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IT-Kommunikation macht ineffizient

22.07.2005

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Sogar die "Verursacher" von IT-Kommunikationswerkzeugen wie IBM und Microsoft gestehen mittlerweile ein, dass die vielfältig genutzten Informationskanäle wie Instant Messaging, SMS, E-Mail etc. eher schädlich sein können denn Nutzen stiften. Die ständigen Unterbrechungen der normalen Tätigkeit durch diese digitalen Kommunikationsformen bewirken in ihrer Summe einen Abfall in der Produktivität und Kreativität der "typischen" Büroangestellten.

Eine Studie von Hewlett-Packard (HP) kommt zu dem Ergebnis, dass 62 Prozent aller Erwachsenen aus Großbritannien fast manisch ihre E-Mail-Accounts auf neue Nachrichten überprüft - egal, wann und wo. Sogar während Meetings will der überwiegende Teil der Befragten sich ständig über neu einkommende digitale Post informieren. Die Hälfte der Studienteilnehmer hat zudem das Gefühl, auf Nachrichten sofort oder spätestens innerhalb einer Stunde antworten zu müssen. Immerhin noch jeder Fünfte fühlt sich "glücklich", wenn er seine normale Tätigkeit oder auch private Treffen für ein Telefonat oder die Beantwortung einer E-Mail unterbrechen kann.

Sogar hochrangige Manager von Microsoft und von IBM konzedieren, dass bezüglich der allgegenwärtigen digitalen Kommunikationsmöglichkeiten ein kultureller Wandel stattfindet. Chris Copossela, der beim Softwaregiganten als Vice President in der Geschäftseinheit Information Worker arbeitet, sagte, früher sei das Gebot der Stunde gewesen, ständig online und damit verfügbar sein zu müssen. Wer im Trend der Zeit liegen wollte, musste immer erreichbar sein. "Und was passiert heute? Jetzt sagen sich viele, ich will nicht ständig gestört und unterbrochen werden."

Ein Unternehmen wie Microsoft denkt heute an die Entwicklung von Software, die den ständigen Beschuss von Informationen via E-Mail, SMS etc. kanalisiert und zeitlich eingrenzt. Das ist nicht ohne Pikanterie, ist es doch gerade auch Microsoft, das ja nicht unmaßgeblich dazu beigetragen hat, mit Software-Tools wie Instant Messaging Leute immer erreichbar zu halten.

Dan Russell, Senior Manager an IBMs angesehenen Forschungsinstitut Almaden Research Center im kalifornischen San Jose, bläst ins gleiche Horn. Wer nicht die Zeit habe, seinen Gedanken ungestört freien Raum zu lassen, könne grundsätzlich nicht kreativ arbeiten. Russells Konsequenz ist, dass er E-Mails nur noch zweimal am Tag bearbeitet. Ergebnis: Er verschwendet nur noch die Hälfte der Zeit mit seinen digitalen Postsendungen.

Der Journalist Carl Honore, von dem auch das Buch "Slow Life" (Riemann Verlag, erschienen 2004) stammt, hat ermittelt, dass der "normale" Büroangestellte ungefähr alle drei Minuten irgendeine einkommende Information wie etwa ein Telefonat, eine E-Mail, eine SMS etc. erhält. Problematisch daran sei, dass der Mensch rund acht Minuten benötigt, um sich wieder in die ursprüngliche Tätigkeit einzufinden. Honore zieht daraus den Schluss, dass die digitale Kommunikation in all ihren Ausprägungen genau das Gegenteil dessen erreicht, was man sich von ihr erhoffte: Die Menschen erledigen ihre Tätigkeiten nicht leichter und besser, sondern sie arbeiten ineffizienter und sie können ihre wichtigen Aufgaben nicht mehr im gegebenen Maß erfüllen.

Bei Veritas Software haben Verantwortliche aus ähnlichen Erfahrungen kurz und bündig konkrete Maßnahmen abgeleitet: Jeremy Burton, Executive Vice President der Marketing-Abteilung, hat angeordnet, dass an Freitagen zumindest innerhalb seiner Abteilung keine E-Mails mehr verschickt werden. Die Kommunikationsdiät wurde begonnen, nachdem Burton sich seines eigen E-Mail-Aufkommens für einen einzigen Tag bewusst wurde: 400 Sendungen, die fast alle aus seiner eigenen Abteilung kamen, stopften seinen Mail-Account zu. Jetzt dürfen die Veritas-Marketiers freitags nur noch mit aushäusigen Kunden oder Kollegen aus anderen Abteilungen via E-Mail kommunizieren. Für den abteilungsinternen Informationsaustausch greifen sie an diesem Wochentag auf ein altes Verfahren zurück: sie reden von Angesicht zu Angesicht mit einander. (jm)