Auf dem Prüfstand: Tria IT-Solutions AG

IT-Serviceanbieter tanzt auf vielen Hochzeiten

14.09.2001
MÜNCHEN - Fehlgeschlagene Corporate-Venture-Aktivitäten und kontinuierlich sinkende Margen sind zwei Gründe für den Kursverfall der Aktie der Tria IT-Solutions AG. Auch das Produktangebot des Münchner IT-Serviceanbieters ist - verglichen mit der Größe der Firma - sehr diversifiziert. Von Andrea Goder*

Um die Münchner Tria AG ist es in den letzten Monaten still geworden. Das Neue-Markt-Unternehmen, das im letzten Jahr 20 Adhoc-Meldungen schaltete, hat - von Pflichtmitteilungen abgesehen - seinen Aktionären nur mehr wenig mitzuteilen. Als eine der wenigen Firmen an Frankfurts Wachstumsbörse verzichteten die beiden Vorstände Richard Hofbauer (CEO) und Bernhard Schmid in diesem Jahr selbst auf eine Bilanz-Pressekonferenz. Intakt dagegen ist seit Monaten der Abwärtstrend der Aktie - und das trotz des ausschließlich positiven Nachrichtenstroms aus dem Unternehmen. Der Wert notiert mittlerweile unter zwei Euro und liegt damit mehr als 80 Prozent unter dem Emissionspreis.

Auch die vor kurzem vorgelegten Halbjahreszahlen konnten den Kurs nicht beflügeln. In den ersten sechs Monaten dieses Geschäftsjahres steigerten die bayerischen Serviceanbieter den Umsatz um 3,1 Millionen auf 31,4 Millionen Mark. Mit einem Wachstum von elf Prozent blieb das 275-Mitarbeiter-Unternehmen allerdings hinter den Erwartungen der Analysten zurück. Verglichen mit dem vorausgehenden Quartal (15,5 Millionen Mark) stagnierten im zweiten Quartal 2001 die Einnahmen (15,9 Millionen Mark). Erneut rückläufig entwickelten sich auch die Margen - und das im dritten Jahr in Folge. Lag der Nettogewinn im ersten Halbjahr 2000 noch bei 927000 Mark (3,3 Prozent Rendite), verschlechterte sich das Ergebnis im aktuellen Berichtszeitraum auf 516000 Mark (1,6 Prozent). Im Jahr 2000 hatte die Nettomarge noch 2,6 Prozent betragen.

Seit dem IPO im April 1999 haben die Münchner ihre Gewinnprognosen wiederholt verfehlt. Die Planunterschreitungen wurden dennoch als Erfolge gefeiert, was in Boom-Zeiten des Neuen Marktes nicht weiter auffiel. "Im Vergleich zum Branchendurchschnitt" sei Tria ein "deutlicher Outperformer" und einer "der profitabelsten IT-Werte am Neuen Markt", so der stereotype Tenor in den Adhoc-Mitteilungen.

Finanzexperten teilen diese Einschätzung nicht unbedingt. Für die Analysten der Hypo-Vereinsbank ist der Titel selbst auf dem derzeit niedrigen Kursniveau überbewertet. Fakt ist: Die Tria-Aktie ist teurer als SAP SI oder vergleichbare Unternehmen, arbeitet aber weniger profitabel. Die Anlageempfehlung der Münchner Bank, die beim Börsengang im Konsortium vertreten war und laut Vorstand Schmid auch heute noch einer der größten Kunden ist, lautet deshalb: "Sell". Als "spekulativ interessant" sehen dagegen Analysten der Bayerischen Landesbank das Papier.

Tria hat ein buntes Portfolio von Firmen zusammengekauftFür die derzeitige Schwäche der Aktie gibt es weitere Gründe. Auf dem Höhepunkt des Internet-Hypes kauften sich die Tria-Vorstände im letzten Jahr teuer in Companies der New Economy ein. Über 20 Millionen Mark investierte der Börsenneuling innerhalb weniger Monate in insgesamt sieben Unternehmen. Das Ergebnis ist ein bunt zusammen gewürfeltes Portfolio von Firmen aus den Bereichen E-Commerce, M-Commerce und Web Media - mit kaum erkennbarer Strategie. Bei den Anlegern wurden Visionen aufgebaut, die allzu schnell wieder verblassten.

Ein Beispiel ist Interway AG. Mit 30 Prozent stieg Tria im Januar 2000 bei der Münchner Firma ein, die bereits in diesem Jahr den Sprung an die Börse schaffen sollte. Das 1995 gegründete Unternehmen, noch vor wenigen Monaten als Dienstleister für Marktplatzberatung positioniert, hat sich mittlerweile zum Anbieter von Content-Managment-Systemen gewandelt. Laut Tria-Meldung vom Januar 2000 sollte der "Pre-IPO-Kandidat" im letzten Jahr fünf Millionen Mark, im Jahr 2004 rund 200 Millionen Mark umsetzen. Wie Vorstand Schmid auf der Münchner Hauptversammlung einräumen mußte, wurden dann allerdings im Jahr 2000 erst "einige 100000 Mark" Umsatz erzielt - bei drei Millionen Mark Verlust.

Neben Interway sind auch die übrigen Tria-Beteiligungen alles andere als börsenreif. Ob der M-Commerce-Dienstleister Intelligram, die auf Internet-TV-Konvergenz spezialisierte Multimedia in Bayern AG oder die VLS Vir-tual Laser Systems AG, die eine E-Commerce-Lösung via virtuellem Zeigefinger entwickelte - auf sehr niedrigem Umsatzniveau schrieben die Firmen zuletzt Verluste.

Trias Corporate-Venture-Strategie ist bislang nicht aufgegangen. Wie andere Neue-Markt-Player ist das Unternehmen auf seinen vermeintlichen Börsenaspiranten sitzengeblieben. Statt eines Exit über den Kapitalmarkt stehen den Münchnern jetzt Wertberichtigungen ins Haus. Davon will Schmid jedoch vorerst nichts wissen: "Ob es in diesem Jahr Abschreibungen geben wird, lässt sich derzeit noch nicht sagen", erklärt der Marketing-Experte.

Doch so oder so - von ihren Beteiligungsaktivitäten haben sich die IT-Serviceanbieter zum Teil wieder verabschiedet. Im Juni wurden 32 Prozent der I-Products AG - in diesem Tochterunternehmen sind die Beteiligungen gebündelt - an eine vermögensverwaltende Kapitalgesellschaft veräußert. Tria hält heute noch 49 Prozent an I-Products.

Bereits seit Monaten konzentrieren sich die beiden Vorstände wieder verstärkt auf ihr Kerngeschäft IT-Consulting, Systemintegration und Training. Im Ranking der IT-Dienstleister bekommen die Münchner Servicespezialisten allerdings nur durchschnittliche Noten. So lag das Wachstum im Bereich IT-Beratung und Projektgeschäft, wo das Unternehmen im letzten Jahr über die Hälfte der 58,1 Millionen Mark Umsatz generierte, bei etwa 15 Prozent.

Als Serviceanbieter versteht sich Tria auf eine Vielzahl von Themen. In die Angebotspalette gehören Individual-Softwareentwicklung, Systemintegration, Netzwerke, CRM-Helpdesk, Security-Projekte, ERP-Applikationen, Dokumenten-Management-Systeme, Web-Content-Management-Lösungen und E-Business. "Mit dem derzeit sehr breiten Produktangebot dürfte es für Tria als relativ kleinem IT-Serviceunternehmen in Zukunft immer schwieriger werden, bei komplexen Projekten mit den großen Playern der Branche zu konkurrieren", heißt es in einer Studie des Bankhauses Sal. Oppenheim vom März dieses Jahres.

Die Tria-Vorstände dagegen sehen sich heute bereits "unter den Top Ten der Systemintegratoren in Deutschland". Diese Aussage von der letzten Hauptversammlung ist allerdings ohne die großen Wettbewerber getroffen worden. Auf der Lünendonk-Liste 2000, angeführt von CSC Ploenzke, Cap Gemini Ernst & Young und Accenture, fehlt der Name Tria unter den 25 größten IT-Beratungsfirmen und Systemintegratoren. Selbst Unternehmen, die auf den hinteren Plätzen rangieren, etwa IDS Scheer oder Systor, weisen Umsätze im dreistelligen Millionenbereich aus.

Neue NiederlassungenEin weiteres Handicap kommt hinzu: Die Münchner IT-Dienstleister, die bis Ende 1999 stark auf Großkunden aus dem süddeutschen Raum fokussiert waren, sind im Ausland noch nicht präsent. Um in Deutschland flächendeckend vertreten zu sein, wurden in den letzten Monaten eine Reihe neuer Niederlassungen eröffnet. Mittlerweile gibt es 18 Tria-Filialen in zehn deutschen Städten.

Neben Consulting-Standorten wurde vor allem der Ausbau des IT-Trainings-Geschäfts, das zweite Standbein des Unternehmens, forciert. Schwerpunkte sind hier Qualifizierungsberatung, Technologie- und Firmentrainings, IT-Zertifizierungen sowie E-Learning. Um den großen Mitbewerbern Paroli zu bieten, hat sich Tria dieses Jahr bereits fünf Trainings-Center einverleibt. Übernommen wurden vier Schulungsstandorte der Avolon Academy sowie die IT-Trainings-Division der Hamburger Softmatic AG.

Inklusive der Zukäufe kletterten die Einnahmen in diesem Geschäftsbereich in den ersten sechs Monaten auf 11,4 Millionen Mark nach sechs Millionen Mark im vergleichbaren Vorjahreszeitraum. Damit bewegt sich Tria als herstellungsunabhängiger Anbieter von IT-Trainings zunächst noch in kleinen Umsatzdimensionen. Zum Vergleich: Die beiden deutschen Marktführer Unilog Integrata und GfN setzten im letzten Jahr 92 Millionen beziehungsweise 77 Millionen Mark um.

Im wettbewerbsintensiven IT-Servicemarkt spielt die 1996 gegründete Tria AG heute im unteren Mittelfeld. Mit dem Einstieg ins Beteiligungsgeschäft hat das Unternehmen zudem viel Kapital verbraucht, das im Kerngeschäft sinnvoller investiert gewesen wäre. Die Analysten der Hypo-Vereinsbank erwarten, dass die Firma aufgrund von Abschreibungen auf Beteiligungen im laufenden Geschäftsjahr in die Verlustzone rutschen wird. Vorstand Schmid hält es indes für möglich, die Umsatzrendite trotz der Integrationskosten, die in die neuen IT-Trainingszentren fließen, zu steigern. Bis zum Jahresende erwartet Tria, deren Börsenkapitalisierung mittlerweile auf unter 50 Millionen Mark geschrumpft ist, eigenen Angaben zufolge ein Umsatzplus von rund 30 Prozent.

*Andrea Goder ist freie Journalistin in München.

Abb.1: Finanzielle Kennzahlen

Ein Grund für den stetigen Umsatzanstieg ist die Übernahmestrategie: Tria hat allein im vergangenen Jahr sieben Firmen geschluckt. Quelle: Tria

Abb.2: Aktienkurs

Die Tria-Aktie dümpelt seit rund drei Monaten im Sommerloch. Quelle: comdirect