Vorstände sind mit ihrer Geduld am Ende

IT-Frust beschleunigt den Outsourcing-Trend

08.03.2002
GELSENKIRCHEN (CW) - Wer sich für Outsourcing entscheidet, hofft auf geringere Kosten, mehr Flexibilität in Veränderungsprozessen und zusätzliche Effizienz im Kerngeschäft. Doch das ist nur die halbe Wahrheit: Viele Vorstände halten ihre IT schlicht für unproduktiv und wollen sie sanieren oder loswerden.

Was Eberhard Schott den IT-Anwendern im Konferenzbereich der neuen Schalke-Arena zu sagen hatte, dürfte nicht allen gefallen haben: "Es gibt in vielen Unternehmen ein hohes Potenzial an Unzufriedenheit mit der eigenen IT." Zeit- und Budgetüberschreitungen seien in Projekten eher die Regel als die Ausnahme, oft wichen die Verantwortlichen erheblich von den ursprünglichen Zielen ab. Auch deshalb gewinne der Outsourcing-Zug an Fahrt, analysierte der Consultant auf einer Veranstaltung von Hewlett-Packard.

Der Geschäftsführer des Mainzer Beratungshauses Eracon AG, eines Spinoffs von CSC Ploenzke, nahm kein Blatt vor den Mund. Es sei zwar statthaft, wenn IT-Verantwortliche die Unzufriedenheit der Vorstände mit ihrer Arbeit einem Mangel an Selbstvermarktung zuschrieben, aber in den meisten Fällen doch zu kurz gegriffen. Insbesondere das teure Jahr-2000-Problem hätten viele Geschäftsführer ihren IT-Shops übel genommen. Laut Schott verstehen sie nicht, warum ihr IT-Bereich über Nacht zu einem Sanierungsfall geworden ist.

Es fehlt die ServicementalitätWachsender Unmut, so zeigte der Vortrag, entsteht zudem, weil Geschäftsführer und IT-Manager noch immer keine gemeinsame Sprache gefunden haben und die Servicementalität vieler IT-Bereiche nach wie vor unzureichend ist. All das bereitet den Nährboden für Outsourcing-Entscheidungen, für die es dann nur noch eines konkreten Auslösers bedarf. Ein solcher könnte beispielsweise das Interesse an der Neueinführung einer teuren und innovativen IT- oder Kommunikationslösung sein, für die es intern keine Ressourcen gibt. Größere organisatorische Veränderung geben ebenfalls häufig die Initialzündung - etwa die Integration eines zugekauften Unternehmens, die Einbindung von Geschäftspartnern oder eine modifizierte Ablauforganisation.

Die Entscheidung vieler Unternehmen, einen Chief Information Officer (CIO) auf Vorstandsebene zu etablieren, beschleunigt den Outsourcing-Trend weiter. "Der CIO verantwortet nicht zwingend auch die internen IT-Ressourcen. Das verändert seinen Blick erheblich", so der Eracon-Chef. Aus der Vogelperspektive des Vorstands kann er unbefangen urteilen, und er hat im Gegensatz zu manchen langjährigen IT-Managern weniger Probleme damit, sich von Teilen der IT zu trennen.

Wichtig bei Outsourcing-Verträgen ist eine faire Ausstiegsklausel. "Wenn es die gibt, wird der Vertrag wahrscheinlich halten", berichtet Schott aus seiner Erfahrung. Der Anbieter wisse, dass er den Kunden nicht beliebig melken könne, so dass dieser eine bessere Verhandlungsposition erhalte. Im Gegenzug sollte der Kunde nicht versuchen, den Dienstleister "auszupressen". Zu ambitionierte Kostenziele sind kontraproduktiv, weil irgendwann der Punkt erreicht ist, an dem sich die Leistungen verschlechtern. Das lässt sich auch mit einem ausgefeilten Vertrag nicht abfangen. "Ich war an einem Konvolut beteiligt, das 80000 Seiten umfasst hat", berichtet der Eracon-Mann. "Den größten Gewinn hat der Copyshop gemacht. Heute schaut niemand mehr in den Vertrag. Er ist nicht der Kern des Geschäfts - und dasselbe gilt für den Preis."

Obwohl auch in Deutschland die Outsourcing-Lawine langsam ins Rollen kommt, gibt es erhebliche Unterschiede zu anderen Ländern. Beispielsweise stellt sich die Mitarbeiterübernahme aufgrund bestehender Schutz- und Mitbestimmungsrechte schwieriger dar als anderswo. Darüber hinaus ist das Verhältnis zwischen Management, Arbeitnehmern und Betriebsräten hierzulande traditionell eng, was eine Abspaltung einzelner Bereiche behindert. Man fürchtet die massiven Veränderungen, die ein Outsourcing nach sich ziehen kann. Die verbliebenen Mitarbeiter fragen sich laut Schott: "Ist das noch mein Unternehmen" - davor hätten die Geschäftsführer zu Recht Angst.

Unruhe ist unvermeidlichOutsourcing bringt immer Unruhe in ein Unternehmen. Verantwortlich dafür ist der meist lange Prozess von der Entscheidung bis zur tatsächlichen Übernahme. Weil die Informationspolitik während des Ausschreibungs- und Abstimmungsprozesses nur zurückhaltend sein kann, kann es zu heftigen Emotionen unter den Mitarbeitern kommen.

Die schlechte Stimmung kann sich rächen. Unternehmen, die sich für Outsourcing entscheiden, bleiben zum Teil von dem IT-Personal abhängig, das ihnen nun nicht mehr wohlgesonnen ist. Im schlimmsten Fall kann es zu Racheakten kommen. Wer glaubt, diesen Problemen zu entgehen, indem er lieber auf Joint Ventures mit einem IT-Partner oder auf die Ausgliederung der IT in eine 100-prozentige Tochter, die eigenständige "Informatik GmbH", setzt, irrt sich nach Ansicht von Schott. Auch hier komme es zu einer Vielzahl von Problemen, die auf organisatorische Neuerungen und fehlendes Serviceverständnis zurückzuführen seien.

"Retain-Organisation" sorgfältig aufbauenSchott schloss seinen Vortrag mit einigen praktischen Empfehlungen. Das Gelingen einer jeden IT-Neuorganisation hängt demnach maßgeblich davon ab, ob der Bereich erfolgreich zu einer Serviceorganisation gewandelt werden konnte. Nur dann gelingt es, die IT als selbständige Einheit zu betreiben - egal ob im eigenen Unternehmen oder beim Outsourcer. Wichtig ist ferner, sich mit dem Dienstleister der Wahl zusammenzusetzen, sobald eine Entscheidung gefällt ist. Die Erfahreneren unter ihnen könnten auf erprobte Prozesse zurückgreifen und seien daher Spezialisten nicht nur was die Transformation der IT angehe, sondern auch darin, wie der mentale Wandel zu bewerkstelligen sei.

Nicht nur die Vorbereitungs- und Transformationsphase, so Schott weiter, sondern auch hinterher die Beziehung zum Dienstleister ist sorgfältig zu managen. Man müsse sich sehr genau überlegen, wie man die "Retain-Organisation" aufbaue. Laut Schott ist es ein Fehler, dafür die alten und verdienten Mitarbeiter aus dem gehobenen IT-Management auszuwählen, die ihre Aufgabe oft darin sähen, dem Dienstleister das Leben schwer zu machen. "Outsourcing steht und fällt mit dem Engagement des IT-Managements - und das ist von den Dinos oft nicht zu haben."

Was die Kommunikation mit den Mitarbeitern angeht, riet der Outsourcing-Spezialist zu größtmöglicher Offenheit. Auf der Veranstaltung erhielt der Berater in diesem Punkt Unterstützung von HP-Geschäftsführer Heribert Schmitz, der aus der praktischen Erfahrung heraus empfiehlt, die Mitarbeitervertretungen von Kunde und IT-Dienstleister möglichst frühzeitig zusammenzubringen. Ängste könnten so genommen werden, der mentale Wandel falle den Betroffenen leichter. (hv)

HP als OutsourcerHewlett-Packard will sich im Outsourcing-Markt künftig an den ersten Adressen IBM und EDS messen. Das Unternehmen rührt deshalb die Marketing-Trommel, um internationale Großkunden zu überzeugen. Zum Teil ist das auch schon gelungen, wie Jens Bohlen, Direktor HP Operations, mitteilt.

Mit Nokia beispielsweise unterhält HP ein Abkommen über vorerst drei Jahre, dessen Wert mit 260 Millionen Dollar beziffert wird. HP übernimmt 342 Mitarbeiter, betreibt zahlreiche Rechenzentren und führt für 60000 weltweite Benutzer Groupware- und Messaging-Software sowie File- und Print-Services ein. Die Kosteneinsparungen für die Finnen sollen bei 25 Prozent liegen.

Hierzulande zählt der Finanzdienstleister MLP AG zu den Großkunden. HP baut für das im Dax notierte Unternehmen eine europaweite IT-Organisation auf, betreibt die IT-Infrastruktur inklusive Notes, Netzwerke und Helpdesk und implementiert die Banking- und Brokerage-Programme sowie die SAP-R/3-Infrastruktur.

Zu den Großkunden zählt ferner der Konsumgüterproduzent Sara Lee, für den HP die europäischen Geschäftsprozesse harmonisieren, Legacy-Systeme durch eine R/3-Client-Server-Umgebung ablösen und eine IT-Serviceorganisation aufbauen soll. HP wird die europäische IT-Infrastruktur mit mehr als 6500 PCs und rund 300 Servern betreiben, das Application Management in die Hand nehmen und 150 IT-Angestellte übernehmen. Sara Lee soll nach HP-Angaben binnen der nächsten fünf Jahre Kosteneinsparungen in der IT von mehr als 35 Prozent erzielen.

Key-Accounts für HewlettPackards Outsourcing-Sparte HP Operations sind auch der weltweit größte Automobilzulieferer Delphi, der dem Partner den SAP-Betrieb anvertraut hat, und der Internet-Banker Security First Corp. Für diesen Kunden betreibt Hewlett-Packard ein Ausweichrechenzentrum.