Itil V 3, Buch 5: Die Veränderung als Institution

08.10.2007
Von Björn Hinrichs
Das fünfte und letzte Buch der Itil-Verson 3 widmet sich dem Thema "Continual Service Improvement" (CSI).

Die unter dem Kürzel CSI zusammengefassten Konzepte sind in vielen Organisationen seit Jahren ein Thema. In den meisten Fällen kommen sie aber nicht über das Stadium der Diskussion hinaus. Zu einem Projekt wird Continual Service Improvement mit schöner Regelmäßigkeit erst dann, wenn irgendetwas falsch läuft und dieser Fehlschlag schwer wiegende Folgen für das Kerngeschäft hat. Sobald das Problem beseitigt wurde, wird das Konzept prompt wieder vergessen – bis zum nächsten Vorfall.

CSI sorgt dafür, dass Schwung auf das Lifecycle-Rad kommt.
CSI sorgt dafür, dass Schwung auf das Lifecycle-Rad kommt.
Foto: itSMF

Service Transition, Service Design und Service Operation bilden gemeinsam den inneren Service-Lifecycle, der sich um die Service Strategy als Kern dreht. Die Konzepte des Continual Service Improvement umgeben und durchdringen den gesamten Lifecycle. CSI kommt quasi die Aufgabe zu, das Rad nicht stillstehen zu lassen in dem Bemühen, Strategie in Bewegung umzusetzen (Grundsätzliches zur neuen Itil-Version unter "Ein Schritt in die richtige Richtung").

Was das Buch dem Leser bietet

Continual Service Improvement liefert praktische Empfehlungen für die Bewertung und Optimierung der Servicequalität sowie des Reifegrads, den der gesamte Lifecycle erreicht hat. Zugleich widmet sich das Buch auch den zugrunde liegenden Prozessen. Dabei werden drei Ebenen innerhalb der IT-Organisation addressiert:

  • der Gesamtzustand der Disziplin "IT-Service-Management",

  • die kontinuierliche Ausrichtung des IT-Service-Portfolios an den aktuellen und künftigen Anforderungen der Kunden sowie

  • der Reifegrad der IT-Prozesse, die für die Unterstützung der Geschäftsabläufe in einem kontinuierlichen Service-Lifecycle-Modell notwendig sind.

Im Einzelnen gibt der fünfte Band der aktuellen Itil-Version den Lesern:

  • eine High-Level-Einführung in die Konzepte des Continual Service Improvement,

  • eine Definition des daraus erwachsenden Mehrwerts,

  • Beschreibungen der gängigen SCI-Methoden und -Techniken sowie

  • Anleitungen dafür, wie sich diese Methoden und Techniken einsetzen lassen.

Als Leitlinie kann ein Sprichwort dienen, das in dieser oder ähnlicher Form vielen bekannt sein dürfte, deshalb aber noch lange nicht an Gültigkeit verloren hat:

You cannot manage what you cannot control.

You cannot control what you cannot measure.

You cannot measure what you cannot define.

Der Ansatz der kontinuierlichen Optimierung ist Itil-Fachleuten bereits bekannt – aus dem zur Version 2 gehörigen Buch "Planning to Implement Service Management". Viele der Konzepte rund um dieses Modell finden sich mit nur geringen Abweichungen auch in der Version 3.

Die Definition des Nutzens ist schwierig

Zu begründen, warum SCI sinnvoll und gewinnbringend ist, kann den CIO oder Service-Manager einiges Kopfzerbrechen kosten. Es ist schon schwierig genug, den Nutzen einer Service-Management-Einführung zu definieren. Viele Business-Case-Initiativen sind gescheitert oder bewegen sich auf einer Betrachtungsebene, die rein monetäre Aspekte in den Hintergrund rückt. Gesicherte Daten liegen nur in sehr geringem Umfang vor und sind selten übertragbar. Schließlich geht es ja gerade um eine individuelle Ausrichtung des IT-Service-Managements an den jeweiligen Anforderungen der Organisation sowie ihrer Kunden und Services.

Vor diesem Hintergrund ist die Aufgabe, den Nutzen der kontinuierlichen Verbesserung darzustellen, enorm wichtig. Wie zu erwarten, haben die nicht-monetären oder zumindest schwer in Euro und Cent quantifizierbaren Aspekte hier großes Gewicht. Sie so darzustellen, dass sie auf der Management-Ebene verstanden werden, ist eine Kunst für sich.

Messen ist Transparenz

Der oben genannten Leitlinie folgend ist es wichtig, alle Aspekte, die es zu optimieren gilt, zu messen. Beispielsweise führt die beschleunigte Umsetzung von Changes – das ist allgemein anerkannt – zu einer verkürzten Time-to-Market oder zu einer schnelleren Fehlerbeseitigung. Doch der tatsächliche wirtschaftliche Wert für den Kunden ist nicht zweifelsfrei quantifizierbar. Trotzdem dient eine solche Verbesserung unbestritten dazu, die gefühlte Servicequalität zu steigern, und sie resultiert regelmäßig in einer höheren Kundenzufriedenheit.

Um die Verbesserung objektiv nachweisen zu können, müssen aber unbedingt die für einen solche Key-Performance-Indikator (KPI) des Change-Management-Prozesses relevanten Messgrößen definiert und tatsächlich gemessen werden. Dies bringt eine Transparenz mit sich, die für die Bewertung und spätere Optimierung des Prozesses notwendig ist.

Transparenz: Voraussetzung und Nutzen

Hier liegt einer der größten Stolpersteine für die CSI-Konzepte Transparenz ist Voraussetzung und Nutzen in gleicher Weise. Allerdings wird Transparenz selten als Vorteil angesehen.

Itil V 3: Über Veränderung reden

Itil Version 3 wird mit Sicherheit das beherrschende Thema auf dem siebten Jahreskongress des IT Service Management Forum (itSMF) sein. Die nicht-kommerzielle Organisation, die sich die Itil-Etablierung und -Weiterentwicklung in Deutschland zur Aufgabe gemacht hat, lädt interessierte CIOs und IT-Service-Manager vom 4. bis 5. Dezember in das Tagungszentrum des Berliner Hotels Estrel. Auf der Veranstaltung mit dem Titel "IT changes – change IT" wird unter anderen der ehemalige IBM-Manager Erwin Staudt sprechen, derzeit Präsident des VfB Stuttgart. Allerdings ist der amtierende deutsche Fußballmeister derzeit kein gutes Beispiel für kontinuierliche Verbesserung.

Für jeden Sportfan ist es mittlerweile selbstverständlich, dass er die Leistungen seiner Lieblingsakteure mit Hilfe jeder denkbaren statistischen Kennzahl analysieren, bewerten und nachvollziehen kann. Hingegen gilt die Transparenz der eigenen Arbeitsleistung – und sei es nur auf Teamebene – als Bedrohung und potenzielles Risiko. Hier befürchtet fast jeder, dass seine Position später von einer Maschine oder einem billigeren Arbeitnehmer besetzt wird. Auf die Führung des Service-Managements kommt auch mit der neuen Itil-Version viel Arbeit zu. Sie sollte diese Vorurteile entkräften, damit der Weg zu einer konstruktiven gemeinsamen Sicht auf die Themen Transparenz und Optimierungspotenzial frei wird.

Siebenstufiger Prozess zum besseren Service

Das fünfte Buch der neuen Itil-Version liefert einen eigenen Prozess, den "Seven-Step-Improvement-Process". Hier geht es um die Sammlung, Analyse und Aufbereitung von Daten mit dem Ziel, Optimierungspotenziale zu identifizieren.

Dieses Konzept wird auf mehreren Ebenen betrieben – der strategischen, der taktischen und der operativen. Dabei liefern die in Schritt 6 auf der operativen Ebene gewonnenen Ergebnisse zugleich den Input für Schritt 3 auf der taktischen Ebene. Die auf der taktischen Ebene gewonnenen Erkenntnisse aus Schritt 6 fließen wiederum in Schritt 3 der strategischen Ebene ein.

Somit ist sichergestellt, dass Daten und Erkenntnisse durchgängig erhoben und genutzt werden. Die ersten beiden Schritte des Prozesses erzwingen es zudem, dass von der strategischen bis hinunter zur operativen Ebene nur solche Daten erhoben werden, die einer übergeordneten Zielsetzung dienen – nicht dem reinen Selbstzweck der Datensammlung.

Von der einheitlichen Struktur abgewichen

Daneben bietet das Buch eine Reihe von Konzepten, wie sich CSI in den IT-Organisationen umsetzten lässt. Hierzu zählen Service Reporting, Service Measurement und Return on Investment for Continual Service Improvement.

Bei den letztgenannten Konzepten handelt es sich allerdings weniger um Prozesse. Warum in dem letzten Band der neuen Itil-Version die einheitliche Gliederung der Prozessbeschreibungen aufgegeben wurde, bleibt zunächst das Geheimnis derjenigen, die für die neue Itil-Version verantwortlich zeichnen. Zumindest für den einzigen tatsächlichen Prozess wäre es wohl möglich gewesen, sich an diese Struktur zu halten. (Weitere kritische Anmerkungen zur neuen Itil-Version beispielsweise unter "Die Grenzen von Itil 3" oder "Finger weg von Itil 3?") )

Nützliche Methoden und Techniken

In Kapitel 5 des Buchs geht es um Methoden und Techniken, die für das Continual Service Improvement nützlich sein können. Dazu zählen Assessments, Benchmarking, Scorecards und selbstverständlich der Qualitätskreislauf nach William Edwards Deming (Plan-Do-Check-Act), denn er ist auch Teil diverser Qualitäts-Management-Normen; ISO 900x, ISO 2700x und ISO 20000 fordern ihn bereits. Ebenso findet er in den anderen Kernbüchern der neuen sowie der alten Itil-Version vielfältigen Einsatz.

In diesem Kapitel wird auch ausführlich auf die Verzahnung des CSI mit nahezu allen anderen Service-Management-Prozessen eingegangen. Dabei beschränken sich die Autoren nicht darauf, zu betonen, wie wichtig diese Verzahnung ist. Vielmehr liefern sie auch Konkretes zu Schnittstellen und den jeweiligen gemeinsamen Aktivitäten.

Teil des normalen Servicebetriebs

Der fünfte Band der neuen Itil-Kernbücher schließt das Lifecycle-Modell ab. Er stellt dar, wie wichtig eine Integration der Verbesserungskonzepte in alle Phasen, Prozesse und Funktionen des Lifecycle-Modells ist. Und er liefert eine Vielzahl von Methoden, Konzepten und Ansätzen. Sie sollen dahin führen, dass kontinuierliche Verbesserung nicht bloß eine Maßnahme zur Behebung massiver Probleme bleibt, sondern dass sie ein vollwertiger Teil des "normalen Servicebetriebs" wird.

Die Autoren haben auch andere Methoden und Best Practices in ihre Empfehlungen einfließen lassen. Dazu zählen CobiT (Control Objectives for Information and related Technology), Six Sigma, CMMI oder Total Quality Management. Trotz einiger struktureller Schwächen bildet Continual Service Improvement damit einen runden Abschluss der neuen ITil-Version 3. (qua)