DV-Freiberuflerkongreß diskutiert praxisnahe Probleme

IT-Selbständige verdienen 135 Mark pro Stunde

10.07.1998

Für die DV-Freiberufler ist derzeit Vollbeschäftigung garantiert. Sowohl die Bewältigung des "Problems 2000" als auch die Einführung des Euro zwingen die Unternehmen verstärkt, sich nach externer Unterstützung umzusehen. Freelancer stehen deshalb ganz hoch im Kurs. Stefan Rohr, geschäftsführender Gesellschafter der r&p Management Consulting, Hamburg, brachte es auf dem vom Computerwoche Verlag organisierten Freiberuflerkongreß in München auf den Punkt: "Die Berufsgruppe der DV-Freiberufler findet endlich die Beachtung, die sie verdient."

Als Gründe nannte er den allgemeinen Mangel an spezialisierten festangestellten Mitarbeitern sowie die wachsende Neigung zur Freiberuflichkeit. Ein Beweis dafür sei nicht zuletzt das große Interesse an dem bereits zum zweiten Mal stattfindenden Kongreß. So habe sich die Teilnehmerzahl verglichen mit 1997 von 200 auf 440 mehr als verdoppelt, die Zahl der Aussteller sogar verdreifacht.

Auch wenn die Aussichten für DV-Freiberufler momentan bestens sind, reichen Fachkenntnisse allein bei weitem nicht aus. Um im Business bestehen zu können, müssen die Freelancer unter anderem auf den Gebieten Steuern und Recht fit sein. "Juristisches Consulting für DV-Freiberufler" war denn auch das Thema von Regina Kohn-Lehnhof, Rechtsanwältin in Hannover.

Sie warnte die Teilnehmer vor Fallstricken bei der Vertragsgestaltung. Ihrer Meinung nach wissen beispielsweise nur wenige Freelancer, was bestimmte Formulierungen in Verträgen für fatale Folgen nach sich ziehen können. Zu den besonders brisanten Gebieten gehörten das Wettbewerbsverbot sowie die Haftbarmachung. Die Rechtsanwältin appellierte an die Teilnehmer, rechtlichen Beistand einzuholen.

Als nicht gerade unkompliziert können auch die steuerlichen Regelungen bezeichnet werden. Unter anderem gilt es, sich gegen gewerbliche Tätigkeiten als Freiberufler abzugrenzen. "Wer sich nicht frühzeitig um steuerliche Belange kümmert, wird immer wieder in die Steuerfalle tappen", erklärte Wolfgang Graf, Rechtsanwalt und Steuerberater in München.

Wolfgang Bülow, Management-Berater aus Hannover, beschwor die anwesenden DV-Freelancer, sich bei der Honorarfrage nicht verunsichern zu lassen: "Falsches Wettbewerbsdenken darf nicht dazu verleiten, das Honorar nach unten zu korrigieren." Derzeit betrage der Mittelwert 135 Mark pro Stunde. Der niedersächsische Berater riet ferner, betriebswirtschaftlich zu kalkulieren. Seiner Meinung nach sind 1600 Beratungsstunden pro anno eine gute Kalkulationsgrundlage.

In der Vergangenheit haben Freiberufler ihre Jobs zumeist über Mund-zu-Mund-Propaganda erhalten. Seit im IT-Markt allerdings derart rosige Zeiten angebrochen sind, schießen Vermittlungsunternehmen wie Pilze aus dem Boden. Wolf-Dietrich Lorenz, Chefredakteur des IT-Selbständigen-Newsletters "Freiberufler Info", erkennt hier indes einen neuen Trend: "Statt DV-Freiberufler wie früher zu versteigern, setzen Beratungsunternehmen heute auf Betreuung."

Bislang hätten Personalberater im Vermittlungsgeschäft in Frage kommende Kandidaten einfach aus den Datenbanken gefischt. Das Qualifikationsprofil sei zumeist nicht bekannt gewesen. Im Grunde habe eine Art "blind date" stattgefunden, was allzuoft zu Enttäuschungen auf beiden Seiten geführt habe. Personalmarktexperte Lorenz: "Heute wollen Unternehmen den Berater coachen."

Kompetenz-Center für Wissenstransfer

Basis der langfristig anvisierten Partnerschaft seien Loyalität und Vertrauen. Immer wichtiger werde darüber hinaus die Weiterbildung der Freiberufler. Hierfür böten sich Kompetenz-Center an, in denen regelmäßiger Wissenstransfer stattfinde. Für externe Schulungen könnte jeder freiberufliche IT-Spezialist beispielsweise eine Mark aus seinem Stundenhonorar in einen gemeinsamen Topf abführen.

Neben der bislang offenbar vernachlässigten Qualifikation der DV-Freiberufler nimmt, so die Referenten unisono, die Qualitätskontrolle eine immer wichtigere Rolle ein. Oberste Priorität habe hier das ausführliche Gespräch mit dem Bewerber. Neben dem Technik-Know-how sollte sich der Vermittler vor allem ein Bild über die sozialen Kompetenzen des Kandidaten machen. Dazu gehören Kommunikations- und Teamfähigkeit, was auch bedeutet, sich möglichst reibungsarm in bestehende Teams eingliedern zu können. Um diese sogenannten Soft Skills beurteilen zu können, hat die Personalagentur Newplan in München ein Verfahren entwickelt, das die Leistungen von arbeitssuchenden Freiberuflern zertifizieren soll.

Für das Gütesiegel "Freecert" werden nicht nur die sogenannten Hard Skills, sondern vor allem Sozial- und Handlungskompetenz unter die Lupe genommen.

Lorenz: "Gütesiegel dieser Art, zu denen auch ISO 9000 gehört, sollen den Freelancern einen gewissen Wettbewerbsvorsprung und den Arbeitgebern Orientierung bieten." Der Zertifizierungs-Vorschlag stieß indes nicht bei allen Teilnehmern auf Zustimmung. Nicht wenige DV-Freiberufler fragten sich, ob sich ein solches, nicht gerade billiges Gütesiegel für sie wirklich lohne.

Größeres Interesse erregte dagegen ein Blick auf künftige Tätigkeitsfelder. Der Chefredakteur von "Freiberufler Info" faßte zusammen: "Gefragt sein werden vor allem IT-Profis für den Bereich Groupware sowie Java-Profis." Wie neueste Umfragen ergeben haben, wollen beispielsweise 54 Prozent der Softwarehäuser Java-Fachleute einstellen.

Stark gefragt sind auch SAP-Spezialisten. Da dieser Bereich in den meisten Firmen intern nicht abgedeckt werden könne, stünden DV-Freiberuflern hier alle Türen offen. Lorenz weiter: "Die DV-Trends gehen bei den Anwenderunternehmen vor allem in Richtung Vernetzung, neue Medien und Globalisierung. Dementsprechend stehen Profis für die Bereiche Client-Server, Internet und objektorientierte Entwicklung ganz oben auf der Wunschliste der Auftraggeber."

Als Fazit der Veranstaltung läßt sich sagen: DV-Freiberufler können im großen und ganzen zuversichtlich in die Zukunft schauen. Da aber immer mehr junge Leute in diesen lukrativen Markt drängen, wird sich der Wettbewerb zunehmend verschärfen. Der größte Wettbewerbsvorteil gegenüber den Kollegen wird dann darin bestehen, sich lebenslang weiterzubilden.

Ina Hönicke ist freie Journalistin in München.