Siemens: Prozess-Reengineering fürs Sparschwein

IT-Sanierung ohne Scheuklappen

30.05.2003
MÜNCHEN (pg) - In einem zweijährigen Projekt wurde die IT des Siemens-Konzernbereichs ICN komplett umgekrempelt. Regie führte CIO Stefan Langkamp, der Methoden aus dem Bankwesen in die Sanierung einbrachte.

Als Langkamp im Januar 2001 seinen CIO-Posten beim Siemens-Konzernbereich Information and Communication Networks(ICN) antrat, traf er vor allem auf Skepsis: Ausgerechnet ein Banker sollte die IT des krisengeschüttelten Bereichs ICN sanieren, argwöhnte die Belegschaft im Vorfeld über den Neuen, an dem kein Siemens-Stallgeruch haftete. Doch in Wirklichkeit war der Verdacht der Inkompetenz nur vorgeschoben, insbesondere die IT-Mitarbeiter fürchteten sich vor gravierenden Einschnitten.

Unbegründet waren die Sorgen nicht, denn Langkamp brach nach seinem Amtsantritt die stark verkrusteten Organisationsstrukturen der IT bei ICN schonungslos auf. In einem dreistufigen Prozess der "Konsolidierung", "Zentralisierung" und "Zellteilung" stellte er die Struktur binnen zwei Jahren auf eine neue Basis - zum Teil mit Modellcharakter für den gesamten Siemens-Konzern und dessen obersten CIO Friedrich Fröschl.

"Umbau heißt Veränderung, und die tut weh", ist sich der 38-jährige Macher der Tragweite seiner Handlung bewusst. Langkamp kam dabei zugute, dass er keine konzerninterne Karriere gemacht hatte, sondern als Externer den Ruf zum CIO erhielt. Er konnte daher ohne falsche Rücksichtnahme den Hebel ansetzen. Dabei profitierte der gebürtige Osnabrücker, wie er selbst sagt, von seinen Erfahrungen im IT-Management des Dresdner-Bank-Konzerns.

Bemerkenswert an der Vita Langkamps ist, dass er alles andere als eine klassische IT-Ausbildung durchlief, sondern ursprünglich das Bankgeschäft von der Pike auf erlernte. Nach einer Ausbildung zum Bankkaufmann spezialisierte er sich auf das Risiko-Management im Kreditwesen und war lange im Auslandsgeschäft tätig. Zur IT kam Langkamp dann wie die Jungfrau zum Kind. Der Zufall führte Regie, als er den Auftrag erhielt, eine Spezifikation auf den Weg zu bringen, mit der die Dresdner Bank weltweit ihr Kredit- und Dokumentengeschäft automatisieren konnte. Als Hobbyprogrammierer schrieb Langkamp die Anwendung selbst und hatte Erfolg. Das war der Beginn seiner IT-Laufbahn, denn in der Folge gesellte sich ein Projekt zum anderen. Außerdem profitierte der Quereinsteiger, wie er selbst sagt, von einem halbjährigen Kurs in logischem Denken, den er in der Konzernzentrale absolvierte. Das Erlernte setzte er in der Folge neun Jahre lang konsequent in IT-Projekten der Dresdner Bank in aller Welt um, insbesondere den USA und Asien.

Mit Logik packte Langkamp dann auch seinen Sanierungsjob in München an. Zunächst zog er sich ins stille Kämmerlein zurück, um sich ein genaues Bild von der Ist-Situation zu machen. Dabei ging er in zwei Schritten vor: Zum einen nahm er sich einen Bericht zur Informationsverarbeitung bei ICN vor, der ihm von der zentralen Konzernrevision zur Analyse vorgelegt wurde. Zum anderen fühlte er allen Verantwortlichen der damals noch sieben Bereiche im Enterprise- und Carrier-Geschäft in Einzelgesprächen hinsichtlich Organisation und IT (OI) genau auf den Zahn.

"Ich fand eine Situation vor, wie ich sie mir nicht vorgestellt hatte", erinnert sich Langkamp. Der Revisionsbericht dokumentierte zahlreiche Schwachpunkte, außerdem wurden 120 Maßnahmen empfohlen, um sie zu beseitigen. Für den CIO galt es ferner, mehr Kundennähe und Transparenz im IT-Gefüge von ICN umzusetzen. Insbesondere in den dezentralen Organisations- und Informationsabteilungen (OI) der einzelnen Geschäftsbereiche identifizierte er einen Wasserkopf, der nicht nur hohe Kosten, sondern auch einen Flickenteppich zum Teil inkompatibler IT-Systeme und -Anwendungen verursachte.

Zentrale IT verhindert Alleingänge

Langkamp hatte festgestellt, dass die IT-Verantwortlichen der Geschäftseinheiten im so genannten OI-Board zwar an einen CIO berichteten und besprochene Maßnahmen dort auch auszuführen gelobten, letztlich aber dann doch ihr eigenes Süppchen kochten. Für den Reformer war daher schnell klar, dass für die IT von ICN im damaligen Umfeld ein zentraler Ansatz gewählt werden musste.

Er machte Nägel mit Köpfen und präsentierte dem Vorstand bereits Mitte März 2001 ein Konzept zum Komplettumbau in drei Phasen. Der Plan wurde sofort genehmigt und sah im Wesentlichen die Zentralisierung der IT für den Sommer 2001 vor, wobei diesem Schritt im Frühjahr erst eine Konsolidierungsphase vorausging. Nach Abschluss der Zentralisierung sollte dann die als Zellteilung bezeichnete dritte Stufe folgen. Ziel war dabei, die neu geschaffene, zentrale IT-Abteilung von ICN in ein Projekthaus und einen Dienstleister aufzuteilen.

Obwohl die Zentralisierung oberste Priorität hatte, stellte Langkamp mit ersten Konsolidierungsaktionen zunächst die Weichen in Richtung schnelle Kostensenkungen, den Abbau des Systemwildwuchses sowie ein Prozess-Reengineering und Projekt-Controlling. So drückte er zum Beispiel den hohen Anteil teurer externer Spezialisten von 60 auf 20 Prozent und holte das Know-how ins Haus.

IT-Kontoauszug schafft Kostenbewusstsein

Ein schneller Spareffekt wurde ferner durch die Einführung eines "IT-Kontoauszugs" für jeden Nutzer erzielt. Langkamp ließ zu diesem Zweck ein kleines Programm schreiben, das jedem Mitarbeiter die verursachten Kosten für Desktop, Speicherplatz, E-Mail, Mobilfunk und Telefon anzeigt. Die Wirkung war groß. Mit dem Kontoauszug sei es gelungen, ein stärkeres Kostenbewusstsein zu erzeugen und allein über sieben Millionen Euro durch das Löschen alter Daten einzusparen, die unnötig Speicherplatz beansprucht hatten. Weiteres rasches Einsparpotenzial ergaben sich durch die Zusammenfassung der Desktop-Verträge aller deutschen ICN-Geschäftseinheiten.

Besonderes Augenmerk richtete der IT-Verantwortliche außerdem auf das Abschalten von Altsystemen, um die verworrene ICN-Systemlandschaft zu lichten. Das ging natürlich nicht von heute auf morgen, zeitigte nach zwei Jahren aber ein deutliches Resultat: "Wir haben es geschafft, 35 wesentliche Applikationen auszumustern", zieht Langkamp Bilanz. Zu den aussortierten Lösungen zählen auch vier der ursprünglich 13 bei ICN im Einsatz befindlichen SAP-R/3-Systeme.

Neben Sofortmaßnahmen musste in der Konsolidierung aber vor allem die wichtigste Aufgabe der neuen IT eingeleitet werden - das Reengineering der ICN-Geschäftsprozesse, das Langkamp zur Chefsache machte. Um nicht Gefahr zu laufen, dass die einzelnen Geschäftseinheiten ihre eigenen Wege gehen, führte er ein ausgeklügeltes Verfahren zur Entwicklung abgestimmter Projekte und Geschäftsprozesse ein. Der Clou dabei: Das Prozess-Management verantwortet die zentrale IT-Abteilung, während die ICN-Geschäftseinheiten "Enterprise Networks", "Carrier Networks" und "Carrier Services" Process Owner bleiben.

Konkret heißt das: Wenn von einer der drei Geschäftseinheiten oder der IT der Anstoß zu einem Projekt kommt, dann treten die in der zentralen ICN IT angesiedelten Abteilungen "Enterprise Applications", "Carrier Application" und "Group Application" auf den Plan. Bei der Projektrealisierung ist stets eines dieser drei Fachgebiete federführend. Die Verantwortung liegt dabei immer bei derjenigen Abteilung, die für einen bestimmten IT-Schwerpunkt die Lead-Funktion inne hat. So ist zum Beispiel die Abteilung Enterprise Applications für Projekte in Sachen Customer-Relationship-Management (CRM) sowohl in der Planung als auch im Budget zuständig, auch dann, wenn es im Auftrag der Carrier-Geschäftsgebiete realisiert und betrieben wird.

Damit bei der Entwicklung eine für alle ICN-Geschäftsbereiche verwertbare, harmonische Lösung herauskommt, stimmen jedoch die CRM-Experten der drei Application-Einheiten das Projekt in Teamwork ab. Ziel dieses Ansatzes ist, bei Folgeaufträgen die gleichen Definitionen zu nutzen und alle Systeme in Richtung einer ICN-Group-Application zu entwickeln. Jede der drei Abteilungen ist übrigens mit Spezialisten für die wichtigsten IT-Themen wie ERP, CRM, SCM besetzt.

Prozesse im Teamwork harmonisieren

Während die drei genannten Ressorts primär für IT-technische Projektrealisierung verantwortlich sind, kümmert sich die IT-Abteilung "Business Processes" um das Design eines für die gesamte ICN-Gruppe am besten gearteten Prozesses. Dabei definieren die "Process Executives" zusammen mit den Process Ownern der ICN-Geschäftseinheiten und den drei Projekt-Fachabteilungen einen möglichst harmonisierten Soll-Prozess, der dem Ist-Prozess gegenübergestellt wird. Modelliert und dokumentiert werden die gewünschten Geschäftsprozesse mit dem Tool Aris von IDS Scheer, das jetzt auch konzernweit als Errungenschaft des Projekts "Sixpack" (siehe Kasten "Projekt Sixpack") eingesetzt wird.

Für Langkamp dokumentiert der Ansatz der gemeinsamen Prozessoptimierung einen Sinneswandel im Unternehmen. Dadurch werde über die Grenzen der IT-Abteilung hinaus ein stärkeres Kostenbewusstsein, aber auch mehr Sensibilität für die IT geweckt. Das Besondere an dem Modell ist nämlich, dass sich jede Prozessmaßnahme auch in den Zahlen der verantwortlichen Geschäftseinheit auswirkt, erklärt er die Motivation und belegt sie mit Fakten. So sei es im letzten Geschäftsjahr gelungen, insgesamt 129 Millionen Euro zu sparen. Davon resultierten 53 Millionen Euro aus der IT-gestützten Prozessharmonisierung in den ICN-Geschäftsbereichen. Sie wurden deshalb nicht in der IT-Abteilung, sondern in den Kostenstellen der Process Owner als Sparerfolg verbucht.

Verfeinerte TCO-Methode misst Sparerfolg

Stellt sich die Frage, wie ICN und jetzt auch der gesamte Siemens-Konzern es schaffen, die Wirkung von Prozessen und Projekten exakt in Euro und Cent auszudrücken. In Langkamp würde nicht das Herz eines Bankers schlagen, wenn er nicht wissen und belegen wollte, was unter dem Strich für jeden aus dem IT-Budget investierten Euro für seine Abteilung, aber auch deren "Kunden", die ICN-Geschäftseinheiten, herausspringt. Er führte deshalb eine TCO-Methode (TCO = Total Cost of Ownership) ein, die finanzmathematisch weiter greift als herkömmliche Rechenmodelle für den Return on Investment (RoI). Sie berücksichtigt nicht nur die Kosten der IT, sondern bezieht auch die Einsparpotenziale bei Prozesskosten sowie die Profitabilität eines Projekts für die Geschäftseinheiten in die RoI-Bewertung ein. Das ist möglich, weil die Abteilung Business Processes die Prozessdurchlaufzeiten von heute und morgen misst und die Differenz in Euro umgerechnet mit in die RoI-Berechnung aufnimmt. Dazu zählen zum Beispiel Einsparungen in den Geschäftsgebieten bei Funktionskosten und Manpower.

Damit die für jedes Vorhaben errechneten RoI-Kennziffern nicht zu "Folien-Euros" verkommen, werden sie im PACT-Programm von ICN hinterlegt - das auf der top+ Systematik der Siemens AG basiert - und gelten damit als Messlatte für eine erfolgreiche Projektrealisierung. PACT steht für "Profit and Cash Turnaround" und hat eine eigene Logik. In diesen Pool dürfen nur Zahlen aus Projektaktivitäten eingestellt werden, die durch eine Optimierung Produktivitätsvorteile garantieren. Budgetkürzungen sind kein Bestandteil von PACT. Für das laufende Geschäftsjahr hat ICN IT wieder einen beachtlichen Beitrag in PACT angemeldet, der aus der IT-Konsolidierung und der Prozessoptimierung resultieren soll.

Jedes Vorhaben beginnt mit einem elektronischen Projektantrag plus RoI-Berechnung, die vom zuständigen ICN-Geschäftsbereich sowie Projektleiter eingereicht werden. Im nächsten Schritt erfolgt dann im Zuständigkeitsbereich der IT eine Validierung der RoI-Kalkulationen durch die Abteilung Project Controlling und Services (PCS) sowie eine technologische Einsatzprüfung des Projekts durch die Strategieabteilung. An dieser Stelle wird auch kontrolliert, ob der Plan die Richtlinien der Konzern-IT erfüllt. Nimmt das Projekt diese Hürde, wandert es auf den Desktop des CIO, der darüber befindet und es dann im "IT-Business Council" mit den Verantwortlichen der Geschäftsbereiche sowie dem Finanzchef von ICN erörtert. Anschließend geht das Vorhaben in das PACT-Programm ein.

Doch mit der Konzeption allein ist es nicht getan. Die für das Controlling zuständige Abteilung PCS überwacht in der Folge jeden Meilenstein des Projekts auf die Einhaltung des Zeitplans, Budgets sowie der Qualitätsanforderungen. Nur wenn diese Kriterien erfüllt sind, wird für die nächste Stufe grünes Licht gegeben. Insgesamt durchläuft ein Vorhaben von der Idee über die Realisierung und Freigabe bis hin zum Rentabiltätscheck fünf so genannte Härtegradprüfungen. Die letzte erfolgt in der Regel drei Monate nach dem Projektabschluss, um zu messen, ob das in PACT definierte Einsparpotenzial ausgeschöpft oder der prognostizierte Profit eingefahren wurde.

"Der Zyklus hat Millionen an Fehlleistungskosten gespart, die früher entstanden wären", lobt Langkamp den Nutzen des Controlling-Verfahrens. Durch die Implementierung dieses Tools sowie des Process-Engineering-Ansatzes in der Konsolidierungsphase war die Grundlage für die Zentralisierung der ICN IT geschaffen. Im Sommer 2001 konnte Langkamp die dezentralen OI-Abteilungen dann in seine IT eingliedern und die ersonnenen Projekt- sowie Prozessmechanismen mit Leben füllen.

Konsolidierung kostet Arbeitsplätze

Anschließend folgte dann im Herbst 2001 die dritte Stufe seines IT-Umbaus, die "Zellteilung". Langkamp gliederte die zentrale IT in ein Projekthaus und den Dienstleister XS Shared Services auf. Während die eine Abteilung in Auftrag gegebene IT-Konzepte plant und realisiert, fungiert XS als Service-Provider, der die fertigen Projekte dann als Produkte an die Geschäftseinheiten verkauft. Dabei wird jedes Produkt durch eine Leistungsbeschreibung mit Name, Inhalt, Service-Level, Vertragspartner, Kosten pro Monat sowie Helpdesk-Rufnummer transparent gemacht.

Mit der Aufstellung der IT als Dienstleister hat Langkamp sein auf zwei Jahre angesetztes Sanierungsprojekt Ende März abgeschlossen und den Staffelstab an seinen Stellvertreter Gerhard Otterbach übergeben. In Zahlen ausgedrückt, lässt sich seine Bilanz sehen: Er hat das nationale IT-Budget der ICN von 585 Millionen Euro im Jahr 2000 sukzessive auf 386 Millionen Euro verschlankt. Dieser Zielwert für 2003 wird laut Otterbach zum Geschäftsjahresende im September erreicht werden. Dazu haben die Konsolidierungs- und Optimierungsaktionen erheblich beigetragen. Allerdings konnte Langkamp diese Rosskur nicht ohne Personalabbau verordnen. Zirka 220 Mitarbeiter der IT mussten aufgrund des von der Konzernleitung beschlossenen Abbauprogramms ihre Arbeitsplätze räumen. "Ich wusste, dass man sich mit einem Umbau dieser Größenordnung keine Freunde macht", sagt er und weist auf das neue Berufsbild seiner Zunft hin: "Ein CIO sollte zunehmend zum Veränderer und Gestalter werden, um das Unternehmen bei der Erfüllung seiner Geschäftsstrategie zu begleiten. Er sollte sich daher sukzessive von der Verantwortung für Commodity IT-Services verabschieden."

Projekt Sixpack

Sixpack war eine Initiative, die Langkamp über den Geschäftsbereich ICN hinaus mit ins Leben rief. Sie trug den außergewöhnlichen Namen, weil sich daran die drei Konzernbereiche "Automation & Drives", "Medical Solutions" und "ICN" sowie die drei Regionen Brasilien, Österreich und Spanien beteiligten. Ziel der Runde war die Harmonisierung der Prozessinfrastruktur sowie der Architekturen und Applikationen einschließlich der Entwicklung eines Shared-Service-Konzepts. Dieser Ansatz zeigte erste Erfolge: Die Teilnehmer verständigten sich auf die Harmonisierung von CRM-Teilprozessen samt Content-Management, Single-Sign-on und Personalisierung. Diese soll dann als Shared Service für die Unternehmenseinheiten betrieben werden. Der Sixpack-Initiative wurde in einer externen ISO-9001-Zertifizierung eine "beeindruckende Zielsetzung und Systematik" bescheinigt. Mittlerweile ist Sixpack als Vorläufer des heutigen "Business Transformation Board" in die Konzern-IT überführt worden.

Mission Rosettanet

Stefan Langkamp ist Kosmopolit. Vermutlich widerstrebt es ihm schon deshalb, den Denkhorizont und Aktionsradius eines CIO auf einen Geschäftsbereich zu begrenzen. "Wenn ein CIO aufhört, einen Prozess an der Unternehmensgrenze zu definieren, macht er keinen guten Job", schreibt er der Zunft ins Stammbuch. Auf Langkamp trifft diese Kurzsicht nicht zu. In seiner Funktion als CIO bei ICN war er "prozesstechnisch" immer auf Weltreise. In Sachen externe Prozesse wurde er über den Bereich ICN hinaus mit dem konzerninternen und internationalen Projekt "Sixpack" (siehe Kasten) aktiv. Jetzt geht er noch einen Schritt weiter und lässt jenseits der Siemens-Grenzen Taten folgen.

Langkamp hält nämlich nichts von der Unsitte, wie er es nennt, Firmen durch Portale abzugrenzen. "Dieser Portalurwald treibt uns in den Ruin", schimpft er, weil seine Vorstellungen in punkto Prozesse viel weiter reichen. Sein Ziel ist eine weltweite System-to-System-Kommunikation auf Grundlage einer offenen Sprache, mit anderen Worten: der optimale Wertefluss zwischen Unternehmen.

Dieses Wunschbild hat bei ICN bereits einen Namen: Rosettanet. Das Besondere daran ist, dass diese "lingua franca" Langkamp zufolge keine IT widerspiegelt, sondern E-Business, das heißt ganzheitliche Arbeitsprozesse. So wäre es zum Beispiel möglich, Finanztransaktionen nicht mehr über firmeneigene Systeme anzustoßen, sondern diesen Prozess an eine Bank abzutreten. "Dahinter verbirgt sich kein Outsourcing, sondern das Denkmodell, einen Prozess komplett aus einer Industrie herauszulösen und an ein anderes Industriesegment abzugeben", erklärt er das Prinzip von Rosettanet.

Das Einsparpotenzial bei der unternehmensübergreifenden Gestaltung von Arbeitsprozessen und dem Einsatz von Rosettanet schätzt der Experte auf 20 bis 30 Prozent gegenüber einem nicht voll durchgängigen Prozess. Leider ist die Idee noch kaum verbreitet. Langkamp hat sich deshalb als Chairman des Rosettanet Telecom Council die Verbreitung zur Aufgabe gemacht. Diese Funktion hatte er schon während seiner Tätigkeit als CIO inne und übt sie nun seit April hauptamtlich aus. "Das ist ein Thema, das über die klassischen IT- und CIO-Organisationen hi-nausreicht", schildert Langkamp den Reiz seiner Mission. Sie dürfte seinen Karriereplänen, in denen der Job als CIO nur Durchgangsstation war, entgegenkommen. Im Oktober wird er einen neuen Job antreten. Welchen, darüber hüllt er sich noch in Schweigen.