Gartner und Merrill Lynch sind sich uneins

"IT-Rezession" oder Business as usual?

27.07.2001
MÜNCHEN (IDG/CW) - Nach einer Erhebung von Gartner Inc. erhöhen Großunternehmen im laufenden Kalenderjahr trotz der anhaltenden Konjunkturflaute ihre IT-Investitionen weltweit um 10,1 Prozent. Analysten der Investment-Bank Merrill Lynch reden hingegen von einer "IT-Rezession" und erwarten kaum noch Wachstum.

Nur 21,1 Prozent von 589 weltweit befragten Großunternehmen senken ihre IT-Aufwendungen im laufenden Jahr. Das berichtet Gartner Inc. in seiner jährlich erscheinenden Studie "IT Spending and Staffing Survey". Immerhin 56,4 Prozent der befragten Konzerne haben demnach ihr Budget gegenüber dem Jahr 2000 erhöht, und 22,4 Prozent liegen auf dem Niveau des Vorjahres. Kletterten die IT-Ausgaben im vergangenen Jahr noch um 13,3 Prozent, so wird laut Gartner im laufenden Jahr trotz Konjunkturdelle immer noch eine Steigerung von 10,1 Prozent, im nächsten Jahr allerdings nur noch ein Plus von 6,1 Prozent erreicht.

Die Analysten räumen dabei ein, dass die Konzentration ihrer Befragung auf Großunternehmen das Bild verfälscht haben könnte. Kleinere und mittlere Unternehmen seien flexibler und korrigierten ihre Budgets bei ökonomischen Schieflagen meist schneller als große Konzerne. Außerdem werde viel Kapital duch langfristige ERP- und CRM-Vorhaben gebunden. Neue Projekte würden derzeit kaum aufgesetzt.

Alles in allem herrscht bei Gartner aber Gelassenheit vor: "Wir bekommen zurzeit keine aufgeregten Anrufe von Kunden, die ihre Budgets um 25 Prozent zusammenstreichen müssen", erklärt Barbara Gomolski, Research Director bei Gartner. Das sei nicht immer so gewesen: Erst während der Finanzkrise in Asien hätten sich einige Unternehmen gemeldet, die massive Streichungen vornehmen mussten, um Geld für andere Projekte freizubekommen.

Wie verlässlich die Marktprognose ist, lässt sich kaum ermessen, zumal die Investment-Bank Merrill Lynch zu einem völlig anderen Umfragergebnis kommt. Die Banker hatten am 10. Juli ihre "Techstrat"-Studie veröffentlicht, in der die Wachstumsprognosen deutlich zurückhaltender ausfielen. Nach der Befragung von 65 europäischen und amerikanischen Chief Information Officers (CIOs) gelangt Merrill Lynch zu dem Ergebnis, dass in diesem Jahr die IT-Ausgaben in den USA um vier Prozent und in Europa nur noch um zwei Prozent steigen. Von einer "globalen IT-Rezession" ist in diesem Report die Rede.

Für die Plausibilität dieser Zahlen spricht, dass die Umfrage komplett im Juni lief, während sich die weitaus umfangreichere Gartner-Erhebung von März bis Juni hinzog. Gerade in Europa schien die IT-Welt im Frühjahr noch einigermaßen in Ordnung. Merrill Lynch selbst hatte noch im Januar 2001 eine viel optimistischere Prognose herausgegeben: Die IT-Budgets sollten in den USA um neun Prozent und in Europa um 13 Prozent steigen.

In einigen Punkten sind sich die Analysten von Gartner und Merrill Lynch aber auch einig. So kommen beide Studien zu dem Schluss, dass grundsätzlich weniger in Software und Hardware, dafür aber mehr in IT-Services investiert wird. Ebenfalls stellen beide gleichermaßen fest, dass der größte Posten in den IT-Budgets das interne Personal ist. Und schließlich berichten die Studien übereinstimmend, dass der Druck auf CIOs größer werde, Investitionen zu rechtfertigen und den Return on Investment nachzuweisen.

Abb: Der weltweite PC-Markt bricht ein

Die Zurückhaltung der CIOs bei IT-Investitionen spiegelt sich in der weltweit schwachen Nachfrage nach PCs und Notebooks wider. Quelle: IDC