Schwierige Auftragslage

IT-Freiberufler spüren die Krise

11.11.2009
Von 
Ina Hönicke ist freie Journalistin in München.

Achtung vor Kettengeschäften!

Ingo Glaser, Mitglied der Geschäftsführung bei der Geco Deutschland GmbH, sieht gute Chancen für Spezialisten, die sich mit Microsoft Dynamics oder Siebel, heute Oracle, auskennen. Glaser: "Je höher der Spezialisierungsgrad, desto mehr sind die Externen ausgelastet." Der Freelancer-Experte fürchtet indes, dass die Wirtschaftskrise eine ganz andere Gefahr für Freiberufler mit sich bringt: "Kettengeschäfte können dazu führen, dass Externe wirtschaftlich ausgebeutet werden." Obwohl es in der Branche eine Art Ehrenkodex gebe, dass zwischen Auftraggeber und Freiberufler maximal ein Vermittler stehen dürfe, würden sich nicht alle Vermittler daran halten. Aufgrund dieser schwarzen Schafe kann es laut Glaser passieren, dass der Freelancer als letztes Glied in der Kette ein deutlich reduziertes Honorar erhalte.

Der Geco-Vermittler rät Externen, darauf zu achten, den Vertrag immer direkt mit der Projektagentur abzuschließen, die sie an den Endkunden oder das Systemhaus vermittelt hat. Glaser: "Es darf nur zwei Verträge geben. Das kann sich der Consultant auch offenlegen lassen." Professionell geführte Unternehmen würden häufig Open Book Policies betreiben. Dazu gehöre die faire Bezahlung des Freelancers genauso wie die Transparenz der Honorare. Der Geco-Manager: "Gerade in Krisenzeiten muss der Consultant sehr aufmerksam sein. Den Letzten in der Kette beißen nämlich die Hunde."

Ein paar Schrammen hat die Wirtschaftslage auch bei der Sulzer GmbH, einer IT-Unternehmensberatung, bei der überproportional viele Freelancer tätig sind, hinterlassen. Da Sulzer viel für Automotive-Zulieferer arbeitet, ist der Druck groß. Geschäftsführer Albert Euba: "Es ist zu befürchten, dass die mittlerweile bereits gesunkenen Honorarsätze auch künftig niedrig bleiben werden." Allerdings sieht er die Existenz der Freiberufler nicht gefährdet. Euba: "Gerade für einen kurzfristigen Auftrag, der noch dazu ohne Folgeauftrag bleibt, sind Externe nun einmal die beste Lösung." Der Geschäftsführer rät Freelancern, die in einer wirtschaftlich angeschlagenen Branche tätig sind, einen Blick über den Tellerrand zu wagen. "Heutzutage ist Flexibilität gefragter denn je."

Die Stundensätze fallen

Wie aber erleben Betroffene die Krise? Während die einen überhaupt keine Rückschläge hinnehmen mussten, haben andere das ganze Jahr über noch kein einziges Projekt erhalten. Oliver Knittel, IT-Freelancer in der Versicherungsbranche, räumt ein: "Bei mir ist die Krise angekommen." Zwei Jahre lang hatte er zu den gleichen Konditionen gearbeitet. Jetzt verhandelte der Auftraggeber neu. Die Folge: verschlechterte Rahmenbedingungen sowie Kürzung des Stundensatzes. Knittel: "Früher erhielt ich die Mehrarbeit vergütet, in Zukunft werden nur acht Stunden pro Tag bezahlt. Wenn ich länger arbeite, ist das sozusagen mein Privatvergnügen."

Oliver Knittel musste sich selbst als 'IT-Freiberufler des Jahres' mit einem niedrigeren Stundensatz zufriedengeben.
Oliver Knittel musste sich selbst als 'IT-Freiberufler des Jahres' mit einem niedrigeren Stundensatz zufriedengeben.
Foto: Oliver Knittel

Letztlich hatte der Versicherungsexperte noch Glück. Sein Projekt wurde im Gegensatz zu anderen im Unternehmen nicht gestoppt. Auch wenn Knittel noch keine schriftliche Zusage erhalten hat, signalisierte ihm das Versicherungsunternehmen, dass es auch im kommenden Jahr an einer Zusammenarbeit interessiert sei. Knittel blickt einigermaßen positiv in die Zukunft. Er glaubt, dass das Schlimmste schon vorbei ist. Der Freelancer: "Ich möchte in der jetzigen Situation nicht nach neuen Aufträgen suchen müssen. Das stelle ich mir schwierig vor."

Kettenverträge

Bei der Vermittlung eines freiberuflichen IT-Experten in ein Kundenprojekt entsteht immer dann ein Kettengeschäft, wenn zwischen dem Freiberufler und dem Kunden mehr als eine vermittelnde Person oder Gesellschaft, typischerweise eine Projektagentur, stehen. Je mehr "Vermittler" in diese Kette eingebunden sind, desto niedriger fällt der Stundensatz für den Freiberufler aus, da alle an der Kette beteiligten Personen oder Unternehmen ein Stück der Marge für sich beanspruchen, der Kunde aber nur bereit ist, einen marktkonformen Preis zu zahlen. Der Freiberufler sollte deshalb darauf achten, dass er nur einen einzigen Vertrag hat, und zwar mit der Projektagentur, die ihrerseits den Vertrag mit dem Endkunden abschließt beziehungsweise die Kundenbeziehung unterhält.