"IT-Konzerne wollen Anwendern Angst einjagen"

15.12.2003
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Alexander Freimark wechselte 2009 von der Redaktion der Computerwoche in die Freiberuflichkeit. Er schreibt für Medien und Unternehmen, sein Auftragsschwerpunkt liegt im Corporate Publishing. Dabei stehen technologische Innovationen im Fokus, aber auch der Wandel von Organisationen, Märkten und Menschen.
MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Thomas Nies, der dienstälteste CEO der Softwareindustrie, ist immer noch aktiv - nach 35 Jahren im gleichen Unternehmen, in der gleichen Position. Seinen Kampfgeist hat er dabei nicht verloren, im Gegenteil: Mit Rückenwind will er aus der IT-Krise herauskommen, um die "fetten Elefanten" SAP, Oracle, Peoplesoft und Siebel anzugreifen.
Thomas Nied, CEO von Cincom, ist seit Ende der 60er Jahre erfolgreich im Softwaregeschäft.
Thomas Nied, CEO von Cincom, ist seit Ende der 60er Jahre erfolgreich im Softwaregeschäft.

Einst gab Computerhardware den Innovationstakt in der IT-Branche an, mit moderner Elektronik ließen sich technologische Barrieren überwinden. Doch Hardware gilt heutzutage als "Commodity", als Allgemeingut, jederzeit austauschbar und überall erhältlich. Anders Software und Services - mit einer Marktkapitalisierung von rund 270 Milliarden Dollar ist Microsoft gegenwärtig das teuerste IT-Unternehmen der Welt, und die Walldorfer SAP AG dient als Aushängeschild der deutschen IT-Szene. Der Dienstleistungsbranche wird eine noch glänzendere Zukunft vorausgesagt, wenn eines Tages "IT on demand" zur Verfügung stehen soll.

Das war nicht immer so: Als der ehemalige IBM-Vertriebler Nies 1968 mit 600 Dollar Kapital das Unternehmen Cincom Systems gründete, gab es Software und Services bei Big Blue kostenlos zu den Rechnern dazu, "weil die Gewinnspannen bei Hardware immens groß waren". Die Idee, für Programme Geld zu verlangen, erschien einigen als revolutionär, vielen zumindest als abwegig. Konkurrenz auf dem freien Markt gab es folglich noch kaum. Dementsprechend schwierig war es, Kredite zu bekommen und das Geschäftsmodell umzusetzen: "Der Wert der Anwendung musste so groß sein, dass die Kunden bereit waren, dafür zu bezahlen", resümiert der Softwarepionier.

Auch nach 35 Jahren zählen Begriffe wie "hoher Wert" und "geringe Kosten" immer noch zum bevorzugten Vokabular von Nies, der die traditionellen Management-Slogans selbst als die "Mission" von Cincom bezeichnet: "Die Botschaft kommt bei Kunden an." Ankommen will die Company vor allem mit betriebswirtschaftlicher Standardsoftware, aber auch mit Services, Beratung und Outsourcing. Dabei hat Cincom im Lauf der Jahre so ziemlich jede Softwarefacette in sein Portfolio aufgenommen: Datenbanken für IBM und Digital Equipment, 4GL-Entwicklungsumgebungen, Reporting-Tools, Call-Center-Lösungen, CRM- und ERP-Systeme. Heute bietet die Company vor allem Lösungen für Fertigungsunternehmen und die Finanzbranche an.

Ein Börsengang oder Verkauf von Cincom standen für Nies nur selten zur Debatte. Bei Übernahmen würden die gekauften Firmen und ihre Produkte in der Regel meist liquidiert: "Wenn man seinen Kunden dienen will, kann das nicht das Ziel sein." Geht eine Company hingegen an die Börse, "lässt sich der langfristige Ansatz nicht mehr umsetzen, weil die Investoren kurzfristig denken", sagt der Cincom-Chef. Und zur Mission: "Wenn Sie sich um den Börsenwert kümmern müssen, können Sie sich nicht nach dem Wert für ihre Kunden richten."