IT steht vor gravierenden Umwälzungen

22.11.2005
Veränderungen im Unternehmensgeschäft antizipieren und mitgestalten - das sind die Aufgaben, vor denen CIOs heute stehen. Das verdeutlichte der diesjährige COMPUTERWOCHE-Kongress "IT meets Business".

Mehr Flexibilität, Schnelligkeit, Echtzeitfähigkeit und nachhaltige Kosten-Nutzen-Orientierung - angesichts dieser Forderungen nimmt der Druck auf die IT weiter zu. Waren Ausrichtung und Aktivitäten der Technikorganisation gestern noch primär dem strengen Spardiktat ihrer Vorstände unterworfen, stehen die CIOs heute vor der Aufgabe, darüber hinaus das sich wandelnde Geschäft ihres Unternehmens noch unmittelbarer und (pro)aktiver zu unterstützen als je zuvor. Gleichzeitig bleibt ihnen für die Abbildung neuer oder angepasster Prozesse immer weniger Vorlaufzeit.

IT-Infrastruktur 2015

So sieht die IT-Infrastruktur der Zukunft laut Gartner aus:

• servicebasierend und geschäftsorientiert;

• Web-zentriert;

• nutzerzentriert und von der Consumer-Kultur geprägt;

• sich ihrer selbst bewusst, automatisiert und widerstandsfähig.

CIO-Agenda 2006

Die technischen Schwerpunkte im kommenden Jahr laut IDC:

• Sicherheit;

• Business Intelligence;

• Content-Management;

• Mobile Computing;

• E-Mail-Archivierung;

• Web-Services;

• ERP/CRM;

• Wireless-Techniken.

Wer den Weg in die Zukunft seines Unternehmens mitgestalten will, benötigt neben nahezu hundertprozentig verfügbaren Systemen und flexiblen Architekturen in erster Linie Mut zur Veränderung - darin waren sich die Teilnehmer des zum siebten Mal veranstalteten Münchner Branchentreffens einig.

Überleben durch Transformation

"Der weltweite Wettbewerb - allen voran mit China - zwingt zur Business-Transformation", erläuterte John Gantz, Chief Research Officer und Senior Vice President bei IDC, die Notwendigkeit, mittels neuer Geschäftsmodelle und -abläufe die Produktivität anzukurbeln und der Wirtschaft neuen Schwung zu verleihen. Um die IT zu befähigen, diesen Wandel aktiv zu unterstützen, seien Innovationen unerlässlich. Gerade in dieser Hinsicht besteht in Europa nach Angaben der Marktforscher jedoch Nachholbedarf: Während China seine Investitionen in Forschung und Entwicklung im vergangenen Jahr um 15 Prozent gesteigert hat, begnügte sich der europäische Kontinent gerade einmal mit einem dreiprozentigen Plus. Für Europa sei der Abschied von der Legacy-Tradition jedoch unerlässlich, um die eigene Wandlungsfähigkeit zu steigern, so Gantz. Angesichts des zwingend erforderlichen, IT-gestützten Wandels im Business legt er den Technikchefs nahe, nicht zu warten, bis sie der Zwang zur Veränderung überrollt. Um ihre IT-Organisation entsprechend zu trimmen, gelte es für CIOs, im kommenden Jahr für Folgendes zu sorgen:

• schnellere und kostengünstigere Applikationsentwicklung,

• das Echtzeit-Monitoring des Geschäfts,

• besseren Zugriff auf relevante Informationen und

• schnellere Durchführung betrieblicher Änderungen.

Was die Entwicklung der IT-Ausgaben angeht, erwartet IDC bis 2009 einen Anstieg um gut fünf Prozent. Investieren werden die Unternehmen laut Gantz nicht so sehr in Hardware als vielmehr in Service-Packs, Security und "Software für das Management von Software".

Agilität vor Stabilität

Für die Kollegen von Gartner ist Agilität - noch vor der Stabilität der Systeme - die wichtigste Eigenschaft, um als Werkzeug und Prozessgestalter einen optimalen Beitrag für Wandel und Innovation leisten zu können. "Es wird künftig keinen Aspekt menschlichen Verhaltens geben, den die IT nicht in der einen oder anderen Weise berührt", prophezeite Steve Prentice, Gartners Vice President und Director Research Emea, dem Kongresspublikum. Vor diesem Hintergrund müsse die IT-Industrie im kommenden Jahrzehnt auf gravierende Umwälzungen gefasst sein. Dazu zählt der Analyst den nicht mehr aufzuhaltenden Einzug von Consumer-IT und -Kultur in die Unternehmen. IT-Manager sollten sich daher im Umgang mit den entsprechenden Produkten vertraut machen und deren kontrollierten Einsatz unterstützen statt verbieten.

Als weitere Meilensteine auf dem Weg in die IT-Zukunft erachtet der Analyst die allgegenwärtige Connectivity sowie die zunehmende Virtualisierung der Systeme. "Hierbei geht es um das generelle Pooling von Ressourcen, das deren physische Natur und Grenzen vor dem Anwender verbirgt", erläuterte Prentice. Was sich technisch unter der Oberfläche befinde, werde dem Nutzer einerlei - von Interesse sei nicht länger eine spezifische Ansammlung von Hard- und Software, sondern allein die darüber erbrachte IT-Dienstleistung.

Die IT als Change Agent

Dass die IT-Organisation zu Zeiten des Wandels nicht auf die rein unterstützende Funktion reduziert sein muss, sondern im Umgestaltungsprozess des Unternehmens eine führende Rolle übernehmen kann, brachte Martin Frick, Group CIO bei Winterthur, den Kongressteilnehmern eindrucksvoll nahe. "Veränderungen sind nicht nur als Bedrohung zu betrachten, sondern können auch eine Chance für die IT sein, sich neu zu positionieren." Der CIO spricht aus Erfahrung: Vor drei Jahren hatte sein Team innerhalb kürzester Zeit die ehemals drei selbständigen IT-Einheiten des Versicherungskonzerns zusammengelegt und in einem konsequenten Change-Programm neu ausgerichtet.

Als Change-Agent für das Unternehmen eigne sich die IT schon allein aufgrund des ihr eigenen Vorsprungs in Sachen Agilität sowie der strukturierten Denkweise ihrer Mitarbeiter, so Frick. Hierzu müsse die IT jedoch endgültig ihre Selbstwahrnehmung als reiner Kostenverursacher ablegen, sich aber auch von dem bisherigen Perfektionismus verabschieden.

Innovative Partnerschaften

Angesichts der Forderung nach mehr Flexibilität und Geschwindigkeit nahm auch das Thema Outsourcing im Kongressverlauf viel Raum ein. Über eine neue Form der Auslagerung referierte Thomas Lünendonk, Geschäftsführer der Lünendonk GmbH: Bei dem noch jungen Konzept des "Business Innovation/Transformation Partner" (BITP), das sich jedoch zunehmend durchsetze, handle es sich nicht etwa um einen weiteren Begriff für "Outsourcing", denn in seiner Zielform reiche es weit über die IT hinaus. Gemeint sind Gesamtdienstleister, die ihren Kunden in langfristigen Partnerschaften einen Mix aus Management- und IT-Beratung, Umsetzung, Outsourcing und BPO aus einer Hand anbieten - mit dem Ziel, den Wandel von einem funktions- zu einem prozessorientierten Unternehmen zu unterstützen und zu vollziehen. Im Gegensatz zum punktuellen Ansatz des klassischen Outsourcing sei der des BITP eher strukturell, so Lünendonk. Um ein besseres Geschäft zu ermöglichen, sei Innovation gefordert - "nicht nur bei Produkten, sondern auch in Prozessen".

Wo sind die Notfallpläne?

Als weiterer - und überlebensnotwendiger - Aspekt kam das Thema Risiko-Management zur Sprache: Letzteres sei nicht nur für die Stabilität der unternehmenseigenen Produktions- und IT-Systeme, sondern auch im Hinblick auf die gesetzlichen Compliance-Anforderungen etwa nach Sarbanes-Oxley (SOX) oder Basel II von großer Bedeutung, mahnte Harald Rost, geschäftsführender Partner bei CIO Consults Nilsson Executive-Consulting. Von einem ganzheitlichen und IT-übergreifenden Präventivsystem sei das Gros der Firmen allerdings noch weit entfernt: So verfügten lediglich drei Prozent über einen Notfallplan. Mit einem institutionalisierten und aktiven Risiko-Management lassen sich laut Rost jedoch zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen - es stelle sicher, dass die IT gesetztestreu bleibt, und erzeuge zudem einen direkten Business-Value.

Compliance in der Praxis

Für spürbare Erleichterung im Publikum sorgte Andreas Schneeberger, Leiter Compliance und Risk-Management bei der Syngenta Crop Protection AG, mit der pragmatischen Schilderung seiner im Zuge eines firmeneigenen SOX-Projekts gesammelten Erfahrungen. Sein Fazit: Die vom US-amerikanischen Gesetzgeber geforderte Dokumentation von Prozessen und Kontrollen stelle im Prinzip nichts anderes dar, als das, "was man längst hätte haben sollen, im Zuge der anhaltenden Sparmaßnahmen aber zu kurz gekommen ist".

Als ersten Schritt empfiehlt Schneeberger, das Gesetz erst einmal genau zu lesen; dabei erwiesen sich die Forderungen häufig als weniger dramatisch als befürchtet. Nicht selten würden diese auch von den Wirtschaftsprüfern schärfer als notwendig interpretiert. Laut Schneeberger reduzieren weitgehend standardisierte IT-Prozesse den Aufwand für Dokumentation und das jeweilige Testing. Darüber hinaus empfiehlt der Compliance-Experte, Kontrollen risikobasierend zu definieren, auf das Management von Prüfern und Beratern zu achten und das Thema SOX im Unternehmen als das zu verkaufen, was es im Grunde bedeute - nämlich gute Management-Praktiken.