IT-Gipfel: Merkels Aufbruchstimmung

19.12.2006
Auf dem IT-Gipfel wurde ein Zwölf-Punkte-Programm verabschiedet, um den IT-Standort Deutschland besser zu positionieren. Zudem will die Bundesregierung die IT-Branche mit 1,2 Milliarden Euro subventionieren.

Die Stimmung auf dem IT-Gipfel zu beurteilen, ist schwer. Thesen sind Thesen, und davon gab es in der Vergangenheit schon viele. Ob Politik, Wirtschaft und Wissenschaft diesmal Fakten schaffen, bleibt abzuwarten. Bemerkenswert aber scheint, dass der IT-Gipfel eine Aufbruchstimmung entfacht hat. Sie könnte die beschlossenen zwölf Programmpunkte voranbringen.

Weiterführende Links

Hightech-Strategie der Bundesregierung

http://www.bundesregierung. de/nn_1264/Content/DE/ Artikel/2006/08/2006-08-30-die-hightech-strategie.html

Hasso-Plattner-Institut http://www.hpi.uni-potsdam. de/index.htm

Interview mit Professor Scheer zum IT-Gipfel http://www.computerwoche.de/mittelstand/585060/

Das Zwölf-Punkte-Programm

Deutschland muss sich auf diejenigen Innovations- und Wachstumsthemen fokussieren, in denen es bereits stark ist, wo eine weltweite Marktführerschaft vorhanden oder möglich ist. Hierzu zählen Embedded Systems, integrierte ITK-Services, das Zusammenspiel von Technik, Design und Kommunikation ("Digital Lifestyle") sowie neue Sicherheitstechniken. Es gilt, Cluster zu bilden, in denen kleine und mittelständische Unternehmen mit "Global Leaders" und der Wissenschaft zusammenarbeiten.

Mit dem bereits früher von Bundeskanzlerin Angela Merkel initiierten Programm "Informationsgesellschaft Deutschland 2010 (iD2010)" will die Bundesregierung die rechtlichen und technischen Rahmenbedingungen für die ITK-Branche gezielt verbessern, die Innovationspotentiale ausbauen und Investitionen stärken. Konkret wurden 1,2 Milliarden Euro ausgelobt, die der ITK-Branche in den kommenden drei Jahren bis 2009 zufließen werden.

Eher allgemein mutet das dritte Vorhaben an: Die Regierung Merkel will durch die Konvergenz von Sprache und Daten, von Festnetz und Mobilfunk sowie von Telekommunikation und Medien die sich bietenden Chancen besser nutzen. Hierzu sollen neue Dienste für Bürger und Unternehmen geschaffen werden.

Die vierte Forderung richtet sich gegen die Misere am (Aus-)Bildungsstandort Deutschland. Hier formulierten die Experten, dass Deutschland Top-Talente anziehen müsse, um in die Weltspitze zu gelangen. "Nur durch offensives Werben für den Standort Deutschland, angemessene Einreiseregelungen, mehr Stipendien und attraktive Lebens- und Arbeitsbedingungen" könne man die weltweit besten Köpfe für Deutschland gewinnen. Zudem muss die schulische Ausbildung gestärkt und insbesondere sollen Mädchen für die Informatik begeistert werden.

Ein größeres Engagement für E-Government soll eine Signalwirkung für den IT-Standort Deutschland entfalten. Hier belegt Deutschland im europaweiten Vergleich nur einen Mittelplatz. Die Bundesregierung will erreichen, dass bis 2012 Transaktionen zwischen öffentlicher Verwaltung und Wirtschaft nur noch elektronisch abgewickelt werden sollen. Außerdem soll es eine bundesweit einheitliche Servicerufnummer (115) geben, wo Bürger um Hilfe bei der Nutzung öffentlicher Dienstleistungen bitten können. Im Zuge der Föderalismusreform wird zudem geprüft, welche IT-Aufgaben auf Bundes- und Landesebene gemeinschaftlich erledigt werden können.

Ferner will die Bundesregierung zunächst drei so genannte Leuchtturmprojekte als beispielhaft vorantreiben. "Theseus" ist ein Suchtechnologien-Projekt für das Internet, das unter dem Namen "Quaero" ursprünglich von Deutschen und Franzosen gemeinsam verfolgt wurde. Im Rahmen einer Public Private Partnership wollten beide Länder rund 400 Millionen Euro in Quaero investieren und auch Privatfirmen in das Vorhaben involvieren. Offensichtlich lief aber die Zusammenarbeit zwischen Deutschen und Franzosen nicht reibungslos. Allerdings werde man nicht alle Brücken abbrechen, sagte Hartmut Schauerte, parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, auf dem IT-Gipfel.

Ein weiteres Leuchtturmprojekt ist "E-Energy". Dahinter verbergen sich Energiekonzepte, die im Zusammenhang mit der ITK-Branche entwickelt werden sollen. SAP-Chef Henning Kagermann hatte bei seiner Ansprache darauf verwiesen, dass ITK-Unternehmen einen erheblichen Energiebedarf hätten. Es sei ein Fehler gewesen, sich vom Atomstrom zu verabschieden. Schon auf ihrer Eröffnungsrede zur CeBIT 2006 hatte zudem Bundeskanzlerin Merkel auf die RFID-Technik (= Radio Frequency Identification = elektronische Funketiketten) als Zukunftsthema verwiesen. Auch sie gilt als Leuchtturmprojekt.

Ein Vorhaben, das allgemein erwartet und von Wirtschaftskreisen gefordert worden war, wurde nicht beschlossen: die Etablierung eines CIOs, der bundesweit zuständig ist. Einige Bundesländer haben solch einen koordinierenden IT-Verantwortlichen benannt. Hierzu gab es allerdings auf dem IT-Gipfel keine Stellungnahme von der Kanzlerin. Allerdings konzediert die Bundesregierung, dass "ein professionelles Management von Großprojekten, eine effektive Umsetzungsorganisation und ausreichende Ressourcen für die Projektsteuerung" erforderlich seien. Deshalb sollen zentrale IT-Verantwortliche in den Bundesministerien benannt werden. Zudem werde man die IT-Strategie und -Architektur der Bundesverwaltung stärker als bisher in der Bundesregierung bündeln und koordinieren. Merkel beauftragte die Bundesminister Wolfgang Schäuble (Inneres) und Peer Steinbrück (Finanzen) mit der Erarbeitung eines entsprechenden Konzepts.

In dem achten Programmpunkt richtet sich die Aufmerksamkeit der Regierung auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit von kleinen und mittelständischen Unternehmen aus Deutschland. Diese ist zunehmend von modernen ITK-Systemen und -Anwendungen abhängig. Um den Erfolg im internationalen Vergleich zu fördern, sind anwenderorientierte und auf die spezifischen Bedürfnisse von kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMUs) zugeschnittene ITK-Lösungen nötig. Die Bundesregierung will diesbezüglich den raschen Transfer von Innovationen unterstützen und den Zugang von KMUs zu staatlicher Forschungsförderung erleichtern.

Ein weiterer Ansatz, Deutschland in Sachen IT-Standort Prominenz zu verleihen, ist das Thema E-Health. Neben dem Aufbau einer Telematik-Plattform im Gesundheitswesen soll ein Masterplan "E-Health für Nutzung und Anwendung von ITK im integrierten Gesundheitsmarkt" die elektronische Abwicklung aller Dienstleistungen im Gesundheitswesen fördern. Die Einführung der Gesundheitskarte und in diesem Zusammenhang die Vernetzung von Ärzten, Krankenkassen, Apotheken und Patienten kann aus Sicht des Bitkom allerdings nur ein erster Schritt sein. "Die Gesundheitskarte entfaltet ihre Wirkung nur, wenn sie um Funktionen wie die elektronische Patientenakte ergänzt wird. Dafür muss der Gesetzgeber die Voraussetzung schaffen", sagte Willi Berchtold, Präsident des Bundesverbands Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (Bitkom).

Ein wesentlicher Programmpunkt auf dem IT-Gipfel war die Sicherheit der Nutzung des Internet. Hier wurde betont, dass mit der Gründung des Vereins "Deutschland sicher im Netz" eine produktneutrale Plattform geschaffen worden sei. Der Bundesinnenminister soll die Schirmherrschaft über den Verein übernehmen, so der Beschluss. 13 Partner aus Gesellschaft, Politik und Wirtschaft hatten am 31. Januar 2005 die Initiative "Deutschland sicher im Netz" für mehr Online-Sicherheit gestartet.

Geplant ist auch, die Serviceleistungen von Call-Centern zu verbessern und damit den Kundennutzen und Verbraucherschutz zu verstärken. Etwas schwammig formulierten die Gipfelteil- nehmer, dies ließe sich durch eine Qualitätsoffensive erzielen. Konkret ist hingegen das Ziel, ein Qualitätssiegel für Call-Center zu vergeben.

Last, but not least will die Regierung weitere gemeinsame IT-Referenzprojekte entwerfen, die eine sichtbare Modernisierungs- und damit wohl auch Signalwirkung entfalten sollen. Dazu gehöre auch eine stärkere Fokussierung der Außenwirtschaftsförderung und des Marketing auf den ITK-Standort Deutschland.