Damit der Praxisschock ausbleibt

IT-Student und Banker zugleich

29.06.2001
Kurz und praxisorientiert soll das Studium sein. Das wünscht sich mancher Studienanfänger. Diesem Wunsch trugen in den zurückliegenden Jahren einige (Fach-)Hochschulen Rechnung. Sie konzipierten Studiengänge, in denen sich Studien- und Praktikumsphasen regelmäßig abwechseln. Wirtschaftsinformatikerin Maike Zilz absolviert ein solches Studium an der Fachhochschule der Wirtschaft Hannover (FHDW) - auf Kosten der Stadtsparkasse Hildesheim. Von Matthias Dreschert*

"Bereits bei unserer ersten Begegnung war ich von Frau Zilz und ihrem sicheren Auftreten beeindruckt", erzählt Wolfgang Eberhardt. Der Personalleiter der Stadtsparkasse Hildesheim traf vor knapp zwei Jahren bei einem Auswahlverfahren der Fachhochschule der Wirtschaft Hannover (FHDW) erstmals Maike Zilz und hatte schnell den Eindruck, dass sie eine geeignete Mitarbeiterin sein könnte. Hinzu kam, dass sie, nachdem sie das Abitur in der Tasche hatte, eine Sprachschule in den USA besuchte.

Dort arbeitete sie zudem nebenbei für ein IT-Unternehmen. "Diese Kombination weckte mein Interesse", gesteht Eberhardt.

IT- und FremdsprachenkenntnisseEntsprechend aufmerksam beobachtete der Personalfachmann die 20-jährige Bewerberin während der Aufnahmeprüfung. Hierzu war Eberhardt von FHDW-Präsident Karl Müller-Siebers, mit Vertretern anderer Unternehmen, die Praktikanten suchten, als Beobachter eingeladen worden. Interessiert verfolgte er, wie sich die junge Bewerberin bei den Assessment-Center-(AC-) Übungen schlug. Offenbar gut, obwohl für sie "ein solches Auswahlverfahren ungewohnt war".

Trotzdem erachtet die FHDW eine Auswahl ihrer Studenten mittels eines AC als wichtig. "Schließlich stellt unser duales Studienkonzept, in dem sich Studien- und Praktikumsphasen im Drei-Monats-Rhythmus abwechseln, höhere Anforderungen als ein Studium an einer staatlichen Hochschule", berichtet Müller-Siebers. Die Studenten erwartet eine höhere Arbeitsbelastung, zumal sie ihr Studium in drei Jahren absolvieren müssen.

Zwischen dem Geldinstitut und der Studentin wurde ein Vertrag mit folgendem Inhalt abgeschlossen: Die Stadtsparkasse Hildesheim trägt die FHDW-Studiengebühr von 1200 Mark pro Monat. Außerdem zahlt sie ihr monatlich eine Praktikantenvergütung von 600 Mark. "Im Gegenzug musste ich mich verpflichten, nach dem Studium mindestens drei Jahre bei der Sparkasse zu bleiben", so Zilz. Sollte sie zuvor den Arbeitgeber wechseln, muss sie dem Institut die Studiengebühren zurückzahlen.

Erste Berufserfahrung sammelte Zilz schon vor dem offiziellen Studienbeginn. So absolvierte sie ein fünfmonatiges Praktikum bei der Stadtsparkasse. Folglich arbeitet sie in jeder Abteilung mehrere Wochen. "Leider", sagte sie im Rückblick, "musste ich mich häufig mit der Rolle der Beobachterin begnügen, da ich die Strukturen und Abläufe in einer Bank nicht kannte."

Auf das Praktikum folgte die erste dreimonatige Studienphase an der Fachhochschule. Ingesamt sind für die drei Studienfächer Betriebswirtschaftslehre, Wirtschaftsinformatik und Informatik nur knapp 200 Studenten eingeschrieben. Zwischen den Studenten und den Professoren besteht ein enger Kontakt.

Im zweiten Praktikumsblock arbeitete sie "endlich" im Bereich technische Organisation der Stadtsparkasse. Dort wird sie voraussichtlich auch nach ihrem Studienende eingesetzt. Die Aufgabe der Praktikantin bestand darin, neue PC-Arbeitsplätze einzurichten und Software für den Bankbetrieb zu installieren. Außerdem betreute sie die Computer-Hotline für die Sparkassen-Mitarbeiter.

Im dritten Praktikum sollte Zilz erstmals ihr im Studium gesammeltes Wissen unter Beweis stellen. Es galt, das erste Projekt eigenverantwortlich umzusetzen. Mit einem Kommilitonen entwarf sie zunächst das Konzept für eine Mitarbeiterschulung zum Thema Internet. Dann brachte sie in den Bankern den Umgang mit dem World Wide Web und die Vorzüge des E-Commerce nah.

Fachkräfte nach MaßInzwischen hat Zilz die Hälfte ihres Studiums absolviert. Ihren Entschluss, an der FHDW zu studieren, bereut sie nicht. "Außer den kurzen Ferien sehe ich eigentlich nur Vorteile." Ihr "Urlaub" ist länger als der eines normalen Angestellten. Zehn Tage gibt ihr die FHDW während der Studienphasen und 20 Tage die Sparkasse während der Praktikumsphasen pro Jahr frei.

Auch Eberhardt bereut seine Entscheidung nicht. "Wenn die FHDW-Studenten ihre Ausbildung abschließen, sind sie bereits mit dem Unternehmen ihres Arbeitgebers vertraut." Deshalb sei keine lange Einarbeitung nötig. Zudem lerne das Unternehmen in den Praktika die künftigen Absolventen schon intensiv kennen. Dadurch entfalle die Gefahr, einen "Flop" zu landen.

Einen weiteren Vorteil nennt der Personaler: "Uns bleibt eine lange und eventuell erfolglose Suche nach IT-Fachleuten auf dem Arbeitsmarkt erspart".

*Matthias Dreschert ist freier Journalist in Darmstadt.