Formel 1

IT rangiert in der Pole Position

15.04.2009

Telematik durchleuchtet Piloten und Auto

„Seit ich in der Formel 1 bin, hat sich hier enorm viel getan“, kommentiert Nick Heidfeld, Pilot von BMW Sauber, den wachsenden Einfluss der Computer in der Formel 1. Für die Fahrer geht es dabei in erster Linie um die Telematik. Dabei werden während der Testfahrten beziehungsweise der Rennen laufend Daten zu Motor, Chassis, Fahrverhalten sowie den Aktionen und der körperlichen Verfassung des Piloten gesammelt. „Heute bist du ein gläserner Pilot, stellt Ex-Formel-1-Profi Andreas Berger dazu fest.
Die Liste der gesammelten Informationen ist in der Tat lang. Neben Motorinfos wie Temperatur und Drehzahl werden Daten zu Pedalstellungen, Lenkung, Bremskraft und Gang sowie über Geschwindigkeit und Kraftstoffverbrauch aufgezeichnet. Über 100 Sensoren arbeiten dafür in jedem Formel-1-Wagen. Die so ermittelten Daten werden per Funkverbindung an die Rechner in den Boxen übermittelt. Manche Teams postieren dazu eigens Antennen rund um die Rennstrecke, um ständig auf dem laufenden zu sein, was im Wagen passiert, andere Rennställe rufen die zwischengespeicherten Daten einmal pro Runde ab, wenn die Fahrer mit fast 300 Kilometer pro Stunde an der Box vorbei rasen. Neben den Einzelinformationen der Sensoren, können die Techniker auch verschiedene Messdaten kombinieren. Über 1000 Einzelfaktoren, von denen jeder einzelne über den Ausgang des Rennens entscheiden kann, lassen sich so berechnen.
In jedem Grand Prix fallen mehrere Gigabyte an Daten an, die schnell verarbeitet sein wollen. Dazu haben die Teams Breitbandverbindungen in ihre Rechenzentren geschaltet, wo die Informationen blitzschnell verwertet und die Ergebnisse zurück an die Rennstrecke geschickt werden. Sicherheit ist dabei Trumpf: Die Daten müssen sicher abgelegt werden und jederzeit verfügbar sein. Außerdem müssen die Teams ihre Verbindungen zum Fahrer, Datenverkehr wie Sprechfunk, durch Verschlüsselung abschirmen. Zu gern wüssten schließlich die konkurrierenden Teams, was im gegnerischen Rennstall gerade los ist. „Datensicherheit ist essenziell“, sagt Jonathan McNeale, Managing Director von McLaren Mercedes. Das Team registriere täglich mehrere hundert Angriffe auf seine Systeme. Neben der Sicherung der Datenbanken in der Zentrale gehe es vor allem darum, die eigene IT-Umgebung an den Grand-Prix-Wochenenden abzuschirmen, wenn die Systeme im Außeneinsatz offener sind und viele Mitarbeiter mit mobilen Rechnern unterwegs sind.

„Das Thema ist hoch komplex“, berichtet Heidfeld. „In der Box sind ganze Batterien von Computern und Bildschirmen aufgestellt. Vor jedem sitzt ein Ingenieur, der die auf den Rechner gelieferten Daten analysiert.“ Davon profitieren die Fahrer unmittelbar. Beispielsweise können die Ingenieure die Fahrer sofort informieren, sollte sich möglicherweise ein Problem anbahnen. So lässt sich beispielsweise ein Ausfall vermeiden, indem die Techniker dem Fahrer raten, etwas mehr Abstand zu halten, wenn die Motor- und Öltemperatur in die Nähe kritischer Werte ansteigt. Mit etwas mehr Distanz strömt mehr Luft in den Motor und sorgt damit für eine bessere Kühlung Außerdem können die Piloten auf Basis ihrer persönlichen Renn-Ergebnisse und Geschwindigkeitskurven beispielsweise im Qualifying genau abschätzen, an welcher Stelle vielleicht noch etwas herauszuholen ist. Darüber hinaus bleiben die Daten auch im Nachhinein sehr wertvoll, wenn es beispielsweise darum geht, das Auto individuell auf den Fahrer abzustimmen und weiterzuentwickeln.

Das ist umso wichtiger, weil letztendlich immer noch der Fahrer entscheidet und reagiert. Die Statuten der FIA erlauben Telemetrie nur in eine Richtung, vom Fahrzeug zur Box und nicht umgekehrt. Die Techniker können also nicht direkt Motor- und Fahrwerkseinstellungen der Boliden beeinflussen. Das kann nur der Pilot, der aber die entsprechenden Tipps über Sprechfunk aus seiner Box erhält. Auch die FIA-Verantwortlichen machen sich die Telematik zu Nutze. So müssen vom Verband vorgeschriebene Daten mit aufgezeichnet werden und nach dem Rennen den Kontrolleuren leicht zugänglich gemacht werden. Das hilft der FIA darüber zu wachen, ob die Teams das Reglement einhalten. Darüber hinaus schützt das System die Fahrer. Von jedem Wagen aus lassen sich über das „Medical Warning System“ medizinische Notfälle signalisieren und erleichtern damit den Rettungsteams ihre Arbeit.