Neues Finanz- und Rechnungswesen

IT-Projekt bringt Rotes Kreuz auf Vordermann

17.07.2011
Von Dieter Schmitt
Wie wird aus 80 Kontenplänen ein einziger? Indem alle Beteiligten an einem Strang ziehen. Diese Erfahrung machte das Bayerische Rote Kreuz (BRK) bei einem IT-Projekt, das zu den größten in der deutschen Sozialwirtschaft zählt.

Es war ein Großprojekt in Millionenhöhe. Über drei Jahre hinweg arbeiteten über 30 Mitarbeiter des BRK mit den Entwicklern und Beratern des Softwareunternehmens Wilken Entire zusammen. Ziel war die unternehmensweite Einführung eines neuen Finanz- und Rechnungswesens mit Controlling und Berichtswesen. Dadurch ist nun eine Konsolidierung auf Knopfdruck möglich.

Start war im Herbst 2007. Die neue Softwarearchitektur sollte größere Bezirksverbände ebenso im gleichen System abbilden können wie den kleinsten Kreisverband. Außerdem sollte das neue System den Wünschen des Managements nach einem schnellen Überblick gerecht werden. Diese Anforderung zielt auf moderne Auswertungsmöglichkeiten, die allerdings weitgehend von jedem Mitarbeiter beherrschbar sein sollten.

Seit Oktober 2010 ist das Projekt abgeschlossen. Es galt, das historisch gewachsene, selbst programmierte Unix-System "Fibu 2000" abzulösen. Mit der unternehmensweiten Konsolidierung musste jeweils zu Jahresanfang begonnen werden, um sie im Sommer dem Wirtschaftsprüfer vorlegen zu können. Der Grund: Es war keine zentrale Auswertung möglich.

Zentrales Ziel war es demnach, über moderne Software eine wirtschaftliche Arbeitsweise herbeizuführen - bezogen auf die jährliche Konsolidierung, gleichermaßen aber auch auf die tägliche Arbeit. Denn zusammengenommen gab es für die 73 Kreis-, fünf Bezirksverbände und für die Landesgeschäftsstelle insgesamt 177 Buchungsmandanten. Beim "großen Reinemachen" wurde jeder Mandant unter die Lupe genommen, und es wurde gefragt: "Brauchen wir den noch oder können wir ihn in eine andere Hierarchie bringen?" 80 Kontenpläne standen auf dem Prüfstand. In einer gemeinsamen Räumaktion blieb davon ein einziger übrig. Abgesehen von den zahlreichen technologischen Klippen, die umschifft wurden, war das BRK-Projekt eine große menschliche Herausforderung. Es gab eine Steuerungsgruppe mit 16 Mitgliedern, die sich zwei Jahre lang alle drei Monate traf. 30 Beschäftigte arbeiteten im Projekt selbst. Eine Mitarbeiterin des BRK wurde eigens für das Projekt abgestellt und begleitete es bis zum Rollout.

Überzeugungsarbeit ist entscheidend

Dieter Deinert, Geschäftsführer des BRK, über die Herausforderungen des größten eigenen IT-Projekts.

CW: Wo lagen die Stolpersteine im Projekt? Was sind Ihre "gelernten Lektionen"?

Dieter Deinert, BRK: "Anfangs wurde nebeneinander statt miteinander geplant."
Dieter Deinert, BRK: "Anfangs wurde nebeneinander statt miteinander geplant."
Foto: BRK

DEINERT: Ich bin seit 2008 im BRK, und dies war meine vierte große Systemeinführung. Es war relativ schnell klar, dass wir die Kommunikation zwischen den IT- und den Fachverantwortlichen verbessern mussten. Anfangs wurde nebeneinander statt miteinander geplant. Erst als es uns gelang, diese Planungen zu verzahnen, entstand ein echtes Gemeinschaftsprojekt."

CW: Gibt es Dinge im Projekt, die Sie aus heutiger Sicht anders machen würden?

DEINERT: Ich würde die Anwender in einem stärkeren Maße einbeziehen, als es anfangs der Fall war. Wir haben den Verband zwar beteiligt, doch selbst die 30 Projektteam-Mitglieder haben nicht ausgereicht, um jeden mit ins Boot zu holen. Das gelang uns erst mit der Einführung von User-Konferenzen, in denen wir Meinungen der Anwender einholten. Diese Konferenzen würde ich heute von Anfang an machen, um die Mitarbeiter auf einen besseren Informationsstand zu bringen. Damit beugt man Legendenbildungen vor.

Das größte Wagnis bürdete sich das Bayerische Rote Kreuz indes selbst auf. Hierbei spielte die Frage der Eigenständigkeit der fünf Bezirks- und 73 Kreisverbänden eine zentrale Rolle. Es galt das erste Projekt in der Geschichte des BRK zu meistern, in das alle Mitarbeiter einbezogen werden sollten und mussten. Die interne Skepsis zu Beginn war groß - und sie hielt über weite Phasen des Projekts an. "Die Wende in dem anfangs schwierigen Projekt gelang durch die Anwendertreffen mit jeweils mehr als 400 Teilnehmern. Damit hatte das Projektteam die Möglichkeit, alle Anwender direkt zu erreichen und echte Probleme von Befindlichkeiten zu unterscheiden", so Dieter Deinert, der für IT zuständige Landesgeschäftsführer.