IT-Gipfel 2011: Der Politik fehlt eine Vision

09.12.2011
Spitzenpolitiker waren auf dem IT-Gipfel in der Münchner Messe reichlich zu finden. Was fehlte, war die richtungsweisende Botschaft. Wie meistens ging es um Breitbandtechnik, Fachkräftemangel und Datensicherheit.

Am unterhaltsamsten waren noch die Einführungsreden von Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) und dem bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU). Letzterer fungierte quasi als Hausherr des IT-Gipfels. In einer launigen Rede pries er allerdings vorzugsweise die Tugenden der Bayern und ihres Freistaats. Das Alpenvolk sei streitbar, aber vor allem auch smart - Seehofer hangelte sich am Laptop-und-Lederhosen-Bild entlang, das bereits 1998 Roman Herzog geprägt hatte. Zur komplexen ITK-Materie hielt sich der Ministerpräsident lieber im Ungefähren.

Nicht viel spektakulärer fiel der Auftritt Röslers aus, der sagte, dass heutzutage nichts mehr gehe ohne ITK. Diesen nicht allzu gewagten Gedanken garnierte er immerhin mit einem Seitenhieb auf seinen in der ersten Reihe sitzenden Parteifreund, den Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr. "Bei der Gesundheitskarte gibt es noch einiges zu tun", wies Rösler den Kollegen zurecht. Das Publikum dankte es mit freundlichem Schmunzeln.

Rösler: "Es gibt viel zu tun"

Dann resümierte Rösler in seiner Funktion als Chef des für den Gipfel verantwortlichen Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi) die Erfolge der Bundesregierung in Sachen deutscher ITK. So habe man sich vorgenommen, neue Arbeitsplätze in der Branche zu schaffen. 10.000 neue Jobs seien entstanden, das sei als Erfolg zu werten. 30.000 sind das angepeilte Ziel.

Auch in der Breitbandtechnologie "sind wir vorangekommen". Die Zielsetzung ist dabei durchaus ehrgeizig. Nach den Vorgaben des novellierten Telekommunikationsgesetzes (TKG), das vom Bundestag verabschiedet ist, aber noch noch den Bundesrat passieren muss, soll bis 2015, spätestens jedoch bis 2018, möglichst eine flächendeckende Verfügbarkeit von Breitbandanschlüssen mit mindestens 50 Mbit/s realisiert sein. Laut Rösler sind bislang 41 Prozent erreicht. Der Teufel steckt allerdings für Telco-Anbieter in den Kosten.

Teurer Ausbau der Netze

Kein Wunder, dass sich Telekom-Chef René Obermann in der hochkarätig besetzten Podiumsdiskussion zum Gipfel veranlasst sah, hierzu Stellung zu nehmen. Obermann brachte seinen Unmut über den enormen Aufwand zum Ausdruck. Einen Haushalt mit einem solchen Highspeed-Zugang zu versorgen koste1200 bis 1500 Euro. Vor dem Hintergrund solcher Investitionen seien die Preise für Internet-Pakete, wie sie heutzutage üblich sind, viel zu niedrig. Es könne auch nicht angehen, die Netzbetreiber mit strengen Regulierungsvorgaben zu drangsalieren, gleichzeitig aber Milliardeninvestitionen von ihnen zu verlangen.

Der Vorhang zu und alle Fragen ...

Ansonsten verloren sich die Diskussionen auf dem IT-Gipfel eher in Allgemeinplätzen. Die für die ITK-Branche und die Anwenderunternehmen brisanten Themen wie Cloud Computing und damit verbundene Sicherheitsdebatten wurden immer wieder gestreift, ohne dass es zu konkreten Lösungsvorschlägen gekommen wäre. Bei-spiel Rösler: "Beim Cloud Computing ist das Thema Datensicherheit von entscheidender Bedeutung. Jeder Privatnutzer hat hier bei der Internet-Nutzung ein ungutes Gefühl."

Das gilt wohl auch für die meisten Unternehmen, die nicht wissen, wo in der Cloud ihre vertraulichen Daten gelagert werden und wer auf sie zugreifen kann. Diese auch rechtlich relevanten Themen wurden umschifft. Genau hier erwarten sich aber Unternehmen Antworten von der Politik. Näheres soll eine EU-Verordnung regeln.

Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner nutzte den Gipfel, um Firmen wie Facebook, Apple und Google wegen ihrer laxen Privacy-Richtlinien zu attackieren. Immer wieder werde gegen das von der EU und den USA ausgehandelte Safe-Harbor-Abkommen verstoßen, das die Übernittlung personenbezogener Daten regeln soll. Aigner sieht Wettbewerbsnachteile für die Europäer, die sich an geltendes Datenschutzrecht hielten, während US-Unternehmen sich mit Verstößen einen Wettbewerbsvorsprung verschaffen könnten.

von Jan-Bernd Meyer