Microsoft: "Linux ist Bedrohung Nummer eins"

IT-Industrie reagiert auf neuen Linux-Kernel

26.01.2001

Zum Auftakt des Linux-Launch gab es eine Überraschung vom Lieblingsfeind der Open-Source-Szene. Microsoft-President Steve Ballmer erklärte auf einer Konferenz der Bank Stanley Morgan Dean Witter: "Ich sehe im Phänomen Linux die Bedrohung Nummer eins."

Bisher hatte Ballmer - anders als Bill Gates - die Gefahr heruntergespielt. Doch der Anfang Januar erschienene neue Linux-Kernel birgt technische Eigenschaften (siehe CW 2/01, Seite 10), die entsprechend ausgerüstete Distributionen zu einer ernsten Konkurrenz für Unix-Derivate und Windows NT beziehungsweise 2000 machen könnten.

Microsofts Erzrivale Oracle hat umgehend reagiert. Die Firma erklärte, der Kernel eigne sich zur Verwendung mit dem "Application Server 9i" und der Datenbank "8i" und kündigte entsprechenden Support an. Man bekräftigte, Linux sei eine "Tier-one"-Plattform, also ein Betriebssystem der Wahl neben Solaris und HP-UX.

Bis es bei IBM mit 2.4-Linux ausgestattete Server (und PCs) gibt, dauert es noch etwa 60 bis 90 Tage, so Dan Frye, Direktor des Linux-Technology Center von IBM. Er erklärte, der Hersteller werde den Kernel schnellstens als Betriebssystem-Variante liefern. Allerdings müsse man auf entsprechende Disributionen von Suse, Caldera, Red Hat und Turbolinux warten, die Linuxe für IBM-Rechner erstellen. Frye: "Sie sind alle mit Tests beschäftigt. Sobald sie fertig sind, werden sie für IBM-Systeme erhältlich sein."

Auch Dell wartet auf seinen exklusiven Distributionspartner Red Hat. "Sobald der Kernel 2.4 in deren Linux-Distribution verfügbar ist, werden wir diese unseren Kunden anbieten", erklärt Dell-Sprecher David Graves. Konkurrent Gateway bietet zwar keine mit Linux vorkonfigurierten Systeme an, wird aber ebenfalls das neue Red-Hat-Linux im Rahmen des Programms "Custom Integration Services" bereitstellen.

Bei Hewlett-Packard, so erklärte Linux-Guru Bruce Perens, warte man auf die intern bevorzugte Variante Debian mit dem Kernel 2.4. HP werde Maschinen anbieten, die sich für die verbesserten SMP-Fähigkeiten (SMP = symmetrisches Multiprocessing) besonders eignen. Momentan gebe es noch keinen Beschluss, ein Linux für die HP9000-Superdome-Systeme herauszubringen, in denen bis zu 256 CPUs arbeiten. Aber das könne sich ändern, zumal HP-Ingenieure intensiv an den SMP-Entwicklungen für den neuen Kernel beteiligt gewesen seien.