Innovationsthemen zu schaffen, wollen in den USA 89 Prozent der Befragten, hierzulande 76 Prozent. Und mit Low-Code-Entwicklung wollen sich jenseits des Atlantiks 94 Prozent der Umfrageteilnehmer beschäftigen, in Deutschland sind es fünf Prozent weniger.