Zukunft der Dienstleistungstochter SBS bleibt ungewiss

IT-Geschäft von Siemens stagniert

06.08.2004

Das Management des Elektronikriesen konnte sich vergangene Woche nach der Veröffentlichung der Zahlen für das dritte Fiskalquartal 2004 (Ende: 30. Juni) über eine gute Presse freuen. Kein Wunder, denn die Performance des gesamten Konzerns überzeugt; Umsatz, operatives Ergebnis und Gewinnmarge liegen nach Abschluss von neun Monaten des laufenden Geschäftsjahres weit über den Erwartungen der Analysten. Außer den Qualitätsproblemen beim neuen Straßenbahntyp "Combino", die dem Geschäftsgebiet Verkehrstechnik in der jüngsten Berichtsperiode tiefrote Zahlen bescherten, scheint bei den Münchnern alles nach Plan zu verlaufen. Bei näherem Hinsehen zeigt sich aber vor allem in den IT-Sparten des Konzerns unverändert großer Handlungsbedarf.

ICN seit vier Quartalen profitabel

So meldete der Bereich Information and Communication Networks (ICN) im dritten Quartal einen Umsatz von 1,67 Milliarden Euro, was einem Minus von einem Prozent gegenüber dem Vergleichsquartal des Vorjahres entspricht. Rund 816 Millionen Euro trug das Geschäft mit Carrier Networks zu den Einnahmen bei, knapp 860 Millionen Euro wurden mit Equipment für Firmennetze erwirtschaftet. Unter dem Strich kam dabei insgesamt ein operatives Ergebnis von 51 Millionen Euro heraus, nachdem im dritten Quartal 2003 noch ein Verlust in Höhe von 125 Millionen Euro angefallen war.

Entscheidend dürfte aber ein anderer Trend sein: Dank einer umfassenden Restrukturierung und der Streichung Tausender von Arbeitsplätzen ist ICN bereits das vierte Quartal in Folge wieder profitabel, doch die Umsatzentwicklung bleibt konstant rückläufig. Letzteres ist umso bemerkenswerter, als es im TK-Sektor Wettbewerbern wie Lucent Technologies, Ericsson und Alcatel zuletzt gelungen war, besser aus der Konsolidierungsphase herauszukommen und zum Teil wieder deutliche Umsatzzuwächse zu verbuchen. Im Bereich Enterprise Networks zeigen die jüngsten Bilanzen von dortigen Siemens-Konkurrenten wie Cisco und Juniper Networks ohnehin, dass die Firmenkunden wieder investieren.

Wenig zufrieden stellend sind auch die jüngsten Ergebnisse des Bereichs Information and Communication Mobile (ICM). Zwar konnte Siemens den Umsatz mit Mobilfunknetzen und Mobiltelefonen gegenüber dem vergleichbaren Vorjahreszeitraum um 13 Prozent auf 2,44 Milliarden Euro erhöhen, wobei ein operativer Gewinn von 64 Millionen Euro übrig blieb. Doch die Handy-Sparte sorgte für eine böse Überraschung: Trotz der von 8,1 auf 10,4 Millionen gestiegenen Verkaufszahl entstand hier ein operativer Verlust von 88 Millionen Euro. Vorstandsvorsitzender Heinrich von Pierer führte dies in einer Analystenkonferenz auf den "intensiven Wettbewerb" und den deshalb kontinuierlich sinkenden durchschnittlichen Verkaufspreis pro Handy zurück. Gleichzeitig habe der Modellwechsel von der Generation "55" zum Typ "65" einen noch höheren Absatz von Geräten verhindert.

Grundsätzlich zeigte sich von Pierer überzeugt, dass sich durch die Anfang Juli angekündigte Zusammenlegung der beiden Sparten ICN und ICM zum neuen Konzernbereich Siemens Communications mit Beginn des Geschäftsjahres 2005 "erhebliche Synergiepotenziale" ergeben. Vor allem könne man der Nachfrage nach konvergenten Lösungen besser Rechnung tragen. Nähere Details nannte der Siemens-Chef nicht. Das entsprechende Budget werde vermutlich erst im November dem Aufsichtsrat zur Genehmigung vorgelegt, hieß es. Das dürfte ein Beleg dafür sein, dass diese strategische Maßnahme erst in den letzten Wochen unter der Ägide des designierten neuen Vorstandsvorsitzenden Klaus Kleinfeld beschlossen wurde.

An der Handy-Sparte wird festgehalten

Insider gehen davon aus, dass der Siemens-Vorstand von Lothar Pauly, der ab Oktober als neuer Spartenchef von Siemens Communications fungiert, Einsparungen in dreistelliger Millionenhöhe erwartet. Zudem muss der frühere ICM-Manager, dessen Berufung wie alle übrigen Personalwechsel im Vorstand inzwischen vom Aufsichtsrat abgesegnet wurde, endlich die vorgegebene Gewinnmarge von mindestens acht Prozent erreichen, ein Rezept gegen die Wachstumsschwäche im Netzausrüstergeschäft finden und für eine schlüssige Produktstrategie im Handy-Markt sorgen. Spekulationen zufolge denkt Siemens bei der Handy-Produktion unter anderem über ein Joint Venture mit dem chinesischen Kooperationspartner Ningbo Bird nach. Pauly selbst hat Anfang dieser Woche vor Journalisten betont, dass der Konzern an seiner Handy-Sparte festhalten wird. Man löse die dortigen Probleme "aus eigener Kraft". Im Hinblick auf die Fusion von ICN und ICM kündigte er den begrenzten Abbau von Arbeitsplätzen in "Stabsstellen" an.

Ungewisser denn je scheint indes die Zukunft des IT-Dienstleisters SBS. Die Siemens-Tochter lieferte in der jüngsten Berichtsperiode mit einem operativen Verlust von zwei Millionen Euro einmal mehr ein enttäuschendes Ergebnis ab, der Umsatz ging gegenüber dem dritten Quartal 2003 um elf Prozent auf 1,14 Milliarden Euro zurück. In der Siemens-Erklärung zur Quartalsbilanz ist kühl von "Verzögerungen bei der Umsetzung von Kapazitätsanpassungen" die Rede. Diese seien neben dem anhaltenden Preisdruck im IT-Servicemarkt für das schwache Abschneiden ausschlaggebend gewesen. Auch Konzernchef von Pierer gab sich einsilbig. Der neu berufene SBS-Vorstand Adrian von Hammerstein sei mit der Ausarbeitung einer Strategie beauftragt worden, diese werde im November dem Aufsichtsrat präsentiert. Grundsätzlich sei es, so von Pierer, nicht ausgeschlossen, dass es "für SBS weiterhin eine profitable Nische innerhalb des Konzerns gibt". (gh)

Was wird aus SBS?

Firmennahen Quellen zufolge ist über die sich am ehesten anbietenden Alternativen für SBS - Auflösung beziehungsweise Wiedereingliederung in den Konzern oder Einbringung in ein Joint Venture mit einem größeren Partner - noch nicht entschieden. Entsprechend verunsichert und zum Teil demotiviert sei die Mannschaft, der schwierige Markt trage den Rest zu den schlechten Geschäftsergebnissen von SBS bei, heißt es. Christophe Chalons, Geschäftsführer der Marktforschungsgesellschaft Pierre Audoin Consultants (PAC), hält es dennoch nicht für völlig abwegig, dass die Münchner ihre IT-Dienstleistungstochter wieder stärken und weiterhin autark betreiben. Immerhin konnten zuletzt im Ausland einige große Outsourcing-Projekte gewonnen werden, und auch in Deutschland liege SBS bei einigen Ausschreibungen in den Bereichen Finanzdienstleister und öffentliche Hand gut im Rennen.

Abb: Kaum Wachstum in Sicht

Kein Ruhmesblatt: Die künftig aus den Bereichen ICN und ICM bestehende Sparte Siemens Communications tritt aufgrund des schwachen Netzwerkgeschäfts bei der Umsatzentwicklung auf der Stelle. SBS ist und bleibt ein Sanierungsfall. Quelle: Siemens AG