IT im Maschinenbau/Mittelständler lagern Informationstechnik zunehmend aus

IT-Systeme raus - Know-how rein

16.04.2004
Nach wie vor ist der Maschinen- und Anlagenbau eine deutsche Vorzeigebranche. Damit das so bleibt, gehen jetzt auch kleine und mittlere Unternehmen dazu über, ihre IT-Infrastruktur oder Teile davon auszulagern.Von Rüdiger Gram und Heinrich Offermann*

Der deutsche Maschinen- und Anlagenbau startete erfolgreich ins Jahr 2004: Das Inlandsgeschäft stieg im Januar um 23 Prozent gegenüber dem Vorjahresniveau, die Auslandsnachfrage erhöhte sich um zwei Prozent. "Nach drei Jahren Ebbe wird 2004 für die Branche wieder ein Wachstumsjahr", sagt Ralph Wiechers, Chefvolkswirt beim Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA). "Viele heimische Kunden werden nach einem dreijährigen starken Rückgang der Ausrüstungsausgaben wieder investieren müssen, wenn sie nicht den Anschluss an den Stand der Technik verlieren wollen."

Heute verlässt kaum eine Maschine die Fertigungshalle ohne Computersteuerung. Nach Umfragen der Beratungsfirma Techconsult erteilte der stark mittelständisch geprägte Maschinen- und Anlagenbau im letzten Jahr IT-Aufträge für rund 129 Milliarden Euro, über 40 Prozent der gesamten IT-Investitionen aller deutschen Unternehmen. Doch den Kostendruck durch den internationalen Wettbewerb bekommen auch die rund 6000 Betriebe dieser Branche zu spüren.

Eine Frage diskutieren die Mitglieder des VDMA derzeit häufiger: Wann und für wen ist Outsourcing sinnvoll? Die erhofften Einspareffekte durch Losgrößen im Server-Betrieb, in der Desktop-Infrastruktur sowie der Applikationsbetreuung locken besonders den Mittelstand. Daneben, so die Erfahrungen des VDMA, können via Outsourcing die Geschäftsprozesse den Marktanforderungen flexibel angepasst werden.

Damit zeichnet sich ein Trend ab: Nach einer Umfrage der Pierre Audoin Consultants (PAC) gehen mittlerweile sogar kleine und mittelständische Unternehmen (KMUs) mit bis zu 1000 Beschäftigten dazu über, ihre IT auszulagern. Danach wird das Marktvolumen für Outsourcing bei Firmen dieser Marktgröße von rund 2485 Milliarden Euro im Jahr 2003 auf 4008 Milliarden Euro im Jahr 2007 steigen. "Viele KMUs werden für wichtige IT-Themen keine eigenen Spezialisten beschäftigen können", heißt es in der PAC-Studie.

Engere Bindung zu den Mitarbeitern

Bislang führte Outsourcing in mittelständischen Unternehmen ein Schattendasein. Die Gründe: Die tatsächlich anfallenden IT-Kosten sind nicht bekannt, auch fällt es schwer, Geschäftsdaten in die Obhut fremder Hände zu legen (siehe Kasten "Warnmeldungen per E-Mail-Abo"). Zudem herrscht häufig eine engere Bindung zu den Mitarbeitern als in Großunternehmen. Arbeitsplatzabbau wegen Outsourcing ist daher eine emotionale Schwelle. Viele Einzellösungen lassen sich darüber hinaus nur schwer auslagern. Hier ist Spezialwissen erforderlich, und die für Kostenersparnisse wichtigen Skaleneffekte durch Mengenaufträge sind mit Individualsystemen nicht erzielbar.

Eine weitere psychologische Barriere schaffen die IT-Dienstleister oft selbst. Ihre Fachleute überfordern die Mittelständler mit technischen Begriffen, die sie abschrecken. Dies belegt eine Umfrage des Bitkom (www.bitkom.org), des Branchenverbands der deutschen IT-Industrie. Geschäftsführern mit wenig IT-Know-how müsse man oft viel mehr erklären als den Chief Information Officers (CIOs) der Großunternehmen. In der Vergangenheit entschieden sich viele KMUs gegen vollständiges Outsourcing. Stattdessen leasten sie Teile ihrer IT-Infrastruktur und drückten so ihre Kosten.

Zunächst nur wenige Funktionen abgeben

Wollen Unternehmen trotz mancher Hürden von den Vorteilen des Outsourcings profitieren, bietet der VDMA spezielle Arbeitsgruppen im Fachverband Software an. Diese erarbeiten gemeinsam Leitlinien, worauf beispielsweise bei der Vertragsgestaltung zu achten ist und welche Leistungen Kunden mit ihren Dienstleistern vorab genau definieren sollten (siehe Kasten "Studien von IMCS und Lünendonk").

Viele Unternehmen befürchten, dass sie durch Outsourcing ihrer IT-Systeme nicht mehr ausreichend Kontrolle besitzen und früher oder später vom Dienstleister abhängig werden. Dabei gibt es inzwischen auch bei geschäftskritischen Prozessen gut funktionierende Beispiele. Anfangs empfielt es sich jedoch, nur bestimmte IT-Funktionen auszulagern.

Für die erste Outsourcing-Stufe eignen sich Basisprodukte aus Informationstechnologie und Telekommunikation (ITK) wie Server, Desktops oder Netzwerke. Weitere Beispiele sind Web-Auftritt und Standard-Office-Applikationen. Was die strategischen IT-Prozesse angeht, tun Firmen gut daran, Personen, die diese verstehen, und die entsprechenden Skills im Haus zu behalten und in internen Gremien zusammenarbeiten zu lassen.

Im Idealfall klare Abgrenzung

Ob jemand diese Kompetenzen intern vorhält, entscheidet sich häufig nach der Größe des Betriebs. In Unternehmen mit 300 bis 500 Mitarbeitern kennen sich meist die Anwender in den Fachabteilungen am besten mit den jeweiligen Systemen aus. Sie sind dann auch die Ansprechpartner für den Dienstleister, sie steuern seine Aktivitäten und teilen ihm die funktionalen Anforderungen mit.

Welche Stelle auch immer die CIO-Kompetenzen im eigenen Haus besitzt, der Idealfall ist eine klare Arbeitsteilung zwischen Kunde und Dienstleister: Während der CIO die Qualität der erbrachten Leistungen überwacht, übernimmt der Dienstleister die aufwändige Integrationsarbeit für das IT-Management und betreibt die ausgelagerte Infrastruktur. Hat der Kunde ein Transaktionskosten-Modell vereinbart, zahlt er nur die tatsächlich genutzten Leistungen und kann das IT-Budget von vornherein genau kalkulieren.

Um jedoch späteren Ärger zu vermeiden, ist es ratsam, die Serviceleistungen vorab im Vertragswerk genau festzulegen, beispielsweise Leistungen aus übergeordneten Kategorien wie Verfügbarkeit, Endnutzerzufriedenheit, Performance, Fehlerfreiheit, Service-Desk und Projektqualität. Mehrere hundert Service-Levels lassen sich so auf fünf bis zehn reduzieren. Zusätzlich kann ein Kunde definieren, wie viele Manntage pro Jahr der Dienstleister damit verbringt, nach Innovationen zu fahnden und die Systeme anzupassen. Kosten für Aktualisierungen sind im normalen Vertragswerk meist nicht enthalten.

Je klarer die Outsourcing-Strategie, desto leichter lassen sich vom Dienstleister entsprechende Pakete schnüren. Gerade für den Mittelstand eignen sich Out-of-the-Box-Lösungen. Die ausgereiften, standardisierten Pakete sind häufig kostengünstig zu bekommen. Der Return on Investment stellt sich vergleichsweise schnell ein. Auch sind die Pakete mit Angeboten der Konkurrenz leichter vergleichbar als Ansammlungen von vielen Einzellösungen und Servicegraden.

Weist ein Dienstleister fundierte Erfahrung und Prozess-Know-how nach, kann es sich lohnen, auch geschäftskritische Applikationen auszulagern. PAC sieht dieses Application Outsourcing als Wachstumsmarkt. Viele Anwendungen - allen voran SAP - seien sehr komplex und nur mit vielen geschulten Mitarbeitern zu handhaben. Weil das SAP-Outsourcing aber sehr verbreitet sei, eigne sich die Software ideal dazu, kostenreduzierende Skaleneffekte zu erzielen.

Ein Unternehmen, das neben Infrastrukturleistungen auch seine ERP-Systeme (ERP = Enterprise Resource Planning) auslagerte, ist Noell Crane Systems (www.noellcranesystems.com). Der Produzent von Kränen und kompletten Hafenbetreibersystemen mit Stammsitz in Würzburg erwirtschaftet jährlich rund 100 Millionen Euro Umsatz. Dabei besteht die IT-Abteilung nur aus zwei Personen. Sie koordinieren die Dienstleister und kontrollieren die Einhaltung der Service- Levels. "Wir haben im Hause rund 160 SAP-Anwender in Fachabteilungen, die mit unterschiedlichsten Modulen arbeiten", sagt Willi Scheiner, der für das Thema ERP verantwortliche IT-Manager. "Wollten wir für jedes Modul Spezialistenwissen vorhalten, bestünde unsere Abteilung aus acht bis zehn Mitarbeitern. Durch unseren Outsourcing-Partner können wir das Wissen viel günstiger vorhalten und nutzen."

Jährlich neu definierte Zeitbudgets

Derzeit führt der ITK-Dienstleister die SAP- und CAD-Systeme auf einer Plattform zusammen. Damit lassen sich alle Geschäftsprozesse von der Entwicklung bis zum Vertrieb und Service durchgängig über IT abbilden. Kundenwünsche fließen so über die Vertriebsmitarbeiter auf klar strukturierten Wegen an die Entwicklungsabteilung zurück.

Jährlich neu definierte Zeitbudgets für Kleinaufträge ermöglichen es, den für operative Aufgaben zuständigen Dienstleister direkt zu beauftragen. So kann Noell Crane Systems schnell auf Anforderungen des Tagesgeschäfts reagieren.

Die beiden IT-Manager haben Zeit für strategische Entscheidungen gewonnen: "Es macht einen großen Unterschied, ob Sie das Thema SAP R/3 aus der Hubschrauberperspektive betrachten oder in die Details einsteigen müssen", sagt Scheiner. "Früher drohten wir durch zahlreiche Anwenderfragen oft im Tagesgeschäft unterzugehen und den Blick für das Ergebnis zu verlieren."

Außer in Deutschland verfügt Noell Crane Systems über verbundene Unternehmen in Italien und China. "Deshalb haben wir uns einen Partner gesucht, der international mit den gleichen Maßstäben wie hierzulande tätig werden kann", so Scheiner. "Eine kleine IT-Abteilung kann das nicht leisten." Durch ein stringent nach der Anzahl von Arbeitsplätzen, Nutzern, Applikationen und Server-Diensten gestaffeltes Preismodell bleibt die Kostentransparenz auch international gewahrt.

Gerade im Hinblick auf die Softwaresteuerung im Ausland erkennt der VDMA einen neuen Trend: Auch viele Unternehmen, die ihre IT im eigenen Land nicht auslagern, suchen sich für das Auslandsgeschäft einen Partner. Dabei beziehen sie mit Vorliebe alle Dienste aus einer Hand, da sonst die Gefahr besteht, dass einzelne Entwicklungen auseinander laufen.

Weltweit die gleiche Qualität

Dies betrifft vor allem die IT direkt in den Produkten wie etwa die Maschinensteuerungssoftware. Hier muss der Dienstleister weltweit die gleiche Qualität sicherstellen. Dazu müssen Mitarbeiter vor Ort sein, die sich um eine einheitliche Softwareentwicklung und Dokumentation kümmern. Schließlich lassen sich auch Fernwartungs- und After-Sales-Dienste auslagern, sei es im Ersatzteilwesen, in der Monteursteuerung oder in der mobilen Anbindung des Außendienstes.

Dienstleister, die integrierte ITK-Infrastrukturen beherrschen, können bei Bedarf auch höherwertige Dienste wie etwa das Management ganzer Geschäftsprozesse eigenverantwortlich übernehmen. Diese fügen sich dann wie ein Puzzle-Teil in die Organisationsstruktur des Kunden ein. Den gewünschten Output definieren Dienstleister und Auftraggeber vorab gemeinsam. Hält der ITK-Spezialist das Plansoll ein, zahlt der Kunde den vollen Preis, ansonsten abgestuft weniger.

Logistikkosten senken und Leistung steigern

PAC sieht die Hauptmotivation für Business Process Outsourcing (BPO) in dem Bedarf, notwendige Prozesse ohne eigenes Spezialistenwissen zu implementieren. Und nach Meinung von Matthias Mahnel, Geschäftsführer der Münchner Unternehmensberatung Impuls Management Consulting, ist auch einiges nachzuholen. Durch Outsourcing von Teilprozessen wie etwa der Lagerführung an professionelle Dienstleister ließen sich die Logistikkosten senken und gleichzeitig die Leistung steigern. (bi)

*Rüdiger Gram ist Vorstand Fachverband Software des VDMA, Heinrich Offermann ist Vertriebsleiter Maschinen- und Anlagenbau bei T-Systems.

Hier lesen Sie ...

- wie Einspareffekte durch Outsourcing besonders den mittelständischen Maschinenbau wettbewerbsfähiger machen können,

- warum IT-Dienstleister die Mittelständler bisher häufig eher abgeschreckt haben,

- welche Basisdienste aus Informationstechnologie und Telekommunikation für die erste Outsourcing-Stufe geeignet sind,

- welche Serviceleistungen vorab im Vertragswerk genau festgelegt werden müssen,

- warum es günstig sein kann, das Thema SAP/R3 aus der Hubschrauberperspektive zu betrachten.

Studien von IMCS und Lünendonk

Mitverantwortung im Portfolio

Das Institute for Management and Consulting Sciences (IMCS) und die Lünendonk GmbH haben unter großen Beratungs- und Dienstleistungsunternehmen den Trend erkannt, Beratung, Realisierung und unternehmerische Mitverantwortung in einem Leistungsportfolio zusammenzufassen: "Dabei verfolgen die Anbieter, die sich wahlweise als Business Innovation Partner oder Business Transformation Partner bezeichnen, das Ziel, die Kunden durch den gesamten Wertschöpfungsprozess von der Beratung bis zum operativen Betrieb von IT-Systemen und Geschäftsprozessen als Partner zu begleiten."

Inwieweit sich diese neue Dienstleistertypologie auf dem Markt positionieren und behaupten kann, wollen die beiden Beratungshäuser nun mit einer Befragung unter ausgewählten Anbietern sowie 250 großen und mittelständischen Anwenderunternehmen herausfinden.

Warnmeldungen per E-Mail-Abo

Sicherheitsmerkmale von IT-Dienstleistern

"Das Thema Sicherheit wird in vielen mittelständischen Unternehmen eher lax gehandhabt", weiß Gerd Döring, Bereichsleiter der vom Elektrounternehmen Vorwerk an T-Systems ausgelagerten IT-GmbH Zeda. Diese Meinung teilt auch Gerhard Sauer, Geschäftsführer des Münchner Security-Spezialisten Result Group. Nach immer häufiger auftretenden Schäden durch Viren und Würmer haben das Innen- und das Arbeitsministerium des Bundes gemeinsam mit dem IT-Verband Bitkom das Informationszentrum "Mcert" gegründet, das schnelle Warnmeldungen und Handlungsratschläge per E-Mail-Abo anbietet. Da die Anforderungen an die Funktionalität und Sicherheit der Systeme jedoch kleine IT-Abteilungen langfristig dennoch überfordern, rechnen die Marktanalysten der International Data Corp. (IDC) mit Outsourcing von IT- und Sicherheitsprozessen. Unternehmen, die einen Outsourcing-Partner suchen, sollten potenzielle Kandidaten gezielt auf ihre Sicherheitsmaßnahmen und Zertifizierungen wie DIN ISO 17799 (BS7799) ansprechen.