Honorare: Freiberufler und Projektanbieter nähern sich an

IT-Profis schrauben Stundensätze zurück

20.02.2004
MÜNCHEN (CW) - Was ist meine Leistung wert? Diese Frage beantworten selbständige IT-Experten zunehmend vor dem Hintergrund der Auftragslage. Seit Mitte 2002 haben sie begonnen, ihre Stundensatzforderungen nach unten zu korrigieren. In den vergangenen sechs Monate ist die Honorarerwartung um vier Euro auf durchschnittlich 66 Euro gesunken, wie eine aktuelle Auswertung zeigt.

Zweimal im Jahr durchforstet das Projektportal Gulp seine Datenbank mit 47000 Freiberuflern, um herauszufinden, zu welchen Konditionen die IT-Experten arbeiten wollen. Registriert werden allerdings nur die Stundensatzforderungen, die nicht den tatsächlich gezahlten Honoraren entsprechen müssen. "Da wir nur die Vermittlungsplattform anbieten, haben wir keinen Einblick, auf welche Summe sich Auftraggeber und -nehmer einigen", erläutert Stefan Symanek von Gulp.

In den vergangenen sechs Monaten haben sich beide Lager angenähert: Während die Freiberufler erneut ihre Stundensatzforderungen zurückschraubten, versuchten auch die Projektanbieter nicht mehr so oft, die Honorare ins Bodenlose zu zudrücken. "Die Verhandlungen scheinen sich vorerst eingependelt zu haben. Vielen Unternehmen ist vielleicht auch bewusst geworden, dass sie eine gute Leistung auch nur für einen bestimmten Preis bekommen", so Symaneks vorsichtige Analyse. Nur noch 5,5 Prozent aller Projektanfragen richteten sich an Selbständige, die für 40 bis 49 Euro in der Stunde arbeiten. Im August 2003 betrug dieser Anteil noch 7,3 Prozent. Erhöht hat sich die Zahl der Projektangebote für Freiberufler, die sich gehaltlich im klassischen Mittelfeld bewegen: 27 Prozent der Angebote richteten sich an die Stundensatzgruppe zwischen 60 und 69 Euro und 24,4 Prozent an die Gruppe zwischen 70 und 79 Euro.

Wenn die Projekte dünn gesät, zugleich aber viele Selbständige verfügbar sind, entscheidet oft der Preis über den Auftrag. Gegen diese Argumentation hatten sich viele Freiberufler lange Zeit gewehrt und machten bestenfalls minimale Abstriche; mit der Folge, dass sie schon bald das Nachsehen gegenüber Kollegen mit ähnlicher Qualifikation, aber geringeren Stundensätzen hatten, so die Beobachtung des Gulp-Experten. Inzwischen sind die Freiberufler zu größeren Zugeständnissen bereit und schraubten ihre Forderungen in Deutschland und der Schweiz um durchschnittlich vier Euro in der Stunde zurück. In Österreich verlangten die Selbständigen im vergangenen Halbjahr sogar um sechs Euro weniger. Allerdings liegen die österreichischen und schweizerischen IT-Experten mit geforderten 70 beziehungsweise 87 Euro in der Stunde immer vor ihren deutschen Kollegen (66 Euro).

Wie viel die Freiberufler fordern, hängt von Berufsprofil und -erfahrung, Alter und Region ab. So nehmen Projektleiter (71 Euro) und Berater (70 Euro) die höchsten Honorare für sich in Anspruch, mit deutlichem Abstand folgen Softwareentwickler (62 Euro) und Trainer (60 Euro). Das Schlusslicht bilden die Administratoren mit 54 Euro, die um drei Euro weniger verlangen als noch im August 2003. In den IT-Hochburgen Frankfurt am Main und München rechnen die Selbständigen immer noch mit 69 beziehungsweise 68 Euro, während sie sich in den Neuen Bundesländern mit 56 Euro weitaus bescheidener geben.

Unerfahrene ITler haben das Nachsehen

Die älteren Freiberufler wollen sich ihre Berufserfahrung mit barer Münze bezahlen lassen: Während sich die 25- bis 29-Jährigen mit 54 Euro und sieben Euro weniger als im August 2003 begnügen, fordern die 35- bis 49-Jährigen durchschnittlich 69 Euro und damit nur zwei Euro weniger als noch vor einem halben Jahr. Ganz selbstbewusst geben sich die Freiberufler über 55 Jahre, die 72 Euro Stundensatz ansetzen.

Auf diese Honorare gehen die Projektanbieter aber oft nicht ein: Den Älteren bieten sie oft nur 66 Euro an, den Jüngeren unter 30 Jahre sind sie dagegen bereit, 59 statt der geforderten 54 Euro zu zahlen. Allerdings spielt die Berufserfahrung in der IT eine entscheidende Rolle: Laut Gulp gehören die Selbständigen, die weniger als fünf Jahre im Projektmarkt arbeiten, zu den Verlierern, da sie ihre Stundensätze binnen eines halben Jahres um durchschnittlich acht Euro auf nur mehr 48 Euro reduzieren mussten.

Deutlich mehr Projektanfragen

Seit Jahresanfang stehen die Zeichen im IT-Projektmarkt aber verstärkt auf Wachstum. Schon im Herbst hat sich die Auftragslage für Selbständige spürbar verbessert, und im Januar setzte sich dieser Trend fort, wie die jüngste Auswertung der Projektdatenbank von Gulp ergab. Demnach gingen im ersten Monat des Jahres 3597 Projektangebote ein, allein in der fünften Kalenderwoche wurden 1108 Anfragen gezählt. Damit übertraf der Januar alle Monatswerte des vergangenen Jahres, im Januar 2003 waren es gerade einmal 2009 Angebote für IT-Selbständige. "Viele Firmen hatten ihre geplanten IT-Projekte auf den Prüfstand gestellt; es werden nun die Vorhaben gestartet, die zum Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit als notwendig erkannt worden sind", erklärt Gulp-Geschäftsführer Karl Trageiser. In seinen Augen ist die Hauptursache für den Aufschwung, dass sich die allgemeine Stimmung in den Unternehmen gebessert hat und damit auch die Bereitschaft zu Investitionen gestiegen ist. Positiv äußerten sich auch die befragten Projektanbieter über ihre Planungen für 2004: 57 Prozent rechnen mit einem höheren Umsatz, 45 Prozent wollen mehr investieren und 69 Prozent erwarten am Ende des Jahres einen Gewinn. (am)

Abb: IT-Experten passen Honorarforderung der Auftragslage an

Unabhängig vom Berufsprofil haben alle freiberuflich tätigen IT-Profis ihre Stundensätze seit 2002 um mehrere Euro reduziert. Quelle: Gulp