Das Umdenken hat bereits begonnen
Neu ist der Qualitätsbegriff in den IT-Organisationen zweifellos nicht. Beispielsweise hinsichtlich der technischen Performance von Systemen oder Netzwerken ist er gang und gäbe. Der zusätzliche Fokus richtet sich jetzt auf die Prozessqualität. Ihre Notwendigkeit und methodischen Umsetzung wurden bisher nur ansatzweise diskutiert.
Andererseits beschäftigen sich viele IT-Verantwortliche offenbar für sich allein durchaus mit den Thema, und sie messen ihm große Bedeutung bei. Als die ITSM Consulting AG im vergangenen Jahr Unternehmen danach befragte, welchen Zielen sich das IT-Service-Management mittelfristig besonders widmen werde, nannten sie zwar vor allem die Kostenoptimierung, doch direkt hinter diesem Klassiker platzierten sie die Qualitätssteuerung der IT-Prozesse.
Hinter diesem Votum verbirgt sich die Erkenntnis, dass es den Anforderungen im Unternehmen längst nicht mehr gerecht wird, wenn sich die IT auf die Systematisierung und Standardisierung ihrer Prozesse beschränkt. In jedem einzelnen IT-Service können erhebliche Leistungsschwächen schlummern, die lange unbemerkt bleiben, aber plötzlich weitreichende Konsequenzen bis hin zur längerfristigen Unterbrechung marktnaher Geschäftsprozesse auslösen können.
In den Business-Prozessen wird Performance längst über qualitätsbezogene Kriterien gesteuert. Höchste Zeit, dass die Steuerung der IT-Prozesse diesem Beispiel folgt.
- Sechs Tipps zum Umgang mit Regelwerken
ITIL, CoBIT, Togaf & Co. haben durchaus ihren Sinn. Aber eine zu enge und unkritische Ausrichtung auf solche Standards wird den individuellen Anforderungen der Unternehmen oft nicht gerecht. - Tipp 1:
Lassen Sie sich nicht von einem Regelwerk vereinnahmen, sondern entwickeln Sie eine kritisch-konstruktive Distanz dazu. - Tipp 2:
Versuchen Sie nicht, individuelle Erfordernisse des Unternehmens in den Standard eines Methodenwerks zu pressen. - Tipp 3:
Definieren Sie ein unternehmensspezifisches Framework und übernehmen Sie nur die Teile aus den Regelwerken, die nützlich sind und verstanden werden. Beachten Sie dabei die Pareto-Regel (mit 20 Prozent Aufwand 80 Prozent der Dinge regeln), damit keine zu komplizierte Frameworks entstehen. - Tipp 4:
Entwerfen sie zum Unternehmen passende Prozesse, zum Beispiel mit der "Wertschöpfungsmaschine" von Andreas Suter oder der Business-Engineering-Methode von Hubert Österle. - Tipp 5:
Bestehen Sie auf klaren und präzisen Begriffsdefinitionen. Prüfen Sie Ihre Definition, indem sie drei Stakeholder/Experten aus Ihrem Unternehmen nach deren Interpretation fragen. Wenn jeder etwas anderes interpretiert, taugt die Begriffsdefinition nicht. - Tipp 6:
Greifen Sie bei Servicedefinitionen auf fundierte und konkrete Werke zum IT-Produkt-Management oder Service-Engineering zurück (beispielsweise von Harry Sneed, Tilo Böhmann oder Klaus-Peter Fähnrich).
Systematische Schritte zu IT-Quality
Auf dem Weg zur qualitätsorientierten Steuerung der IT-Prozesse mangelt es meist noch an den methodischen Grundlagen. Damit fehlen am Ende auch die Kennzahlen, mit denen sich die qualitativen Erfordernisse zumindest der wichtigsten IT-Services definieren und bewerten lassen. Wie lässt sich dieses Manko beheben?
Am Anfang steht eine Bewertung der Qualitätserfordernisse in den jeweiligen IT-Prozessen. Sie verlangt nach klaren Kriterien, die beispielsweise in Verfügbarkeit, Zuverlässigkeit, Leistungsfähigkeit und Konformität bestehen können.
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Zur Verfügbarkeit gehört die Definition, in welcher vereinbarten Zeit eine Anwendung zur Nutzung bereitstehen und wie schnell sie nach einem Ausfall wiederhergestellt sein soll.
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Die Zuverlässigkeit betrifft den tolerierten Grad an Nutzungseinschränkungen und Fehlern, deren Wahrnehmungszeit und die Zeitdauer für die Problembeseitigung.
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Die Leistungsfähigkeit misst die Geschwindigkeit der Verarbeitungsschritte innerhalb vorgegebener Zeitfenster.
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Die Konformität gibt Auskunft über die Vertraulichkeit und Integrität der genutzten Informationen.
Diese Qualitätskriterien stellen zunächst eine generelle Matrix dar. Sie sind nicht besonders hilfreich, solange sie nicht mit konkreten Leistungsanforderungen versehen werden. Hierfür muss zunächst der qualitative Unterstützungsbedarf des Business ermittelt werden. Daraus lassen sich dann die Anforderungen an die IT-Services ableiten.