IT-Weiterbildungssystem eröffnet neue Karrierepfade

21.01.2003
Von Hiltrud Osterried
Rund 80 Prozent der IT-Profis in Deutschland sind Quereinsteiger ohne abgeschlossene einschlägige Ausbildung. Abhilfe soll das praxisorientierte IT-Weiterbildungssystem mit Zertifzierung nach internationalen Standards schaffen. Für die Qualifizierung ist kein Studium erforderlich.

Systemadministrator, Projektleiter, Java-Entwickler, IT-Supporter, Netzwerktechniker oder Internet-Spezialist sind nur wenige von rund 400 ungeschützten Tätigkeitsbezeichnungen in der IT. So unterschiedlich sie klingen, haben sie doch eines gemeinsam: Es gibt dafür bislang keine allgemein gültigen Ausbildungsstandards. Das könnte sich jedoch ändern, denn in Berlin haben die wichtigsten IT-Verbände mit Unterstützung von Gewerkschaften den Verein zur Förderung der Qualität in der IT-Weiterbildung, kurz Quit, gegründet. Er soll in Kürze Zertifikate für 29 Spezialistenberufe ausstellen und dabei international gültige Standards berücksichtigen.

Weiterbildung für Praktiker

Die Liste der Gründungsmitglieder von Quit liest sich wie das Who-is-who der deutschen IT-Verbandslandschaft: Bundesverband Informationstechnik, Telekommunikation und neue Medien (Bitkom), Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI), Gesellschaft für Informatik (GI), dazu kommen noch die Gewerkschaften IG Metall und Verdi, die Forschung ist durch die Fraunhofer-Gesellschaft vertreten. Auch die öffentliche Hand mischt mit: Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn hat sich für die Erarbeitung des IT-Weiterbildungssystems stark gemacht und die entsprechenden Gelder bereitgestellt.

Der Handlungsbedarf ist offenkundig: In Deutschland verfügen etwa 80 Prozent der 1,6 Millionen IT-Fachkräfte weder über eine anerkannte Berufsausbildung noch über ein Studium, schätzt der ZVEI. Das IT-Weiterbildungssystem richtet sich sowohl an die Praktiker, die über keine formale IT-Ausbildung verfügen, aber sich schon Wissen im Alltag angeeignet haben, als auch an Absolventen der Ausbildungsberufe, die sich ohne Studium weiterqualifizieren wollen. Jedes Jahr beenden 20 000 Personen eine Erstausbildung in einem der IT-Ausbildungsberufe IT-Systemelektroniker, Fachinformatiker, IT-Systemkaufmann oder Informatikkaufmann.

Sie alle können jetzt die mehrstufige Weiterbildung absolvieren: In einer ersten Stufe ist die Qualifizierung zum Spezialisten vorgesehen, die durch ein Zertifikat eines Mitglieds der Trägergemeinschaft für Akkreditierung (TGA) abgeschlossen wird. Es existieren 29 Spezialistenprofile, die unterschiedliche Schwerpunkte haben - angefangen vom Softwareentwickler bis hin zum Kundenbetreuer. Die Zertifizierung beruht auf der DIN EN 45013 und richtet sich nach internationalen Standards. Die nächste Qualifzierungsstufe „operative Professionals“ ist mit dem Bachelor vergleichbar und sieht vier Profile vor, die „strategischen Professionals“ sind auf der Master-Ebene angesiedelt.

Das neue IT-Weiterbildungssystem

Das Besondere am IT-Weiterbildungssystem ist, dass es unter normalen Arbeitsbedingungen im eigenen Unternehmen erfolgt. Die Teilnehmer sind in ihrer Firma angestellt, erledigen ihre gewohnte Projektarbeit, die aber dokumentiert und abschließend bewertet wird. Vor allem durch diesen praxisorientierten Ansatz unterscheidet es sich von den traditionellen Fortbildungen. Zugrunde liegt die Erfahrung, dass IT-Anfänger oft nicht die Zeit haben, die Schulbank zu drücken. Außerdem bieten viele Kurse nicht das im Arbeitsalltag geforderte Wissen an.

Deshalb entwickelten Wissenschaftler des Fraunhofer Instituts für Software- und Systemtechnik (ISST) zusammen mit Experten aus der Praxis diese arbeitsprozessorientierte Weiterbildung, kurz APO. Das Verfahren sieht vor, dass die Teilnehmer anhand realer Projekte lernen. Ihnen stehen dabei so genannte Lernprozessbegleiter zur Seite, die sie bei der Auswahl des geeigneten Projekts, bei der Umsetzung und der Dokumentation methodisch, didaktisch und fachlich unterstützen. Auch eventuell notwendige Weiterbildungskurse werden mit ihnen besprochen und ausgewählt. Lernprozessbegleiter können Spezialisten aus der eigenen Fachabteilung oder Dozenten aus der firmeneigenen Ausbildungsabteilung sein. Kleinere Betriebe können sich extern durch Experten aus Bildungsinstituten unterstützen lassen. Den Abschluss bildet eine mündliche Prüfung durch Quit, nach der der Teilnehmer das Zertifikat erhält.