KITS-Konferenz

"IT-Sicherheit? Wir müssen das Momentum nutzen!"

02.07.2014
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Simon Hülsbömer betreut als Senior Research Manager Studienprojekte in der Marktforschung von CIO, CSO und COMPUTERWOCHE. Zuvor entwickelte er Executive-Weiterbildungen und war rund zehn Jahre lang als (leitender) Redakteur tätig. Hier zeichnete er u.a. für die Themen IT-Sicherheit und Datenschutz verantwortlich.
Rund 150 Experten aus Wirtschaft, Politik und Forschung auf der KITS-Konferenz der Koordinierungsstelle IT-Sicherheit übten den Schulterschluss, die derzeitige Aufmerksamkeit durch die NSA-Affäre für mehr und bessere IT-Security in Deutschland zu nutzen.

Volker Wagner, Vorstandschef der Arbeitsgemeinschaft für Sicherheit der Wirtschaft (ASW) sowie Leiter Group Business Security bei der Deutschen Telekom, brachte es im Rahmen der KITS-Konferenz in den Räumen des Deutschen Instituts für Normung (DIN) in Berlin auf den Punkt: "Wir müssen das Momentum ausnutzen, das uns die NSA-Affäre beschert." Noch nie zuvor sei das Thema IT-Sicherheit in der breiten Gesellschaft und auch auf politischer Ebene dermaßen aufmerksam verfolgt worden wie derzeit.

Jens Koeppen, Vorsitzender des Bundestagsausschusses Digitale Agenda, warnte jedoch vor Übereifrigkeit: "Wir dürfen natürlich auch nicht in Panik verfallen. Wir sollten jetzt diszipliniert den Status Quo der Sicherheit in den Unternehmen untersuchen, das hoffentlich kommende IT-Sicherheitsgesetz als gute Grundlage betrachten und dann alle gemeinsam das Beste daraus machen."

Andere Prioritäten

Einig waren sich die Konferenzteilnehmer darin, dass viele Unternehmen nach wie vor erst dann handeln, wenn sie einen Sicherheitsvorfall gehabt haben - einige verführen immer noch nach der Devise "kostet der Schaden weniger als die Prophylaxe, nehme ich lieber den Schaden in Kauf". Wie Wilhelm Schäfer, Vorstand des Heinz-Nixdorf-Instituts an der Universität Paderborn und Direktor des Fraunhofer-Instituts für Produktiontechnologie IPT, betonte, wandele sich diese Einstellung zwar nur langsam, aber stetig. "Gerade in der produzierenden Industrie ist Security überhaupt erst seit dem Stuxnet-Vorfall im Jahr 2010 ein Thema - die NSA hat dafür gesorgt, dass es nun endlich auch mit Nachdruck angegangen wird."

Wer nun aber meine, die aus der Office-Welt bekannten Sicherheitstechniken wie Firewalls oder ID/IP-Systeme auch im Industrieanlagenumfeld einsetzen zu können, irre sich gewaltig: Marcel Kisch, Industrial Security Lead DACH bei IBM wies darauf hin, dass im Gegensatz zur Office-Welt im Produktionssektor der Leitspruch "Verfügbarkeit vor Sicherheit" ohne Ausnahme gelte und auch gelten müsse. Fabriken könnten sich nicht leisten, wegen eines fehlgeschlagenen Malware-Scans, der dann automatisch die Systeme stoppt, ihren Betrieb zu unterbrechen.

Neue Systeme und Lösungen für industrielle Sicherheit braucht das Land - die Chance für Deutschland, europäischer und vielleicht sogar weltweiter Vorreiter für derartige Security-Produkte zu werden. Die anwesenden Wirtschaftsvertreter betonten einhellig, dass die Branche diese Chance nicht ungenutzt liegen lassen dürfe. "Deutschland wird überall immer noch als das Land der Ingenieure wahrgenommen. Wir haben es in der Office-Welt verpasst, Security-Vorreiter zu werden - im Industriebereich sollten wir nun zügig voran gehen", forderte beispielsweise Schäfer.

IT-Sicherheit im Zeitalter von Industrie 4.0 - eine Chance für Deutschland?
IT-Sicherheit im Zeitalter von Industrie 4.0 - eine Chance für Deutschland?
Foto: Kovalenko Inna, Fotolia.com

Unterstützung erhielt er auch von Dieter Wegener, Head of Advanced Technologies and Standards, Industrie Sector bei Siemens, der im Besonderen die Security-Services als große Chance begreift: "Nicht die Produkte bringen mehr das Geld, sondern die Services!" Man dürfe nicht zulassen, dass amerikanische Konzerne die einzigen seien, die konkurrenzfähige (Web-/Security)Services aus der Tür brächten. Koeppen warnte jedoch davor, immer nur auf Google und Konsorten einzuschlagen, wenn deutsche Unternehmen selbst keine brauchbaren Alternativen anzubieten hätten.

Qualität steht über allem

Damit die Pläne Wirklichkeit werden, formulierte BSI-Vizepräsident (Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik) Andreas Könen vier Ziele, die sich seine Behörde für die gesamte deutsche Behörden- und Unternehmenslandschaft auf die Fahnen schreibe. Es gehe erstens darum, neue Krypto- und Cybertechnologien zu entwickeln wie eine "Public-Key-Infrastruktur per One-Click", mit der verschlüsselte Kommunikation - sowohl zwischen Menschen als auch zwischen Maschinen - problemlos und schnell möglich sei. Zweitens soll die "digitale Souveränität" respektive "digitale Autonomie" gefördert werden - jedes Unternehmen, jede Forschungseinrichtung, jede Behörde soll jederzeit im Blick haben (können), wo welche Daten gespeichert sind und wer auf sie Zugriff hat. Diese Datenschutzmaxime sei Grundlage jeder sicheren Informationsverarbeitung.

Mithilfe von bereits vorhandenen und noch auszuarbeitenden Standards wie Common Criteria, DIN und ISO sollte drittens die Qualität von IT-Security-Produkten und -Services sichergestellt werden. Nur hochwertige Waren und Dienstleistungen brächten die Chance, das Siegel "made in Germany" auch für den Bereich IT-Sicherheit zu einer globalen Marke werden zu lassen. Viertens schließlich wies Könen darauf hin, dass das Notfall- und Krisenmanagement in deutschen Unternehmen häufig noch stark verbesserungswürdig sei. Wenn es um das zeitige Erkennen von Angriffen und die schnelle sowie angemessene Reaktion gehe, hätten viele Firmen Nachholbedarf.