IT-Hersteller drängen ins Wireless-Geschäft

21.10.2003
Von 
Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 
GENF (COMPUTERWOCHE) - Wireless-Geräte waren das beherrschende Thema der diesjährigen ITU Telecom World in Genf, der im Vierjahresrhythmus stattfindenden Leistungsschau der ITK-Industrie. Kaum ein Aussteller, der hierzu nicht neue Handys, PDAs oder Ideen zur Inhaltsverteilung präsentierte.

Lag der Fokus der letzten ITU Telecom World 1999 noch auf der Frage, wie der Anwender am besten einen breitbandigen Zugang zum globalen Netz bekommt, stand die Messe dieses Mal im Zeichen der mobilen Kommunikation: Wie sehen die Endgeräte aus? Setzen sich WLANs oder die Mobilfunknetze der dritten Generation als Transportmedium durch? Auf welche Weise erreichen den mobilen Nutzer die Daten?

Foto: Hill
Foto: Hill

Fragen, an deren Beantwortung sich auf der Genfer Messe die Geister schnell schieden. Zwar sieht die Branche, wie es beispielsweise Nick Jones, Research Vice President bei Gartner, formulierte, "mit den mobilen Endgeräten und der drahtlosen Kommunikation die radikalste Änderung der Informationssammlung und -verbreitung innerhalb eines Jahrzehnts auf die Industrie zukommen" - doch bereits bei der Definition der Endgeräte hört die Gemeinsamkeit auf.

Endgeräte mutieren zu Alleskönnern

Die Umwälzung erschließt sich erst auf den zweiten Blick. Oberflächlich unterschieden sich nämlich die in Genf präsentierten PDAs und Handys nur unwesentlich von ihren Vorgängern. So präsentierte Hewlett-Packard mit den Pocket PCs "4150" sowie "4350" zwei Minicomputer, die serienmäßig mit Bluetooth- und WLAN-Unterstützung aufwarten. Diese Funktionen konnte der Anwender aber schon nutzen, wenn er entsprechende Zusatzkarten erwarb. Dass die neue Generation der Kleinstcomputer jedoch mehr als die persönlichen Planungs-Tools der Vergangenheit umfasst, erfährt der potenzielle Benutzer erst zwischen den Zeilen, wenn HP etwa die Eignung seiner Geräte für Voice over IP (VoIP) bewirbt. Mit Hilfe von Zusatzsoftware mutiert der PDA zum Telefon und wird so zum Konkurrenten der Smartphones.

Diese entwickeln sich nämlich immer mehr zum multifunktionalen Tool, bei dem Kalenderfunktion, Internet-Browser sowie eingebaute Kamera mittlerweile zum Standard gehören. Während die europäischen Hersteller hier noch an der Integration von Ein-bis-Zwei-Megapixel-Kameras arbeiten, tüftelt die asiatische Konkurrenz bereits an Modellen mit einer Auflösung von drei bis vier Megapixeln. Die Handy-Kameras nehmen, wie die südkoreanische LG-Electronics demonstrierte, nicht nur Fotos für das Multimedia Messaging (MMS) auf, sondern bieten in den Mobilfunknetzen der dritten Generation bereits die Möglichkeit zu Videokonferenzen mit hochauflösenden Bildern. Sollten dann noch, wie verschiedentlich zu hören war, Schnittstellen für PC-Monitore oder Beamer im Handy Einzug halten, wären die Mobiltelefone eventuell eine Konkurrenz für klassische Konferenzsysteme.

Zwischen den Anbietern der bunten Benutzeroberflächen tobt, für den Benutzer nicht offensichtlich, zudem eine heftige Auseinandersetzung über Betriebssysteme und Plattformen für die Inhaltsverteilung (Content Delivery). So unternahm Microsoft auf der Telecom gemeinsam mit dem Mobilfunkbetreiber Orange einen erneuten Anlauf in Richtung Smartphones: Das Handy "SPV 200E" verwendet nun Windows Mobile 2003 als Softwareplattform. Neben Microsoft, Symbian und Palmsource versucht sich mittlerweile mit Qualcomm ein vierter Player als Betriebssystem-Lieferant zu etablieren.

Die Amerikaner, bisher hauptsächlich als Hersteller von CDMA-Chipsätzen bekannt, propagierten mit dem "Binary Runtime Environment for Wireless" (Brew) eine eigene Plattform für intelligente Mobiltelefone. Während Qualcomm selbst Brew eher verschämt als Hardware Abstraction Layer (HAL) oder Application Programming Interface (API) bezeichnet, sehen Branchenkenner darin durchaus ein Betriebssystem und werten die Aktivitäten des Herstellers als Angriff auf Symbian und Co.

Mit Softwaremodulen zum flexiblen Handy

Hinter Brew verbirgt sich die Idee, nicht mehr von vornherein alle Funktionen in ein Handy zu packen, sondern diese in Form von Softwaremodulen zum Download bereitzustellen. Laut Irwin Jacobs, Chairman und CEO von Qualcomm, eröffnet dies Carriern die Möglichkeit, die Benutzeroberfläche ihrer subventionierten Handys mit einer Art Corporate Identity zu versehen oder mit zusätzlichen, herunterladbaren Features mehr Umsatz zu generieren. Denkbar sind aber etwa auch ortsbezogene Services wie sie die Pariser Webraska Mobile Technologies in Verbindung mit GPS-Handys entwickelt hat.