IT ist wichtiges Werkzeug Re-Engineering-Welle erfasst erst jetzt deutsche Unternehmen

02.12.1994

MUENCHEN (CW) - Deutsche Firmen springen spaeter auf den Re- Engineering-Zug auf. Obwohl die anfaengliche Euphorie der amerikanischen Unternehmen aufgrund ernuechternder Ergebnisse schon verflogen ist, erwaegt jetzt ein Grossteil der Firmen hierzulande Re-Engineering-Projekte.

In den USA sind zwei Drittel der Unternehmen dabei, Projekte zum Business Re-Engineering (BR) durchzufuehren, so berichtet eine Studie der CSC Index Inc., die rund 500 US-Gesellschaften befragt hat. In Deutschland hingegen haben erst fuenf Prozent dieses Konzept tatsaechlich umgesetzt. Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung, die das Fraunhofer-Institut fuer Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) durchfuehrte. Das Institut hat dazu rund 400 mittlere und grosse Unternehmen befragt.

Die bis jetzt gezeigte Zurueckhaltung bedeute aber nicht, dass die deutschen Fuehrungskraefte nichts von den BR-Konzepten halten. Denn laut IAO planen 45 Prozent von ihnen BR-Projekte, und 50 Prozent diskutieren darueber. Die Deutschen scheinen also nur etwas spaeter als ihre amerikanischen Kollegen auf den Re-Engineering-Zug aufzuspringen.

Dafuer gibt es einige Gruende: So setzte die Rezession in Europa und speziell in Deutschland um einige Jahre spaeter ein als in den USA. Da das hiesige Management eher konservativ agiert, wartet es erst konkrete Erfahrungen anderer inlaendischer Unternehmen ab und wagt bis zu diesem Zeitpunkt nur vorsichtige Schritte. Inzwischen hat sich die wirtschaftliche Situation in Deutschland entscheidend veraendert, und damit scheint auch die Bereitschaft zum Wandel zu wachsen.

Informationstechnologien spielen bei der Umsetzung von BR eine grosse Rolle, allerdings sehen die Befragten in ihnen keinen Impulsgeber. Trotzdem sind ihre Erwartungen in die DV-Techniken sehr hoch. Sie sollen vor allem dazu beitragen, die noetige Kundenorientierung zu schaffen. Zudem versprechen sich die Unternehmen von IT mehr Innovation und bessere Qualitaet. Gerade bei der Kundenorientierung klafft aber noch eine grosse Luecke zwischen Anspruch und Wirklichkeit.

Grosse Bedeutung kommen hierbei interaktiven Medien und dem Tele- Computing zu, da sie neue Formen der Kooperation zwischen Unternehmen, Kunden und Lieferanten ermoeglichen, fuehrt IAO-Chef Hans-Joerg Bullinger aus. In vielen Faellen bedeute dies eine Neuorientierung der IT-Struktur.

Wann gilt ein BR-Vorhaben als erfolgreich? Unternehmen, die noch keine Erfahrungen mit solchen Projekten haben, messen den kurzfristigen Ergebnissen wie der Produktivitaet eine wesentlich hoehere Bedeutung zu, stellt die IAO-Untersuchung fest. Fuer erfahrenere Firmen hat die Kundenorientierung hoechste Prioritaet. Erst danach folgen Produktivitaet, Time to Market und Marktanteil.

Business Re-Engineering lohnt sich, so lautet das Fazit von Bullinger, vorausgesetzt, das Unternehmen stecke sich ehrgeizige Ziele von mindestens 30- bis 50prozentiger Verbesserung. Der Erfolg sei messbar und koenne sich sehen lassen. Weniger als ein Viertel der BR-Projekte schluegen fehl. Zu einem weitaus negativeren Ergebnis kommt eine CSC-Untersuchung. Hier berichten nur 17 Prozent der Befragten von sehr guten Ergebnissen, weitere 16 Prozent sind zufrieden. Mehr als 40 Prozent konstatierten dagegen nur minimale Erfolge. Die Ursache liege haeufig in zu niedrig gesteckten Zielen und dem fehlenden Engagement des Topmanagements.

Was den Stellenwert der Fuehrungskraefte betrifft, gehen die deutschen Manager mit ihren amerikanischen Kollegen konform und geben dieses Kriterium als wichtigsten Erfolgsfaktor an. Als Stolperstein bezeichnet die Untersuchung das ausschliesslich bereichsbezogene BR. In diesem Fall werden oft nur Symptome, meist am Ende der Wertschoepfung, behandelt. Ein Grossteil der Ursachen sei aber in den meisten Faellen an mehreren Stellen des Prozesses verteilt. Haeufig gingen die Verantwortlichen zu oberflaechlich an die Projekte heran und vernachlaessigten hierbei Qualifikation und Motivation der Mitarbeiter. Trete der Erfolg nicht fruehzeitig ein, werde das Projekt abgebrochen. Aber schon die Erfahrungen mit Lean Management haetten gezeigt, dass es mit dem Abbau von Hierarchien und der Verlagerung der Entscheidungskompetenz nicht getan sei, sondern dass neue Entgelt- und Karrieresysteme benoetigt wuerden.