IT-Jobs beim Staat: Keine Karteikartenhüter

14.02.2008
Die öffentliche Verwaltung hat interessante IT-Jobs zu vergeben. Drei "IT-Beamte" berichten über ihre Arbeit. Die Entgelte sind zwar nicht die üppigsten, aber die Aufgaben sind spannend und der Druck gemäßigt.
Die meisten Jobs im öffentlichen Dienst entstehen für Datenbank- und Systemspezialisten. Den stärksten Zuwachs - und das lässt für eine moderne Verwaltung hoffen - verzeichnen die Internet-Stellen.
Die meisten Jobs im öffentlichen Dienst entstehen für Datenbank- und Systemspezialisten. Den stärksten Zuwachs - und das lässt für eine moderne Verwaltung hoffen - verzeichnen die Internet-Stellen.
Foto: Adecco

Die Zeiten der Karteikartenhüter sind lange vorbei. Auch wenn die öffentliche Verwaltung das Image verstaubter Gemütlichkeit nur mühsam abschüttelt, haben sich die Ämter längst zu hochmodernen Institutionen entwickelt, in denen IT-Experten dringend gebraucht werden: für die Einrichtung und Pflege von Datenbanken und Netzwerken innerhalb der Behörden, aber auch um die Verwaltungen untereinander zu vernetzen. IT-Fachleute werden benötigt, um Datenlinien zu externen Institutionen wie Botschaften, auswärtigen Ämtern oder EU-Organisationen herzustellen, biometrische Pässe oder elektronische Dienstausweise zu konzipieren, um E-Commerce-Plattformen für die Verwaltung wie das Online-Kaufhaus des Bundes zu installieren oder E-Government-Projekte zu steuern. Im Bundesinnenministerium (BMI) und seinen nachgeordneten Behörden wie Bundeskriminalamt, Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik oder Bundesverwaltungsamt beispielsweise ist der Bedarf besonders groß. Seit etwa einem Jahr macht sich der Fachkräftemangel im Ministerium und seinen 15 Behörden bemerkbar.

Hier lesen Sie ...

warum im öffentlichen Dienst interessante IT-Jobs entstehen;

welche neue Aufgaben IT-Mitarbeiter beim Staat erwarten;

was die Verwaltung außer einem niedrigen Gehalt zu bieten hat.

Staatsjobs auf der CeBIT

Wie in der Wirtschaft wird es auch für den öffentlichen Dienst zunehmend schwieriger, qualifizierte IT-Fachkräfte zu finden. Dies gilt auch für das Bundesministerium des Innern (BMI) und die 15 Behörden, die es unter seiner Leitung vereint wie das Bundeskriminalamt, das Bundesamt für Verfassungsschutz, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge oder das Bundesverwaltungsamt. Um dem BMI und seinen Behörden "ein Gesicht zu geben", werden in Halle 9 auf der Fläche B60 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für Gespräche zum Thema "Welche Perspektiven erwarten mich als IT-Fachkraft im BMI und seinen Behörden?" bereitstehen. Neben den Konditionen eines Arbeitsverhältnisses und den Möglichkeiten eines Praktikums beziehungsweise einer Diplomarbeit soll es dabei besonders darum gehen, die Viel-falt der Aufgaben und Perspektiven einer IT-Fachkraft im BMI und seinen Behörden zu erläutern. Wer danach Interesse an einem Kontakt hat, kann sein Profil unter perspektive-it.de hinterlegen.

Bescheidene Gehälter

"IT ist der stärkste Wachstumsbereich im BMI", sagt Matthias Menzel, Referatsleiter Personal im BMI. "In den vergangenen fünf Jahren ist die Zahl der IT-Profis um 25 Prozent gestiegen." Begonnen hatte die Entwicklung vor gut zehn Jahren mit dem flächendeckenden Aufbau der Netzwerktechnik in den Behörden. Sicher: Im Vergleich zur freien Wirtschaft sind die Gehälter eher bescheiden. Ein Fachhochschulabsolvent kann mit 2400 Euro Startgehalt brutto rechnen - plus Sicherheits-, Familien-, manchmal Ministerialzuschlägen. Gleichzeitig setzen die regulierten Laufbahnwege Karrieren relativ unflexible Grenzen. Und mit der Ebbe in den öffentlichen Kassen hat sich auch in der Verwaltung der Druck auf die Mitarbeiter erhöht. Dennoch hat Vater Staat einiges zu bieten: Arbeitsplatzsicherheit und gute Arbeitsbedingungen, hohe Flexibilität, Telearbeit und Dutzende Arbeitszeitmodelle, Familienfreundlichkeit und reichlich Fortbildungsangebote, Kooperationen mit der Wirtschaft. Und inhaltlich reizvolle Aufgaben: Knapp 70 Prozent der BMI-Abteilungen arbeiten international, zum Beispiel wenn es um die Einführung von einheitlichen Standards zur Datenerhebung geht. Menzel: "IT-ler finden bei uns eine hochmoderne Softwarelandschaft, die sie selbst kreativ mitgestalten können."

Der Quereinsteiger

Als der 41-jährige Thomas Zimolong seine Ausbildung in der Berliner Innenverwaltung begann, hatte er mit IT noch wenig am Hut. Drei Jahre lang pendelte er zwischen Fachhochschule und Behördenfluren und ließ sich zum Diplomverwaltungswirt ausbilden. Praxiserfahrungen sammelte er im Landesamt für zentrale soziale Aufgaben. Zimolong war unter anderem damit beschäftigt, Asylbewerbern Unterkünfte zuzuteilen. So kam er in seinem ersten Job bei der Senatsverwaltung für Soziales zur Informationstechnik.

Das ist mal ein nützliches Werkzeug, sagte sich der junge Verwaltungsbeamte und jonglierte voller Elan mit Multiplan und Excel. Wie viele Unterkünfte brauchen wir? Wie viele Leute erwarten wir? Wie teuer ist das? Wie kann man Asylbewerber und Unterkünfte zusammenbringen? Die IT spuckte reichliches und solides Zahlenmaterial aus. Zimolong war begeistert. Kurz darauf begann er den Fortbildungsstudiengang "Fachinformatiker für Verwaltung" an der Berliner Verwaltungsakademie. Er lernte das Einmaleins der Programmierung, entwickelte kleine Server-Anwendungen, paukte Unix. Ergebnis: ein Fachmann mit IT- und Verwaltungs-Know-how.

Arbeiten mit Linux

Die Sonne fällt durch die hohen Fenster des Bundesinnenministeriums (BMI). Von hier aus reicht der Blick weit über die Ufer der Spree. Mittags geht Zimolong gerne am Fluss spazieren. Seit 2004 arbeitet er im BMI. Offiziell als "Beamter im gehobenen nichttechnischen Dienst", obwohl sein Job die Technik ist. Doch das sind formale Fragen, die viel mit seiner Ausbildung zu tun haben, nichts aber mit seinen Aufgaben. Zum einen ist Zimolong zuständig für den Betrieb von Anwendungsprogrammen, die auf den zentralen Rechnern laufen. Zum anderen treibt er die Einführung von Linux-basierenden Open-Source-Systemen im Ministerium voran. Weil die Computernutzer dann nicht drängeln, arbeitet er immer mal wieder bis spät in den Abend oder in den frühen Morgenstunden.

Anspruchsvolle Projekte

Bis zum Oberamtsrat hat es Zimolong mittlerweile gebracht und damit erst einmal das Ende der Karriereleiter im gehobenen Dienst erreicht. Das genügt ihm. Das Gehalt ist in Ordnung, der Arbeitsplatz sicher, die inhaltlichen Entwicklungsmöglichkeiten enorm. Diese ungeheure Vielfalt, die sich in der öffentlichen Verwaltung für IT-ler bietet, liebt er ebenso wie die ausgezeichnete technische Ausstattung, die mit jedem Hightech-Unternehmen mithalten kann - und die Chancen, eigene IT-Systeme zu entwickeln, speziell zugeschnitten auf die Verwaltungsbelange. Bewusst hat er in seiner Laufbahn Unterschiedliches ausprobiert: Im Landesamt für elektronische Datenverarbeitung war er vier Jahre lang Mann für alle Fälle, hielt die technische Infrastruktur am Laufen. Im Projekt "Infrastruktur-Server für die Berliner Verwaltung" war er an der Ausstattung der Behörden mit IT-Lösungen beteiligt: Server installieren, ausliefern, Software konfigurieren, sich mit den Kunden austauschen. Im Bundesverwaltungsgericht arbeitete er als Teil eines kleinen Teams, stemmte schließlich mit seinen Kollegen die gesamte Neuinstallation beim Umzug des Gerichts nach Leipzig - "eine wahnsinnig spannende Herausforderung, vor allem konzeptionell". Bereut hat er die IT-Karriere in der öffentlichen Verwaltung nie. Verstaubt? Zimolong schüttelt den Kopf. Unsinn. "Das ist ein Märchen. Es gibt hier sehr ambitionierte Leute, die Spaß an der Sache haben und offen für Neues sind. Und dann macht die Arbeit unheimlich Freude."

Der Rationalist

Manchmal wundert sich Harald Kelter. Reisepass, Personalausweis, Fußball-Tickets - immer wieder kommen dieselben Argumente, wenn es um Radio Frequency Identification geht, kurz RFID genannt: Big Brother is watching you, Schnüffeltechnik, Spionage im Namen der Industrie. "Ich kann ein gewisses Maß an Unbehagen verstehen", so der Technologieexperte am Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). "Aber bevor man eine neue Technologie verteufelt, sollte man sich informieren und nicht jeden Unfug glauben. So zum Beispiel, dass man als Einkäufer zum gläsernen Kunden wird, wenn der Einzelhandel seine Waren mit Hilfe der RFID-Technik kennzeichnet. "Die Deaktivierung des Chips an der Kasse", so der Fachmann, "ist eine einfache Möglichkeit, das Auslesen durch Neugierige zu verhindern."

Sicherheitstechnik für die WM

Vor zwölf Jahren hat sich Kelter beim BSI beworben. Eine gute Entscheidung, wie er heute noch findet: "Das Aufgabenspektrum ist unglaublich vielfältig." So beschäftigt sich der studierte Nachrichtentechniker mit den unterschiedlichen Varianten von RFID-Systemen - Bauform, Frequenzbereich, Funk- und Speichertechnologie - und setzt dieses Wissen auch um: Kelter entwickelte die Sicherheitstechnik für Tickets zur Fußballweltmeisterschaft mit.

Neben konkreten Projekten beschäftigen Kelter auch verschiedene Zukunftsszenarien. Wie wird Pervasive Computing in den nächsten drei Dekaden unser Leben und unsere Arbeitswelt verändern? Ein Fahrerassistenzsystem im Auto drosselt bei Glatteis das Tempo und warnt die nachfolgenden Autos; das Fenster im intelligenten Haus schließt sich bei einer Sturmwarnung von selbst; in der U-Bahn wird der Fahrgast anhand seiner Monatskarte automatisch erkannt und der Fahrpreis von seinem Bankkonto abgebucht. "Das hört sich erstmal schön und gut an", so Kelter, "aber wir müssen neben den Chancen auch immer die Risiken neuer Informations- und Kommunikationstechnologien sehen - und zusammen mit der Industrie frühzeitig Sicherheitsstandards formulieren."

Grundsätzlich kann Kelter jeden nur ermutigen: Das BSI ist gerade für Informatiker, Physiker und Mathematiker ein interessanter Arbeitgeber. Aber man sollte sich bewusst sein: Die Laufbahnen sind klar geregelt. Er selbst hat in Köln an einer Fachhochschule studiert. Der höchste Rang, den er damit erreichen kann, ist der gehobene Dienst - und dort ist er mit seinen 40 Jahren bereits angekommen. "Es wäre schön, wenn die Möglichkeiten des beruflichen Aufstiegs ein wenig flexibler wären", sagt Kelter und hofft, dass "dieses Handicap im Rahmen der bevorstehenden Dienstrechtsreform beseitigt wird". Zumal Flexibilität kein Fremdwort ist für das BSI. Seit eineinhalb Jahren hat der Vater eines 13-jährigen Sohns einen Telearbeitsplatz, ein- bis zweimal pro Woche arbeitet er von zu Hause aus. "Am Anfang hatte ich schon Bedenken, dass sich die Telearbeit negativ auf die Karriere auswirken könnte - aber mitnichten."

Die Rückkehrerin

Eigentlich wollte Gabriele Jung nie wieder in den öffentlichen Dienst. Nach einer Ausbildung zur Verwaltungsangestellten war die heute 41-Jährige zu einem kommunalen Gebietsrechenzentrum gewechselt. Doch zehn Jahre später war die Luft endgültig raus: "Zu eintönig, keine Perspektiven." Ihr Abstecher zu einem mittelständischen Unternehmen in der Netzwerkbranche war ebenfalls unbefriedigend: "Auch dort war der Aufgabenbereich zu eng abgegrenzt." Um weiterzukommen, hat Jung sich 2000 an der privaten Fernfachhochschule Darmstadt für den Studiengang Informatik eingeschrieben und nach ihrem Vordiplom durch Zufall einen Mitarbeiter des Bundesverwaltungsamtes kennen gelernt. "Diese Behörde war mir bis dato völlig unbekannt, aber er erzählte so begeistert, dass ich mir gedacht habe: Warum nicht bewerben?" Heute arbeitet Jung im Referat BIT 3 und ist glücklich. "Nie hätte ich gedacht, dass die Arbeit in einer Behörde so abwechslungsreich sein kann. Ich bin ganz nah dran an der Informatik, aber auch am Kunden." Ein bis zweimal pro Woche reist Jung zu anderen Behörden, um ihnen den Government Site Builder (GSB) vorzustellen - ein Content-Management-System, das vom Bundesverwaltungsamt im Rahmen der E-Government Initiative Bund Online entwickelt wurde.

Jung liebt diese Beratungstätigkeit. "Man arbeitet eigenverantwortlich, erfährt von den Internet-Verantwortlichen anderer Behörden, wo der Bedarf liegt, und kann dann zurück an seinem Arbeitsplatz das Produkt gezielt und übergreifend weiterentwickeln." Eine Ausnahme. "Während in der freien Wirtschaft Content- Management-Systeme nach drei Jahren bereits wieder ausgetauscht werden", so Jung, "bleibt unser CMS bestehen. Das Gefühl, nicht für den Mülleimer zu produzieren, motiviert ungemein." Gute Weiterbildung Mittlerweile ist der GSB in mehr als 100 Internet- und Intranet-Projekten im Einsatz. Besonders wichtig dabei: die Barrierefreiheit. Da zahlreiche behinderte Menschen in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, können sie über das Web vielen Aktivitäten nachgehen, die ihnen sonst verschlossen bleiben würden - von zu Hause einkaufen, Kontakte knüpfen, ihren Reisepass online bestellen oder sonstige Behördengänge online erledigen. "Damit das aber funktioniert", so Jung, "ist es wichtig, dass die Internet-Angebote übersichtlich, in leicht verständlicher Sprache präsentiert werden und die Programmierung gewissen Standards genügt." Ein schlampiger Code - und der Screenreader, mit dem sich zum Beispiel blinde Menschen Internet-Seiten vorlesen lassen, kann nichts entziffern. Um ihre Kunden qualifiziert beraten zu können, besucht Jung regelmäßig Seminare: Moderation, Präsentation, Rhetorik, Verhandlung, Projekt-Management. "Erst vor kurzem habe ich die internationale Zertifizierung zur Projektfachfrau abgelegt und bestanden. Ich habe immer einen Arbeitgeber gesucht, der mir Weiterbildung in dieser umfassenden Form ermöglicht." (hk)