IT-Studenten arbeiten gut und billig

18.11.2005
Von 
Jürgen Mauerer ist Journalist und betreibt ein Redaktionsbüro in München.
Nicht alle IT-Unternehmen suchen ihre Rettung aus der Kostenfalle im Offshoring. Einige setzen auf studentische Unternehmensberatungen. Sie sind preisgünstig, vor Ort und bestehen aus motivierten jungen Leuten.

Die Jungs sind gut und liefern hohe Qualität, da ihr Wissen auf dem neuesten wissenschaftlichen Stand ist. Sie sind motiviert, engagieren sich über den üblichen Zeitrahmen hinaus und denken nicht in Schubladen." Frank Dederich, geschäftsführender Gesellschafter des IT-Dienstleisters CBK Dederich, hat bislang gute Erfahrungen mit der studentischen Unternehmensberatung Campus Consult aus Paderborn gemacht. "Wäre das nicht der Fall, hätte ich die Zusammenarbeit nicht intensiviert."

Links zum Thema

• www.bdsu.de: Der Bundesverband Deutscher Studentischer Unternehmensberatungen mit Sitz in Bonn wurde im Dezember 1992 gegründet und zählt heute 27 Mitgliedsinitiativen mit rund 2000 Studenten.

• www.jcnetwork.de: Das Junior Consultant Network ist der jüngere der beiden Dachverbände und zählt derzeit 15 Mitgliedsvereine mit etwa 700 Studenten.

• www.campus-consult.de: Campus Consult mit Sitz in Paderborn stellt auf dieser Website seine Dienstleistungen vor.

• www.univativ.de: Der Schwerpunkt von Univativ liegt im IT-Bereich. Die GmbH & Co. KG arbeitet mit fest angestellten Absolventen und noch Studierenden zusammen.

Hier lesen Sie …

• warum studentische Unternehmensberatungen eine Alternative zum Offshoring bilden;

• wie sie garantieren, dass sie Kunden gute Arbeit liefern;

• für welche Aufgaben sie bei Anwenderunternehmen in Frage kommen;

• welche Erfahrungen die Auftraggeber mit den Studenten gemacht haben.

Idee aus Frankreich

Die Idee der studentischen Unternehmensberatung kommt aus Frankreich, wo bereits 1967 an der französischen Eliteuniversität Essec die erste derartige Organisation gegründet wurde. Hauptziel war und ist, dass Studenten schon während des Studiums ihr Wissen in die Praxis umsetzen. In Deutschland wurde die erste Initiative 1988 in Darmstadt gegründet. Mittlerweile gibt es hierzulande rund 80 studentische Unternehmensberatungen, die auf lokaler Ebene an den jeweiligen Universitäten oder Fachhochschulen meist in Form eines eingetragenen Vereins organisiert sind. Davon haben sich 27 Mitgliedsvereine mit rund 2000 Studenten im 1992 gegründeten Bundesverband Deutscher Studentischer Unternehmensberatungen (BDSU) zusammengeschlossen. Der BDSU sitzt seit 1. Januar 2005 in Bonn im gleichen Haus wie die Geschäftsstelle des Bundesverbandes der Deutschen Unternehmensberatungen (BDU). Die Mitglieder können beispielsweise Praktika in etablierten Unternehmensberatungen ableisten oder sogar für bestimmte Projekte mit den erfahrenen Beratern zusammenarbeiten. Sie profitieren auch durch Schulungen oder Workshops vom Know-how der hauptberuflichen Consultants.

In einem der letzten Projekte erweiterte und verbesserte Campus Consult im Auftrag von CBK Dederich eine auf Basis von Microsoft .NET entwickelte Web-Anwendung für ein Unternehmen der Maschinenbaubranche. Notwendig war dabei die Migration der von der Web-Anwendung verwendeten Access-Datenbank auf den SQL Server 2000.

Campus Consult wurde 1993 als eingetragener Verein gegründet und 1997 um die Campus Consult Projektmanagement GmbH erweitert, die von zwei fest angestellten Geschäftsführern geleitet wird. Beide Organisationen greifen auf dieselben rund 80 studentischen Mitarbeiter unterschiedlicher Fachrichtungen zu. "Diese Interdisziplinarität ist ein großer Vorteil, da sie zu verschiedenen Sichtweisen und damit zur ganzheitlichen Betrachtung eines Projekts führt", wirbt Sebastian Lübbers, einer der Geschäftsführer der GmbH.

Neben Schulungen und Management-Beratung ist IT-Beratung der Hauptschwerpunkt der Paderborner. So sind sie mittlerweile IBM Premium Business Partner und Microsoft Certified Partner. Zu den Kunden gehören Mittel-ständler wie CBK Dederich, aber auch Großunternehmen wie Deutsche Bank oder Daimler-Chrysler. "Häufig gleichen wir mit unseren Studenten in Hochphasen eines Projektes Kapazitätsengpässe aus und erhöhen so die Flexibilität unserer Kunden", erzählt Lübbers.

Strenge Qualitätsrichtlinien

Um die hohe Qualität der Beratung zu sichern, hat der Bundesverband Deutscher Studentischer Unternehmensberatungen (BDSU) strenge Qualitätsrichtlinien für seine Mitglieder aufgestellt (siehe Kasten "Idee aus Frankreich"). Dazu gehören internes Controlling und ausführliche Projektdokumentationen. "Wir verstehen uns als Qualitätssiegel, mit dem unsere Mitglieder auch werben können", beschreibt Marketing-Vorstand Verena Graf das Ziel des BDSU. Bewerber müssen beispielsweise eine einjährige Anwartschaft mit einer Prüfung am Ende bestehen, bevor sie Mitglied werden. Jedes Jahr kontrolliert der BDSU zudem, ob die Mitglieder die Qualitätsrichtlinien einhalten. Campus Consult aus Paderborn gehört zu den Vereinen, die den Maßstäben des BDSU gerecht werden.

Einen etwas anderen Ansatz vertritt das Junior Consultant Network, kurz JCNetwork, der zweite Dachverband der studentischen Unternehmensberatungen. JCNetwork wurde am 1. Juli 2002 an der TU Ilmenau gegründet und zählt derzeit 15 Mitgliedsvereine mit etwa 700 Studenten. Offenbar sind sich die Verbände nicht grün "Der BDSU drückt seine Standards von oben durch, ist also eine Art Top-down-Organisation. Da er großen Wert auf die Einhaltung dieser Standards legt, ist der Aufwand für die studentischen Berater sehr hoch, zu hoch. Das bringt unserer Meinung nach keinen Vorteil", kritisiert Björn Samland, Vorstand Marketing & PR bei JCNetwork.

Schlank und transparent

"JCNetwork geht auf die Initiative studentischer Vereine zurück, die wegen der strengen bürokratischen Vorgaben mit ihrer Mitgliedschaft beim BDSU unzufrieden waren. Unsere Struktur ist durch kooperatives Miteinander, gemeinsame Projekte und Interdisziplinarität gekennzeichnet", so Samland weiter. Das Organisationsmotto ist Schlankheit nach innen und Transparenz nach außen. Der Zusammenschluss hat bewusst niedrige Aufnahmehürden, um auch jungen Vereinen die Chance zu geben, von den etablierteren Mitgliedern zu lernen und vom Erfahrungsaustausch zu profitieren. Einmal pro Semester richtet einer der Mitgliedsvereine die JCNetwork Days mit Schulungen und Vorträgen interner und externer Referenten aus.

Die Projekte der studentischen Unternehmensberatungen sind allerdings nicht die mit dickem Etat, ihre Aufträge umfassen in der Regel kleine Arbeitspakete, sind weniger komplex und ohne unternehmenspolitisches Umfeld. Die jungen Leute haben einen erheblichen Preisvorteil gegenüber hauptberuflichen Beratern. Mit Tagessätzen von 180 bis 300 Euro stellen die studentischen Unternehmensberatungen besonders für mittelständische Unternehmen eine günstige Alternative dar. Klassische Beratungsgesellschaften verlangen das Vier- bis Fünffache.

Umsetzungsprojekt statt Strategieberatung

Praxis bekommt der Nachwuchs auch beim Darmstädter Beratungsunternehmen Univativ, einem Spezialarbeitgeber für Studenten. Univativ ist keine klassische studentische Unternehmensberatung, da Geschäftsführung, Verwaltung und 30 Absolventen hauptberuflich arbeiten und von derzeit 70 Studenten unterstützt werden. Der Schwerpunkt liegt auf IT-Beratung. Mit dem Slogan "Support vor Ort - zu Offshore-Preisen" wirbt die Firma für sich. Kunden sind unter anderem Hewlett-Packard, Sanofi Aventis Pharma, Bosch oder die Commerzbank. Neben Darmstadt hat Univativ noch Niederlassungen in Düsseldorf, Karlsruhe und Stuttgart.

"Wir haben gegenüber klassischen Consulting-Häusern mit Tagessätzen zwischen 200 und 250 Euro einen klaren Preisvorteil", argumentiert Univativ-Geschäftsführer Henning Loof. "Zudem bieten wir kaum strategische Beratung, sondern richten den Fokus auf die Umsetzung von IT-Projekten. Im Endeffekt sind wir ein Ergänzungs- und Unterstützungs-Dienstleister, da der Kunde meist einen Projektleiter hat, der den Überblick besitzt. Dadurch können wir preislich auch mit Firmen aus Indien, China oder osteuropäischen Ländern mithalten."

Auch für Andreas Rose, Bereichsleiter IT bei der Commerzbank in Frankfurt am Main, stellt die mittlerweile siebenjährige Zusammenarbeit mit Univativ in Einzelfällen durchaus eine Alternative zum Offshoring dar. "Was die Kosten betrifft, liegen Studenten mit einem Stundenlohn von im Schnitt 35 Euro auf jeden Fall auf dem niedrigen Offshore-Niveau. Sie haben sich mit ganz wenigen Ausnahmen hervorragend bewährt." Vielen dieser Studenten habe die Commerzbank auch eine feste Stelle nach dem Studium angeboten.

Rose bevorzugt auch aus einem anderen Grund die Zusammenarbeit mit den jungen Informatikern: "Wenn man einen solchen Auftrag erteilt, müssen klare Schnittstellen definiert werden und das Projekt bis ins kleinste Detail vorbereitet sein." Die räumliche Nähe zu den Studenten erleichtere die Qualitätssicherung, da im Laufe eines Projekts oft Rückfragen oder Änderungen notwendig seien: "Das funktioniert vor Ort leichter als im Ausland, auch weil die Kultur- und Sprachunterschiede wegfallen".

Die Commerzbank setzt die studentischen Mitarbeiter von Univativ vor allem für Tätigkeiten ein, für die "normale" Consultants zu teuer und Sachbearbeiter oft nicht ausreichend qualifiziert sind. Überwiegend kümmern sich die Studenten um die Einrichtung der IT-Infrastruktur für den Support. Gefragt sind hier Kenntnisse in Datenbankprogrammierung, Java oder Microsoft .NET. "Die Studenten sind dann Teil des Teams und arbeiten mit erfahrenen Leuten zusammen. Es gibt kein Projekt, das ausschließlich von Studenten abgewickelt wird", erzählt Rose.

"Studenten kosten die Hälfte von Freiberuflern"

Bei der T-Systems International GmbH in Karlsruhe übernehmen die Univativ-Studenten kleinere Projekte wie die Anbindung von Texterkennungs-Software an das Archivsystem. "Wir engagieren die Studenten meistens für ergänzende Dienstleistungen. Im Vergleich zu IT-Freiberuflern kosten sie etwa die Hälfte bei fast gleicher Leistungsqualität", berichtet Thorsten Löwenberger, Project Manager bei T-Systems.

Studentische Unternehmensberatungen sieht Löwenberger vor allem beim Support als Alternative zum Offshoring. Dabei sei es wichtig, Kontinuität zu wahren beziehungsweise herzu-stellen. Was deshalb nicht immer einfach sei, weil das Studentendasein irgendwann zu Ende geht. (hk)