IT ist die Werkbank für die Forscher

12.12.2006
Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) fördert gezielt den Einsatz standardisierter IT-Dienste bei den Wissenschaftlern.

Wissenschaftler sollen forschen. Nur wer den Drang verspürt, immer neue, unbekannte Felder zu erschließen, kann beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) Karriere machen - und dafür soll er sich auf die Forschung konzentrieren: "Die Trennung der wissenschaftlichen Aktivitäten von vielen eigentlich trivialen Servicearbeiten ist bei uns - wie in vielen anderen Branchen - ein ständiges Problem. Die guten IT-Kenntnisse vieler Kollegen verleiten sie umso mehr dazu, IT-Probleme auch selbst anzugehen. Dabei entstehen häufig sehr individuelle Lösungen, die dringend notwendige Synergien verhindern", schildert Hans-Joachim Popp, CIO beim DLR. Das kann weder dem Vorstand noch dem CIO recht sein.

Erfolgsfaktoren

• Zufriedenheit der Endanwender: einmal monatlich werden Anwender aus der Datenbank per Zufall ausgewählt und mittels Intranet-basierenden Fragebogens über die empfundene Qualität befragt.

• Grad der Konsolidierung beziehungsweise der reduzierten Komplexität: Vorgabe war es, alle historisch entstandenen, in den Einrichtungen verteilt betriebenen Services mit externer Sichtbarkeit auf eine durch den IT-Dienstleister zentral verwaltete On-Demand-Plattform zu migrieren.

• Konstanz der Preise bei erheblicher Leistungssteigerung und erhöhten Anforderungen hinsichtlich der Sicherheit. Verschiebungen von Kosten in die Institutseinrichtungen mussten sich in engen Grenzen halten.

Loint Venture vereinbart

IT-Selbsthilfe war im DLR in den frühen Jahren des Client-Server-Computing gang und gäbe. Die interne DV-Abteilung hatte über die Entwicklung vom Mainframe-Zeitalter zum Client-Server-Computing den Wandel zum internen Dienstleister verpasst. Die Zusammenarbeit mit den Instituten und Forschungseinrichtungen wurde zunehmend schwieriger, nicht zuletzt weil Innovationen und Anforderungen der Anwender nur schleppend aufgenommen und umgesetzt wurden, gleichzeitig aber der Wertschöpfungsanteil der IT an den Forschungs- und Dienstleistungsaktivitäten und auch die Kosten ständig zunahmen.

Die Lösung war die Auslagerung der gesamten IT-Basisinfrastruktur an ein neu gegründetes Joint Venture im Jahr 1998, der Debis Solutions for Research (SFR) und heutigen T-Systems SfR. "Besonders zu Anfang war es wichtig, über den Aufsichtsrat die Unternehmenspolitik, insbesondere die Personalpolitik, gezielt beeinflussen zu können", erläuterte Popp, der erst vor zwei Jahren zum DLR stieß, "heute steuern wir den Dienstleister ausschließlich über das Kunden-Lieferanten-Verhältnis. Der Beziehung tut eine klare Abgrenzung sehr gut. "

Lange Übergangsphase

Ohne Schwierigkeiten war der Übergang von einer Einrichtung der öffentlichen Hand in ein privatwirtschaftliches Unternehmen nicht. Fünf Jahre dauerte der Aufbau einer stabilen Public-Private-Partnership (PPP). Während dieser Zeit wechselten die IT-Mitarbeiter unter das Dach der T-Systems SFR, und das DLR stieg schrittweise vom budget- auf einen nachfrageorientierten IT-Betrieb um. In mehreren Verbesserungszyklen gestaltete das DLR zusammen mit dem IT-Dienstleister die Service-Level-Agreements (SLAs), das Reporting und das Service-Management.

Stabile Preise, bessere Qualität

Anfang 2004 hatte das DLR schließlich die Basis für ein Sourcing-Modell geschaffen, das auf der einen Seite die kritischen Wissenschaftler in den Instituten und Forschungseinrichtungen mehr und mehr dazu bewegt, die von der zentralen Sourcing- und CIO-Organisation definierten Standards zu akzeptieren. Auf der anderen Seite animiert es den IT-Dienstleister dazu, die IT-Struktur zu vereinfachen und bei gleich bleibenden Preisen gleichzeitig Qualität und Leistungsumfang kontinuierlich zu verbessern. Beide Effekte greifen ineinander: "Ein Kunde mit komplexer Umgebung ist unheimlich schwer zufrieden zu stellen", schildert Popp. Mit guter Servicequalität könne sich der Provider in den Fachbereichen empfehlen.

Mit der T-Systems SFR einigte sich das DLR auf eine Leistungssteigerung von acht Prozent pro Jahr bei gleich bleibender Bezahlung. Die Verbesserungen sind vertraglich festgehalten und erstrecken sich etwa auf Angaben zur Bandbreite, Zugriffszeiten und Speicherplatz. "Natürlich lassen sich nicht alle aufgelisteten Services Jahr für Jahr genau in dem geforderten Maße verbessern. Manche Leistungen verbessern sich stärker, andere in kleineren Schritten. Wichtig ist, dass der Dienstleister kontinuierlich gezwungen ist, immer wieder auf die neueste Technologie zu migrieren", schildert Popp, "er kann sich nicht ausruhen. Wir wollen das Mögliche erreichen, ohne den Bogen zu überspannen." Die Kontrolle und Steuerung des IT-Dienstleisters verantwortet ein Sourcing-Team mit sieben IT-Experten. Die Abläufe innerhalb dieser Abteilung sind mit den Prozessen des Service-Providers stark integriert und folgen der IT Infrastructure Library (Itil).

Während der Manager Ziele und Rahmenbedingungen mit dem IT-Dienstleister aushandeln kann, muss er die Wissenschaftler von den Vorteilen einer standardisierten Umgebung immer wieder überzeugen. Das ist keine einfache Aufgabe, zumal die Institute von Seiten ihrer Auftraggeber oft Lösungen aufgezwungen bekommen, die Synergien im DLR verhindern. Ein Ziel ist es hier, dass sich die Vorteile einer Standardlösung auch in den Rechnungen über IT-Leistungen niederschlagen.

Mehr Flexibilität

So gelingt es immer häufiger, auch die Auftraggeber ins Boot zu holen. Während die verteilten Forschungseinrichtungen natürlich eine auf ihre jeweilige Projektsituation zugeschnittene IT anstreben, muss Popp die Anforderungen des gesamten DLR im Auge behalten. "Wir unterliegen Strukturanpassungen wie ein privatwirtschaftliches Unternehmen, denn Institute werden neu gegründet, umstrukturiert und passen ihr Portfolio dem Forschungsmarkt an", schildert er die Herausforderung. "Außerdem müssen wir oft sehr schnell reagieren, wie etwa nach der Tsunami-Katastrophe in Asien. Dazu brauchen wir eine entsprechend gut integrierte IT-Infrastruktur."

Zentrale Sponsoring

Popp versucht mit seinem strategischen CIO-Budget darauf Einfluss zu nehmen. Mit Hilfe eines "zentralen Sponsorings" fördert er die Nutzung einheitlicher IT-Installationen. Bei der Betreuung der Desktops wurden etwa unternehmens-, standort- und einrichtungsweite Standards definiert, deren Softwarekonfiguration die jeweiligen Bedürfnisse abdeckt. Den Preis für neu zu etablierende Leistungen drückt Popp, indem er sie mit dem eigenen Budget subventioniert. Nämliches führte für den Betrieb der Web-, FTP- und Mail-Services auf einem zentralen Blade-Center zum Erfolg. Die über die Jahre gewachsene Landschaft von mehreren hundert verschiedenen, durch die Institute teilweise noch in Eigenregie betriebenen Diensten wurden mit Mitteln aus dem CIO-Budget auf eine neue Plattform konsolidiert.

Gut vernetzt

Um jedoch nicht unsinnige Standards aus einer vom Tagesgeschäft entrückten Vogelperspektive zu definieren, vertraut der Manager auf ein unternehmensinternes IT-Manager-Netz. Jedes Institut hat einen eigenen IT-Verantwortlichen, aus diesem Kreis rekrutiert sich wiederum ein Standort-IT-Manager, der die Anforderungen aus den einzelnen Fachbereichen je Niederlassung sammelt und sie in das zentrale CIO-Panel trägt. In diesen regelmäßigen Sitzungen werden die vom Dienstleister gelieferten Services analysiert, Abweichungen erörtert und Probleme besprochen. Zudem einigt sich das Gremium auf notwendige Änderungen und diskutiert langfristige Serviceanpassungen, um den sich ändernden Anforderungen des DLR gerecht zu werden. Die gefällten Entscheidungen werden dann durch die Standort-IT-Manager wieder in der Peripherie umgesetzt. "In dieser Runde werden bereits konsolidierte Meinungen diskutiert. Damit laufe ich nicht Gefahr, einsame Entscheidungen zu treffen", schildert Popp. Umfragen unter Anwendern bestätigen ihn. Die Zufriedenheit mit der IT hat unter den kritischen Wissenschaftlern deutlich zugenommen.