Das große Gründer-Roundtable

IT-Startup-Wüste Deutschland?

22.06.2010
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.

8. Wachsen - aber wie?

Sind die ersten Jahre überstanden, stehen die Softwarefirmen in aller Regel vor der Frage, wie sie ihr Geschäft künftig ausrichten sollen. Welche Wachstumsziele werden angepeilt? Wie international will man sich ausrichten? Den Experten zufolge sind diese Entscheidungen nicht auf die leichte Schulter zu nehmen, entscheidet sich doch hier das weitere Schicksal eines Unternehmens.

Gerade in der Wachstumsphase können viele Fehler passieren, die einen Unternehmer ins Schlingern bringen können. Auch in diesem Firmenstadium hängt vieles am Geld. Viele Gründer würden von ihren konventionellen Geldgebern, etwa den Sparkassen, dazu angehalten, in einem langsamen Modus in den Ertragsstatus hineinzuwachsen, berichtet Forrester-Analyst Ried aus seiner Erfahrung. Das Gros der hiesigen Gründungen agiere nicht gerade wachstumsorientiert, bestätigt MBPW-Geschäftsführer Rudolph. Viele Business-Pläne würden künstlich klein gerechnet. Frage man die Verantwortlichen, wieso sie nicht ambitionierter an die Sache herangingen, laute nur zu oft die Antwort: "Ich bekomme doch sowieso kein Geld."

Rudolf Caspary, Realtech: "Vielleicht haben manche Unternehmen in der Vergangenheit den Fehler gemacht, bei der Internationalisierung im Ausland zu groß einzusteigen."
Rudolf Caspary, Realtech: "Vielleicht haben manche Unternehmen in der Vergangenheit den Fehler gemacht, bei der Internationalisierung im Ausland zu groß einzusteigen."
Foto: Joachim Wendler

Aus Sicht von Realtech-Chef Caspary muss eine Wachstums- und Internationalisierungsstrategie nicht von vornherein zum Scheitern verurteilt sein - auch wenn die Geldquellen nicht so üppig sprudeln. Gerade in der Softwareindustrie brauche es aufgrund der unkomplizierten Distribution in aller Regel keine aufgeblasene Startorganisation in anderen Ländern. "Vielleicht haben manche Unternehmen in der Vergangenheit den Fehler gemacht, zu groß einzusteigen." Caspary plädiert für kleine Mannschaften. Im Prinzip reichten ein Vertriebsprofi und ein Pre-Sales-Consultant aus. "Damit kann man im Grunde in jedem Land anfangen." Wichtig sei dabei nur, lokale Experten anzuheuern, die die Marketing-Kultur des jeweiligen Landes verstehen.

Letztendlich gehe es weniger um das Produkt und dessen Innovationskraft, sagt Caspary weiter. "Wie oft haben sich die Nummer zwei oder drei im Markt mit den eigentlich schlechteren Produkten durchgesetzt? Ziemlich oft!" Dem Realtech-Chef zufolge kommt es in Sachen Erfolg auf die "operational excellence" an. Deutsche Unternehmen müssten an dieser Stelle umdenken. Viel zu oft wollten sie mit ihrer Process-Engineering-Kompetenz auftrumpfen. Doch über das notwendige Prozesswissen verfügten mittlerweile auch die anderen: "Auch die Amerikaner und Inder können gute Software entwickeln." Daher bleibe den deutschen Anbietern nichts anderes übrig, als die entsprechende Sales- und Marketing-Exzellenz für die verschiedenen Zielländer zu entwickeln, um mit der Konkurrenz mithalten zu können.

Doch genau dies ist oft das Problem, wirft Rudolph von MBPW ein. Vielen Gründern werde gepredigt, klein anzufangen und langsam in der Kommune, dem Bundesland und dann bundesweit zu wachsen. Dann seien aber wahrscheinlich schon so viele Fehler passiert und das Produkt so für den deutschen Markt ausgeprägt, dass an eine Internationalisierung nicht mehr zu denken sei. Mit Software müssten die Firmen ganz anders an die Sache herangehen. Hier brauche strategisches Marketing und Überlegungen, wohin man die eigenen Produkte überall verkaufen könne. Viele Firmen achteten hierauf nicht. "Wer allerdings von vornherein strategisch denkt und einen internationalen Markt anvisiert, hat die Vorteile auf seiner Seite."

Der große Gründer-Roundtable

Es muss sich etwas tun, um das Gründerklima in Deutschland zu verbessern. Darüber waren sich alle Teilnehmer der von Forrester Research und der COMPUTERWOCHE initiierten Roundtable-Diskussion einig. Über die Gründe, warum es Jungunternehmer hierzulande oft so schwer haben und was sich ändern müsste, um die hiesige Startup-Kultur in Schwung zu bringen, diskutierten unter der Leitung von Thomas Mendel, Vice President und Research Director von Forrester Research:

Rudolf Caspary, Vorstand der Realtech AG,

Martin Hubschneider, Vorstandsvorsitzender der CAS Software AG,

Dirk Martin, geschäftsführender Gesellschafter der Helpline Gruppe,

Pascal Matzke, Vice President Forrester Research,

Jörg Mayer, Vorstand Netviewer AG,

Stefan Ried, Senior Analyst Forrester Research,

Carsten Rudolph, Geschäftsführer der MBPW GmbH (Münchener Business Plan Wettbewerb),

Peter Weger, CEO der Brainloop AG.