IT-Firmen halten sich mit Übernahmen zurück

15.04.2003
Von 
Riem Sarsam war Redakteurin des CIO-Magazins.
MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Die Kauflust innerhalb der europäischen IT-Branche ist deutlich abgekühlt. Wie das Beratungsunternehmen Ernst & Young in einer Untersuchung herausfand, sank im vergangenen Jahr die Zahl der Übernahmen und Fusionen auf rund die Hälfte des Vorjahres.
Nicht in Kauflaune: Trotz gesunkener Bewertungen von Unternehmen ging die Zahl der Übernahmen und Fusionen in sämtlichen Bereichen der europäischen IT-Branche deutlich zurück. Quelle: Securities Data Company Inc., Ernst & Young
Nicht in Kauflaune: Trotz gesunkener Bewertungen von Unternehmen ging die Zahl der Übernahmen und Fusionen in sämtlichen Bereichen der europäischen IT-Branche deutlich zurück. Quelle: Securities Data Company Inc., Ernst & Young

Nur noch 949 Fusionen und Übernahmen, an denen europäische IT-Unternehmen beteiligt waren, wurden 2002 abgeschlossen, im Jahr zuvor waren es noch 1767. In Deutschland war dieser Rückgang noch stärker: Hier gingen die Transaktionen, an denen deutsche Unternehmen als Investoren oder Verkäufer beteiligt waren, um 52 Prozent auf 159 zurück. Die aktivsten Käufer innerhalb Europas waren britische IT-Unternehmen, die mit insgesamt 266 Transaktionen wie bereits im Vorjahr auf Platz eins der Liste stehen. Mit 117 Käufen im Jahr 2002 rückte Frankreich vor Deutschland, wo 97 Firmen akquiriert wurden, auf den zweiten Platz.

Auch was die Zahl der übernommenen IT-Firmen betrifft, steht Großbritannien an erster Stelle. Dort wurden im vergangenen Jahr 251 oder 30 Prozent der gesamten Käufe getätigt. In Deutschland wurden 135 Unternehmen übernommen, laut Ernst & Young um fast 50 Prozent weniger als im Vorjahr.

Was das transatlantische Kaufverhalten betrifft, bestand ein anhaltendes Interesse amerikanischer Investoren an europäischen Unternehmen. Insgesamt kauften 90 amerikanische Unternehmen europäische Firmen, was einem Rückgang um 22 Prozent entspricht. Dagegen brach die Zahl der europäischen Unternehmen, die in Amerika investierten, um fast 60 Prozent auf 51 Firmen ein. „Immer weniger europäische IT-Unternehmen wagen sich noch in die Vereinigten Staaten. Sie scheuen das Risiko und bleiben lieber auf ihren heimischen, zumeist nationalen Märkten“, erklärt Carsten Risch, Partner und zuständig für Technologieunternehmen bei Ernst & Young Corporate Finance. Die Europäer - vor allem die Deutschen - seien von der momentanen Finanzierungskrise stärker betroffen als amerikanische Unternehmen. Da halfen auch die stark gesunkenen Bewertungen von Unternehmen nichts.

Der Neue Markt fiel als Finanzierungsquelle im vergangenen Jahr praktisch aus. Dagegen war die Entwicklung an der amerikanischen Technologiebörse Nasdaq deutlich weniger dramatisch. Die Akquisitionswährung Aktie verlor für europäische Unternehmen merklich an Wert, die Verkäufer waren zunehmend an Bargeld interessiert. Das war jedoch nicht mehr so reichlich vorhanden wie zu den Boomzeiten.

Weitere Konsolidierung

Gekauft wurde in erster Linie innerhalb der Branche - 60 Prozent der Akquisiteure waren IT-Firmen, die damit zusätzliche Kundenkreise oder Technologien erwarben. Nur ein Drittel der Übernahmen waren strategische Käufe, diese erfolgten überwiegend in den so genannten konvergierenden Branchen, also unter TK-Anbietern beziehungsweise Medienunternehmen.

Der insgesamt aktivste Bereich war mit 375 Transaktionen, das entspricht 40 Prozent, der Softwaresektor, gefolgt von IT-Services mit 272 sowie dem Segment Internet mit 225 Firmenkäufen (siehe Grafik). Die wenigsten Fusionen und Übernahmen fanden im Hardwarebereich statt. Hier zählten die Analysten insgesamt 77 Deals. Die einzigen Bereiche, in denen die Studie einen Anstieg der Aktivitäten verzeichnet, waren die Sektoren Finanzlösungen sowie ERP-Software. Vor allem kleinere und mittlere ERP-Anbieter wurden von größeren Konkurrenten geschluckt, ein Trend, der sich nach Ansicht der Verfasser der Studie auch in diesem Jahr fortsetzen wird.

Da keine wesentliche wirtschaftliche Erholung in Sicht ist, wird insgesamt mit einer weiteren Konsolidierung innerhalb der Branche gerechnet. Getrieben wird die nach Ansicht der Autoren von den großen Anbietern. Zudem nehmen sie an, dass die Bereiche IT- und Telekom-Services sowie Business Process Outsouring enger miteinander verzahnt werden. In diesen Untersegmenten dürfte noch eine Reihe von Deals zu beobachten sein.