IT-Konsolidierung, ERP-Einführung

IT reloaded – Rundumerneuerung bei Miele

06.03.2008
Von 
Karin Quack arbeitet als freie Autorin und Editorial Consultant vor allem zu IT-strategischen und Innovations-Themen. Zuvor war sie viele Jahre lang in leitender redaktioneller Position bei der COMPUTERWOCHE tätig.

Der Nutzen muss nachweisbar sein

Wenn aber das Anforderungs-Management tatsächlich einen spürbaren Effekt haben soll, reicht es nicht, den Nutzen nur zu proklamieren. Er müsse auch nachweisbar sein, warnt Frankenberger: "Viele Unternehmen haben ein tolles Anforderungs-Management, dokumentieren aber den Nutzen nicht."

Im Testlabor werden die Miele-Waschmaschinen auf Herz und Nieren geprüft.
Im Testlabor werden die Miele-Waschmaschinen auf Herz und Nieren geprüft.
Foto: Miele

Wie Grotowsky zu bedenken gibt, darf die Kosten-Nutzen-Analyse allerdings nicht von der IT vorgenommen werden. "Die IT kann den Nutzen ja nicht einfahren. Deshalb muss er von denjenigen definiert werden, die dafür verantwortlich sind: von den Fachabteilungen."

IT-Prozesse: Fleißaufgabe nachgeholt

Das Anforderungs-Management war der erste Schritt zu einer völligen Neuorganisation der IT-Prozesse. "Re-Boot IT" nennt Frankenberger dieses Mammutvorhaben. Dazu wurde das gesamte Know-how auf drei Ebenen gebündelt: lokal, regional und zentral.

Zugleich hat die Miele-IT ihre Prozesse sauber strukturiert. "Da waren wir bei Miele lange Zeit weg von", bekennt Grotoswky. Vor 2003 hatte sich die Miele-IT recht wenig Gedanken über die Vereinheitlichung ihrer Abläufe gemacht, so dass die Heterogenität laut Grotowsky "teilweise induziert" war. Zusammen mit Droege & Comp. holte der CIO diese Fleißaufgabe nach.

Business first

An erster Stelle stand jedoch die Neuorganisation der Geschäftsprozesse. "Da muss man ansetzen", weiß Grotowsky: "Die IT-Prozesse zu harmonisieren bringt nichts, wenn man nicht weiß, wofür." Schließlich sollten die IT-Prozesse mit den Geschäftsabläufen übereinstimmen.

Miele untersuchte – wieder mit der Hilfe von Droege & Comp. – die Business-Prozesse in den unterschiedlichen Ländern und fand, wie erwartet, heraus, dass sie vielfach gar nicht so unterschiedlich waren wie von den Anwendern behauptet. Allerdings wurden sie von der IT zum Teil sehr divergent unterstützt. "Es galt, herauszuarbeiten, was wirklich landesspezifisch war und was sich vereinheitlichen ließ", berichtet Frankenberger.

Best Practices für die Erneuerung der Business-Prozesse

  • Bewusstsein dafür schaffen, wo Dinge gleich und wo sie unterschiedlich sind.

  • Dafür sorgen, dass dieser Erkenntnisprozess von den Geschäftsführern der Landesgesellschaften getrieben ist.

  • Die Geschäftsführer vor das System setzen, um sie die Prozesse erläutern und begründen zu lassen (High Level Involvement).

  • Die Manager aus unterschiedlichen Ländern über die Anforderungen diskutieren lassen (Harmonisierung, wo möglich, und Differenzierung, wo nötig).

  • Herausarbeiten, welche Gesellschaft wo führend ist und als Best Practice dienen kann.

  • Mit einer repräsentativen Auswahl von Gesellschaften einen gemeinsamen Nenner definieren (Set von obligatorischen Prozessen).

  • Die IT aus der Diskussion heraushalten, die "Wünsch-dir-was"-Mentalität durch eine gemeinsame Diskussion bremsen.

  • Prozesse sauber als Blueprint spezifizieren (und zwar bereits im SAP-Standard).

Diese Arbeit überließ die Miele-IT den Geschäftsführern der Landesgesellschaften: Sie sollten sich vor den Bildschirm setzen und anhand des Systems ihre Abläufe nicht nur beschreiben, sondern auch begründen. So entstand Problembewusstsein. Danach setzten sich die Manager der Gesellschaften zusammen und diskutierten über ihre Anforderungen. Gegenseitig mussten sie sich davon überzeugen, dass ihre jeweiligen Differenzierungen notwendig seien. Wo ihnen das nicht gelang, war Harmonisierung angesagt.

Gleichzeitig wurde herausgearbeitet, welche Miele-Niederlassung hinsichtlich welchen Ablaufs als Vorbild dienen sollte, denn die Stärken und Schwächen waren unterschiedlich verteilt. Schließlich ging eine repräsentative Auswahl von Gesellschaften unterschiedlicher Größenordnung daran, die Standardabläufe zu definieren, in Prosa zu beschreiben und als "Blueprint" im SAP-Standard festzuhalten (zum Thema siehe auch: "Prozesswissen verbilligt SAP-Projekte").