IT-Freiberufler: Mit den richtigen Verträgen Geld und Ärger sparen

02.05.2007
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Simon Hülsbömer betreut als Senior Research Manager Studienprojekte in der Marktforschung von CIO, CSO und COMPUTERWOCHE. Zuvor entwickelte er Executive-Weiterbildungen und war rund zehn Jahre lang als (leitender) Redakteur tätig. Hier zeichnete er u.a. für die Themen IT-Sicherheit und Datenschutz verantwortlich.
Die Zahl der Fehler, die in Verträge mit Freiberuflern einfließen können, ist groß. Auf die unmissverständliche Formulierung kommt es an.

Schon die Art des Vertrags ist entscheidend für spätere Haftungsrisiken: Besonders für Software-Projekte, die von Unternehmen an IT-Freiberufler vergeben werden, bieten sich mehrere Alternativen an. Für den Auftragnehmer ist ein Dienstvertrag sinnvoll, für den Auftraggeber hingegen ein Werkvertrag. Der Unterschied: In einem Dienstvertrag verpflichtet sich der Freiberufler in der Regel nur dazu, eine bestimmte Tätigkeit zu verrichten – aber nicht dazu, dass am Ende auch ein funktionierendes Produkt vorliegt. Bei Werkverträgen hingegen ist der erfolgreiche Abschluss Voraussetzung für die Vertragserfüllung. Als Kompromiss lässt sich ein Mischvertrag abschließen, der Elemente aus beiden Formen aufweist.

Der Dienstvertrag und seine Rechtsfolgen

  • Der Auftragnehmer schuldet dem Auftraggeber kein funktionierendes Produkt, sondern nur die Tätigkeit – im IT-Bereich wird der Dienstvertrag oft zum Zweck der Hard- und Softwarewartung eingesetzt.

  • Der Auftragnehmer haftet nur bei Pflichtverletzungen im Rahmen dieser Tätigkeit, bei gänzlicher Nichterfüllung oder bei Verzug (§§ 280, 323 BGB). Für Produktmängel, die er nicht selbst verschuldet hat, ist er im Gegensatz zum Werkvertrag (siehe unten) nicht haftbar zu machen.

Der Werkvertrag und seine Rechtsfolgen

  • Der Auftragnehmer schuldet dem Auftraggeber ein funktionierendes Produkt.

  • Das fertige Produkt muss vom Auftraggeber explizit abgenommen werden.

  • Wird eine Frist zur Nacherfüllung vereinbart (ist in der Regel der Fall), gilt darüber hinaus folgendes:

  • Innerhalb der Verjährungsfrist (meistens zwei Jahre) festgestellte Mängel am Produkt muss der Auftragnehmer binnen einer vereinbarten Zeit beseitigen (§635 BGB), auch wenn er diese nicht selbst verschuldet hat (zum Beispiel bei Fehlern in einer umprogrammierten Drittanbieter-Software, die nachweislich schon vorher vorhanden waren). Er kann in diesem Fall den Hersteller des Ausgangsprodukts informieren und um Hilfestellung bitten, ist aber gegenüber seinem Auftraggeber selbst der Haftende.

  • Kommt er dieser Pflicht nach zweimaliger Aufforderung nicht oder nicht erfolgreich nach, darf der Auftraggeber selbst Veränderungen am Produkt vornehmen (§637 BGB). Wenn vertraglich explizit festgelegt, darf der Auftraggeber sie auch jederzeit ohne Einverständnis des Auftragnehmers vornehmen (zum Beispiel wenn vereinbart wurde, dass sämtliche Urheberrechte, soweit sie vormals beim Auftragnehmer lagen, unmittelbar mit der Fertigstellung/Abnahme des Produkts an den Auftraggeber fallen).

  • Alternativ kann der Auftraggeber nachträglich ganz vom Vertrag zurücktreten (§636 BGB) oder die Vergütung mindern (§638 BGB).

  • Wenn dem Auftragnehmer ein Verschulden an den Mängeln nachgewiesen werden kann, darf der Auftraggeber zudem zusätzlichen Schadenersatz einfordern (§§ 634, 636 BGB).

Lästig, aber unumgänglich: Das Pflichtenheft

Häufig ist vertraglich nicht genau festgelegt, wie ein Produkt später auszusehen und zu funktionieren hat. Ärgerlich ist es beispielsweise für Software-Programmierer, wenn der Auftraggeber während der Abnahmefrist nach Fertigstellung eines Programms neue grundlegende Änderungen beauftragt, die einen radikalen Eingriff in den Code erfordern. Wird die Software durch diese Neubearbeitung fehlerhaft, kann der Auftragnehmer auch für diese Mängel haftbar gemacht werden, weil solche nachträglichen Veränderungen im Hauptvertrag selten explizit geregelt sind. Darüber hinaus werden sie oft auch nicht bezahlt – der Auftragnehmer ist der Willkür seiner Kunden ausgesetzt. Daher ist es empfehlenswert, vor Projektbeginn ein Pflichtenheft anzufertigen, in dem alle geforderten Leistungen genau beschrieben werden. Das hilft auch dem Auftraggeber: Er kann sein Recht auf Nacherfüllung leichter geltend machen und eventuelle Schadenersatzforderungen stellen. Liegt bei schwammigen Verträgen kein oder kein sauber geführtes Pflichtenheft vor, schuldet der Auftragnehmer in der Regel ein Produkt, das "dem Stand der Technik bei mittlerem Ausführungsstandard" entspricht. Je nach Auftragslage und Auslegung des Vertrags kann das ein Vor- oder Nachteil für beide Vertragspartner sein. Ein detailliertes Pflichtenheft ist zwar oft lästig und bedeutet einen nicht unerheblichen Mehraufwand an Arbeitszeit und Kosten, kann in späteren Konfliktsituationen aber eine wertvolle Hilfe darstellen.

Mehr Informationen und Musterklauseln bei "7-it"

Zum Thema "Haftung bei IT-Projekten" hatte die Münchner IT-Genossenschaft "7-it" besonders Freiberufler in Software-Projekten zu ihrem monatlichen Forum im April eingeladen. Rechtsanwältin Natalie Wall von der international tätigen Kanzlei "Herfurth & Partner" informierte über die verschiedenen Vertragsarten, den aktuellen Rechtsstand und relevante Gerichtsurteile der Vergangenheit. Darüber hinaus gab sie Tipps und Hinweise zur Vertragsgestaltung.

Mehr Informationen über alle Vertragsarten und Mustertexte für Klauseln zur Haftungsbeschränkung finden sich in den Vortragsunterlagen von Rechtsanwältin Natalie Wall, die auf der Website von "7-it" zu finden sind.

Die Einsatzgebiete der verschiedenen Vertragstypen

Häufigstes Einsatzgebiet des Werkvertrags in der IT ist die Erstellung einer Individualsoftware – also einer Software, die nur für einen Kunden programmiert wird. Kommt das Programm hingegen in den öffentlichen Handel, ist es eine Standardsoftware und wird über Kauf- oder Mietverträge vertrieben. Der Dienstvertrag dagegen wird oft bei Software- und Hardware-Pflege verwendet. Je nach den Anforderungen der Vertragspartner ist aber auch ein Werkvertrag für diese Leistungen möglich. Meist sind Mischverträge, die Elemente aus mehreren Vertragsarten enthalten, die Regel – besonders bei komplexen IT-Projekten. Wenn eine Standardsoftware beispielsweise den Bedürfnissen eines Unternehmens angepasst werden muss und zusätzlich aufsetzende Frontends programmiert werden sollen, kommen die Vertragspartner um eine Verzahnung von Kauf- und Werkvertrag selten herum. Die meist ebenfalls eingeschlossene spätere Wartung des Programms verlangt dann oft noch Bestandteile eines Dienstvertrags.

Tipps zur Vertragsgestaltung für IT-Freiberufler

  • Fixtermine vermeiden: Keine Fixtermine für die Fertigstellung des Produkts oder von Teilleistungen festlegen – stattdessen voneinander abhängige, relative Fristen definieren (zum Beispiel: "zwei Monate nach Fertigstellung des Programmteils A ist Programmteil B fertigzustellen").

  • Keine Strafe bei Verzug: Vertragsstrafen, die durch Nichteinhaltung von Fristen (Verzug) entstehen, von vornherein ausschließen.

  • Keine Haftung für fahrlässiges Verschulden: Rein fahrlässiges Verschulden an Produktmängeln von der Haftbarkeit ausschließen – der Auftraggeber muss so ein vorsätzliches Verschulden nachweisen.

  • Passive Abnahme möglich: Die aktive Produktabnahme kann umgangen werden, indem eine passive Form der Abnahme in den Vertrag eingebaut wird (zum Beispiel: "beanstandet der Auftraggeber über vier Wochen nach Zugang des Produkts keine Mängel, gilt das Produkt als abgenommen"). Achtung: Eine angemessene Zeit für diese passive Abnahme festsetzen und nicht zu kurze Laufzeiten vereinbaren - vier Wochen sollten es schon sein.

  • Beginn der Verjährungsfrist: Die Verjährungsfrist (in der Regel zwei Jahre) für Mängelhaftung sollte explizit mit der Abnahme des Produkts beginnen.

  • Merkmale des Dienstvertrags einbauen: Soweit möglich, sollten Werkverträge wie Dienstverträge ausgestaltet und erfolgsgebundene Leistungsmerkmale ausgeschlossen werden (Beispiele: Die Leistung eines Helpdesks oder einer Hotline umfasst nur die Beratung, nicht die Fehlerbehebung selbst; eine Hardware-Wartung umfasst nur die üblicherweise notwendigen Maßnahmen zur Wiederherstellung der Betriebsbereitschaft, nicht die explizite Wiederherstellung selbst).

  • Kündigung: Im Falle eines Dienstvertrags sollte eine Vertragskündigung beiden Seiten jederzeit ohne weitergehende Ansprüche des Vertragspartners möglich sein.

Zusätzlich sinnvoll: Service-Level-Agreements

Ein beliebtes Einsatzgebiet für Mischverträge ist auch das häufig noch zusätzlich vereinbarte Service-Level-Agreement (SLA), das Verfügbarkeiten, Reaktions- und Wiederherstellungszeiten, den Umfang einzelner Services, Prozesse bei Störungen sowie Sanktionen bei Nichteinhaltung der Anbieterzusagen regelt. Ein SLA ist für den Auftragnehmer oft sinnvoll, weil es ihm mehr Sicherheit bringt – soll eine Individualsoftware beispielsweise über ein Unternehmensnetzwerk gewartet werden, muss das Netzwerk auch verfügbar sein. Ist das nicht der Fall, kann auch der Auftragnehmer von seinem Vertragspartner Entschädigungen einfordern oder sich zumindest gegen spätere Vorwürfe der Nichterfüllung seiner Pflichten wehren. Deshalb sollten beide Seiten auf klare und eindeutige Formulierungen in den SLA achten, alle Angaben genau mit dem Hauptvertrag abstimmen und nur das garantieren, was auch tatsächlich eingehalten und geleistet werden kann. Die Messbarkeit von Verfügbarkeiten (zum Beispiel der Erreichbarkeit eines Ansprechpartners im beauftragenden Unternehmen, einer Support-Hotline des Auftragnehmers oder auch eines beauftragten Web-Services) muss ebenso exakt geregelt sein wie die Zeit, in der ein Programm oder ein Gerät wiederhergestellt ist. Drohende Vertragsstrafen bei Nichteinhaltung von Zusagen sollten nach Möglichkeit ganz entfernt oder zumindest auf eventuelle Schadenersatzansprüche angerechnet werden können – so ist ein Auftragnehmer, der sich selbst nichts hat zu schulden kommen lassen, auf der sicheren Seite. Besonders bei Projekten, die sich über einen langen Zeitraum erstrecken, drohen im späteren Verlauf Streitigkeiten über mehrdeutige Vertragsklauseln oder vormals nicht ausgehandelte Punkte. Ein sauber formulierter Vertrag und ein eindeutiges SLA lassen es gar nicht erst soweit kommen.