IT-Firmen zahlen höhere Gehälter

22.11.2004
Zwischen 2,7 und 13,8 Prozent betragen die Gehaltserhöhungen, die Europas IT-Firmen 2005 ihren Mitarbeitern zukommen lassen wollen. In Deutschland soll im Schnitt 2,9 Prozent mehr bezahlt werden.

Der leichte Aufwärtstrend in der IT-Industrie dürfte sich im kommenden Jahr auch auf die Vergütung der Mitarbeiter in der IT-Industrie positiv auswirken. Die europaweite Towers-Perrin-Untersuchung über die Entwicklung der IT-Gehälter geht von Einkommenssteigerungen leicht über der Inflationsgrenze aus. Für Deutschland ermittelten die Berater unter den insgesamt 860 befragten Firmen ein Plus von rund 2,9 Prozent und damit einen ähnlichen Wert wie in Frankreich (drei Prozent) sowie England und Holland (3,1 Prozent), während die Schweiz (2,7 Prozent) und Österreich (2,5 Prozent) am unteren Ende der Skala anzutreffen sind.

Towers-Perrin-Vergütungsberater Dirk Ewert begründet die Steigerung unter anderem damit, dass viele Unternehmen ihre Umstrukturierung abgeschlossen haben und die Auftragsbücher wieder etwas besser gefüllt sind. Andere Firmen könnten es sich nach ein bis zwei Nullrunden nicht mehr leisten, "die Mitarbeiter weiter sauer zu fahren", wollen sie erfolgreich am Markt bleiben.

Mit prozentual höheren Zuwächsen als die Westeuropäer können die osteuropäischen Nachbarn rechnen. So dürfen sich die tschechischen Computerfachleute über eine Gehaltserhöhung von im Schnitt vier Prozent freuen, die Polen bekommen 4,4 Prozent mehr, die Ungarn fünf Prozent, die Slowaken 6,5 Prozent und die Rumänen 7,6 Prozent. Je näher die Länder an Westeuropa liegen und je stärker die IT-Industrie entwickelt ist, desto höher ist die Grundvergütung und desto niedriger fällt die Gehaltserhöhung aus, weiß Vergütungsexperte Ewert. Grundsätzlich beständen zwischen den westeuropäischen, zwischen west- und ost- und nochmals zwischen osteuropäischen Ländern große Gehaltsunterschiede.

In Westeuropa differierten zum Beispiel die Einstiegsgehälter deutlich. Während in der Schweiz ein Berufseinsteiger im Durchschnitt 47000 Euro verdient, in Deutschland auch noch über 40000 Euro kommt, müssen sich Spanier und Italiener mit 21000 bis 23000 Euro zufrieden geben. Für Ewert hängt Letzteres damit zusammen, dass sich in diesen südeuropäischen Ländern keine IT- und TK-Industrie mit großen europa- oder sogar weltweit aktiven Playern entwickelt hat.

TK- vor Softwareindustrie

Auch innerhalb Osteuropas lassen sich gravierende Differenzen ausmachen. Ewert zeigt das am Beispiel des Projektleiters. In Polen beträgt dessen Grundgehalt rund 26000 Euro, in Ungarn sind es zirka 23000 Euro, in der Tschechischen Republik 21000 Euro im Jahr. Die Slowaken müssen sich mit 14000 Euro zufrieden geben, die Rumänen oder ihre Kollegen weiter im Osten mit noch weniger. Zum Vergleich: In der Schweiz verdient ein Projektleiter etwa 85000 Euro im Jahr und in Deutschland 80000 Euro. Auffallend sei, dass der variable Anteil in allen osteuropäischen Ländern höher ist als in Westeuropa. Er macht auf der Ebene der Spezialisten zwischen zehn und zwölf Prozent aus und bei den Verkäufern bis zu 40 Prozent. Bis vor zwei Jahren war es in den osteuropäischen Unternehmen noch nicht Standard, mehr als zwölf Gehälter pro Jahr zu zahlen. Inzwischen sei dies durch Zusatzvereinbarungen, Prämien und Boni überholt, weiß Michael Schimmel, Geschäftsführer im East European Development Center von P&I in Bratislava (Slowakei).

Und noch ein Unterschied: IT-Industrie ist nicht gleich IT-Industrie. Die Towers-Perrin-Berater haben festgestellt, dass die Telekommunikationsindustrie in Europa in diesem und im nächsten Jahr höhere Gehaltszuwächse genehmigt als die Halbleiter- und die Software- und Servicebranche. So ergibt sich für die TK-Beschäftigten in England eine Erhöhung um 3,5 Prozent, für diejenigen aus der Halbleiter- und Softwareindustrie von drei Prozent. Ausnahmen bestätigen die Regel. In Deutschland sind Mitarbeiter der System- und Softwarehäuser vorn mit 3,1 Prozent, gefolgt von den Halbleiterexperten mit drei Prozent und den Telekommunikationsfachleuten mit 2,7 Prozent Plus.

Und noch etwas fällt auf: Das Topmanagement ist europaweit in diesen beiden Jahren am besten weggekommen - eine Entwicklung, die auch schon die computerwoche-Gehaltsstudie im Oktober dieses Jahres für Deutschland verdeutlichte. In Zahlen ausgedrückt: Die Gehaltserhöhung der obersten Chefs macht in Westeuropa im Durchschnitt 3,5 Prozent aus, das technische Personal liegt eher bei drei Prozent und die Produktionsbeschäftigten unter dieser magischen Grenze.

Druck auf Einkommen steigt

Die Statistik hat zwei Ausreißer ausgemacht: die Türkei nach oben und die Schweiz nach unten. So dürfen sich die Computerfachleute am Bosporus mit 13,8 Prozent über den höchsten Zuwachs in Europa freuen - auf dem Papier.

Die Realität sieht nämlich so aus, dass die Wirtschaftsexperten mit einer Inflation von 20 Prozent kalkulieren. Die Schweizer dagegen liefern gute Wirtschaftszahlen mit einer niedrigen Inflationsrate ab. Da sie in Europa seit Jahren die höchsten Gehälter zahlen, gestaltet sich der weitere Zuwachs nicht mehr so üppig. Zumal auch hier der Druck auf die Einkommen stark gestiegen ist, wie Ewert beobachtet. Die Firmen stellen zunehmend Mitarbeiter aus den Nachbarländern ein - beispielsweise aus Italien, was mittelfristig zu einem Angleich führen wird. u