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Thema des Tages

IT-Jobs: Deutschland darf den Anschluß nicht verpassen

20.10.1999
Thema des Tages

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - "Montag ist Jobtag" - mit diesem Slogan hatte die Münchner Messegesellschaft geworben, um schon am Eröffnungstag möglichst viele der begehrten IT-Einsteiger und wechselwilligen Profis auf die Systems zu locken. Das Konzept ging auf - zumindest im Zentrum für Jobs & Karriere der COMPUTERWOCHE herrschte großer Andrang.

Der akute Nachwuchsmangel in der IT-Branche ist so evident, daß ihn die Diskussionsteilnehmer nicht mehr zu beklagen brauchten. Während sich über 50 personalsuchende Firmen als attraktive Arbeitgeber zu präsentieren versuchten, diskutierten Unternehmensvertreter, Politiker und Gewerkschafter auf dem Podium über Auswege aus dem Dilemma. So unterstrich Uwe Thomas, Staatssekretär im Bundesbildungsministerium, nochmals die ehrgeizigen Ziele der Bundesregierung: Von 15 000 auf 40 000 soll etwa die Zahl der Auszubildenden in den neuen Lehrberufen in den nächsten Jahren anwachsen. Weiteren 50 000 Quereinsteigern soll in den nächsten zwölf Monaten durch Umschulungen der Weg in die IT geebnet werden. Zudem gelte es, den Schülern das Informatikstudium näherzubringen, um so die immer noch viel zu niedrigen Studentenzahlen in diesem Fach anzuheben.

Bei den Schulen will auch Klaus Plönzke, Gründer der Unternehmensberatung CSC Ploenzke, ansetzen, um die IT-Firmen unter den Schülern schon früh bekannt zu machen und sie dadurch für dieses Berufsfeld zu interessieren. Daß die IT-Studiengänge aber trotz einsetzender Werbemaßnahmen und glänzender Berufsperspektiven für viele junge Leute keinen Anreiz haben, liegt für Ulrich Klotz, im Vorstand der IG Metall für Technologie zuständig, auch an den harten Arbeitsbedingungen der Branche: "Eine 100-Stunden-Woche ist kurz vor Projektschluß keine Seltenheit. Da wird die Angst verständlich, mit 35 Jahren bereits ausgebrannt zu sein." Arbeitsbelastungen in diesem Umfang wollten Plönzke wie auch Rudolf Gallist, Microsoft-Chef in Deutschland, gar nicht in Abrede stellen, hielten aber dagegen, daß die IT-Profis in der Regel freiwillig so lange arbeiten würden. Dazu Gallist: "Die Mitarbeiter sind es, die an uns den Wunsch herantragen, auch am Wochenende arbeiten zu dürfen."

Über den derzeitigen Personalmangel hinaus sahen die Diskussionsteilnehmer aber noch ein viel größeres Problem, für das noch keine Lösung in Sicht ist. "Die Dienstleistungsgesellschaft hat Deutschland schon verpennt, jetzt besteht die Gefahr, daß es uns mit der Wissensgesellschaft genauso ergeht", kritisierte August-Wilhelm Scheer. Der Saarbrücker Professor für Wirtschaftsinformatik und Gründer des Systemhauses IDS Prof. Scheer rief die deutschen Hochschulen dazu auf, sich in Zukunft verstärkt als Weiterbildungsanbieter zu begreifen und sich das Heft nicht von amerikanischen Anbietern aus der Hand nehmen zu lassen: "Es kann nicht angehen, daß es Professoren nicht kümmert, ob ihre Studenten nach dem Examen Taxi fahren oder einen anspruchsvollen Job bekommen." Das Studium sollte gestrafft werden und der Vermittlung von Grundkenntnissen dienen, deren Erwerb sich ein lebenslanges Lernen anschließen müsse.

Auch Staatssekretär Thomas sah die neuen Herausforderungen für die Hochschulen auf dem Weiterbildungsmarkt, der durch das Internet zunehmend internationaler wird. Eine Vorlesung im konventionellen Sinn beurteilte er als "reine Zeitverschwendung", deren Inhalte in ein paar Jahren besser durch eine gute Bildungssoftware vermittelt werden könnten. "Diese neuen Lernwerkzeuge schaffen dann auch wieder mehr Zeit für das persönliche Gespräch zwischen Professor und Studenten", argumentierte Thomas. Aber auch in Sachen Bildungssoftware gilt, was für die Wissensgesellschaft angemahnt wurde: Deutschland darf den Anschluß nicht verpassen. "Den Zukunftsmarkt der Bildungssoftware wird der dominieren, der die größten Stückzahlen hat", prophezeite Thomas.