IT-Startup Curry Communication ist pleite

20.08.2001
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Wolfgang Herrmann war Editorial Manager CIO Magazin bei IDG Business Media. Zuvor war er unter anderem Deputy Editorial Director der IDG-Publikationen COMPUTERWOCHE und CIO und Chefredakteur der Schwesterpublikation TecChannel.
Mit einer Java-basierten Unternehmenssoftware wollte Curry Communication die IT-Welt revolutionieren. Gut dreieinhalb Jahre nach der Gründung ist das mehrfach ausgezeichnete Startup pleite. Mitgründer und CEO Arne Timm hat sich nach Kalifornien abgesetzt. Ihm drohen staatsanwaltschaftliche Ermittlungen.

„Microsoft können Sie vergessen“, erklärte Timm einer Hamburger Tageszeitung. „Die sind von gestern. Uns interessiert die Zukunft.“ Das war im Dezember 1999. Am 3. Juli 2001 stellte die Curry Communication GmbH beim Amtsgericht Hamburg einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Wenige Tage später teilte Timm seinen Angestellten per E-Mail mit, dass er von einer Geschäftsreise in die USA nicht zurückkehren werde.

Die Geschichte des norddeutschen IT-Startups liest sich wie ein Märchen aus den goldenen Zeiten der New Economy. Im September 1997 gründete der Werbefachmann Timm gemeinsam mit zwei weiteren Gesellschaftern das Unternehmen Curry Communication. Mit einem erst noch zu entwickelnden plattformübergreifenden Corporate System, später „Cosy“ genannt, wollte das Trio die IT-Welt revolutionieren. Die Java-basierte Software sollte Funktionen aus verschiedensten Business-Anwendungen unter einer einheitlichen Oberfläche vereinen, darunter solche für Dokumenten-Management, Planung, Kontrolle, Kommunikation und Workflow-Management. Ziel sei es, die Marktführerschaft für Enterprise- und Community-Lösungen zu erringen.

 „Zum ersten Mal wird Informationsverarbeitung in Unternehmens- und Projektstrukturen erlebbar“, rührte Timm die Werbetrommel. Die Kapitalgeber ließen sich von solchen Sprüchen offenbar beeindrucken. 1998 stiegen die Technologie-Beteiligungsgesellschaft der Deutschen Ausgleichsbank (tbg) und mehrere private Investoren bei den Hamburgern ein. Die Venture-Capital-Firmen Norddeutsche Innovations Beteiligungsgesellschaft (NIB), Hamburg, und die LBB Seed Capital Fund GmbH folgten ein Jahr später. Noch im Jahr 2000 beteiligte sich der Venture-Capital-Geber 3i.

Die Erfolge blieben zunächst nicht aus. Curry Communication wuchs schnell und beschäftigte Ende 1999 bereits 34 Mitarbeiter, im Frühjahr 2001 waren es über 50 an zwei Standorten in Hamburg und dem polnischen Wroclaw (vormals Breslau). Von den Medien wurde die junge Firma gefeiert: 1998 gewann sie einen von der Unternehmensberatung McKinsey und der Zeitschrift „Stern“ organisierten Startup-Preis; aus dem von 3i und dem Nachrichtenmagazin „Focus“ ausgeschriebenen Wettbewerb „Catapult“ gingen die Hamburger vergangenes Jahr ebenfalls als Sieger hervor. Zur CeBIT 2001 zählte sich Curry schon „zu den Top 100 der vielversprechendsten Startups in Deutschland“.

Doch dann kam alles anders. Cosy wurde nie fertig, immer wieder musste die geplante Marktfreigabe verschoben werden. Die Entwicklungskosten stiegen stetig, Curry ging das Geld aus. Schon vor dem Insolvenzantrag kündigten einige Mitarbeiter, weil sie über Monate kein Gehalt bekommen hatten. Als die Pleite amtlich wurde, beschäftigte Curry Communication noch 44 Mitarbeiter. In seiner überraschenden Abschieds-Mail berichtet Timm von erfolglosen Bemühungen, zusätzliches Kapital zu beschaffen. Er habe versucht, Entscheidungsträger von großen Softwareunternehmen und andere potenzielle Investoren zu gewinnen. Dies sei in der kurzen verbliebenen Zeit nicht möglich gewesen. Nun habe er beschlossen, nicht nach Hamburg zurückzukehren. Er brauche Distanz und eine neue Herausforderung.

Unverblümt berichtet Timm, der als alleiniger Geschäftsführer von Curry agierte, dass dies nicht die einzigen Gründe für sein Fernbleiben sind. Weil er von seinem Anwalt falsch beraten worden sei, habe er das Insolvenzverfahren möglicherweise zu spät beantragt. In diesem Fall müsste er mit einem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren wegen Insolvenzverschleppung rechnen. Darüber hinaus ständen noch mindestens 200 000 Mark Schulden wegen nicht gezahlter Sozialversicherungsbeiträge aus. Gegenwärtig aber besitze er nicht einmal das Geld für einen Anwalt.

Laut der Staatsanwaltschaft Hamburg ist bisher kein Verfahren anhängig; eine dazu erforderliche Prüfung sämtlicher Unterlagen durch das Amtsgericht könne aber bis zu drei Monaten dauern. Ob Timm auch mit zivilrechtlichen Schritten rechnen muss, sei gegenwärtig noch offen, erklärte der vorläufige Insolvenzverwalter Peter-Alexander Borchardt. Dies würde in solchen Fällen generell geprüft. „Das war ein großes Spiel“, schließt der verschollene CEO seinen Abschiedsbrief: „Auch wenn wir gescheitert sind - niemand kann sagen, wir hätten nicht bis zum Schluss gekämpft. Ich werde Euch immer in guter Erinnerung behalten.“

Einige wichtige Entwicklungsunterlagen hat Timm vorsorglich mitgenommen. Die gebe er erst zurück, wenn gewährleistet sei, dass die Daten nach einem Insolvenzverfahren „in neutrale und vertrauenswürdige Hände“ gelangten.