Auf dem Prüfstand: Emprise Management Consulting AG

IT-Dienstleister kämpft an vielen E-Business-Fronten

05.05.2000
HAMBURG - Mit Akquisitionen und Beteiligungen will sich die Hamburger Emprise Management Consulting AG zum Internet-System-Integrator entwickelen. Dieser Schritt ist für das IT-Dienstleistungsunternehmen und SAP-Beratungshaus zunächst jedoch mit hohen Verlusten verbunden.Von Andrea Goder*

Auch Shooting-Star Emprise blieb vom jüngsten Kursrutsch am Neuen Markt nicht verschont. Mit 11,50 Euro im Juli 1999 ausgegeben, schoss die Aktie in nur wenigen Monaten über 250 Euro hoch, bevor sich der Titel nach einer rasanten Berg- und Talfahrt in den vergangenen Wochen auf einem Niveau von rund 125 Euro einpendelte. Der rasante Kursanstieg der Aktie hatte vorwiegend mit dem Tochterunternehmen Mediascape zu tun. Die ebenfalls in Hamburg ansässige Hightech-Schmiede, an der Emprise zu 72 Prozent beteiligt ist, meldete im Januar einen Durchbruch in Sachen Richtfunktechnik. Erstmals können mit der neuen Entwicklung Daten mit einer Geschwindigkeit von bis zu 155 Mbit/s übertragen werden - und damit 2325-mal schneller als per ISDN.

Mit Tempo soll die Tochter jetzt an die Börse gebracht werden. Emprise-Vorstandschef Gerd Nicklisch will damit den Ausbau des Richtfunknetzes vorantreiben und plant dafür allein in diesem Jahr Investitionen in Höhe von 36 Millionen Mark. "In den nächsten Monaten wird sich entscheiden, ob das As Mediascape sticht", so der Manager.

Mediascape ist nur ein Unternehmen, an dem Emprise Anteile hält. Auf ihrem Weg zum Internet-System-Integrator sehen sich die Hanseaten mit elektronischen Shops, Zahlungssystemen und Sicherheitslösungen bereits heute als Full-Service Anbieter im Bereich E-Business. Bei rund einem Dutzend Internet- und Startup-Companies kauften sich die Norddeutschen in den zurückliegenden Monaten ein.

Einer der wichtigsten Bausteine in der E-Business-Palette ist das US-Unternehmen Online Commerce Solutions (OCS), das Emprise zu 75 Prozent übernahm. Von dem E-Payment-Spezialisten stammt das elektronische Zahlungssystem "Selfserve", eine Lösung, die es ermöglicht, im Cyberspace mit verschiedenen Währungen einzukaufen. User können damit online in Paris, London oder New York mit ihrer Kreditkarte bezahlen. Auf der Einkaufsliste stand 1999 auch das Internet Payment System (IPS) in Kopenhagen. Die Strategie: Mit dem dänischen Rechenzentrum sollen sämtliche Transaktionen von Selfserve in Skandinavien abgewickelt werden.

Die multi-währungsfähige E-Payment-Lösung öffnete den Hamburgern in den letzten Monaten die Tür zu weiteren transatlantischen Beteiligungen. So hält Emprise 22 Prozent an dem E-Commerce-Software-Spezialisten Visual Commerce und 6,3 Prozent an dem Internet-Portal-Anbieter Yellowonline.com in Los Angeles. Die US-Technologieschmiede ist auf elektronische Telefon- beziehungsweise Auskunftsdienste ("Gelbe Seiten") spezialisiert - in den USA ein 13- Milliarden-Dollar-Markt. Mit Partnern will Vorstandschef Nicklisch jetzt das Konzept auch in Europa vermarkten.

Abgerundet wird das Beteiligungsportfolio mit Firmen aus dem Bereich E-Securtiy: Crediview Inc. mit Sitz in Port Washington ist eine davon. Das US-Unternehmen ist Anbieter von Zahlungssystemen, mit denen die Gefahr des Kreditkartenmissbrauchs verringert werden soll. Letztes Glied der "E-Commerce-Kette" der Hanseaten ist das Joint Venture E-Pole GmbH, ein Internet-Marketing-Dienstleister, der zusammen mit der Agenturkette Nordpol Interaktiv Division GmbH gegründet wurde und an dem Emprise mit 51 Prozent die Mehrheit der Anteile hält.

Apropos Kette: Emprise-Chef Nicklisch plant, die E-Business-Aktivitäten in ein eigenes Tochterunternehmen mit dem Namen Chain Net auszugliedern und schließt auch einen späteren Börsengang nicht aus. Was der geplanten Neugründung allerdings noch fehlt, ist die dazu nötige Wachstumsstory. Denn mit 9,3 Millionen Mark fiel 1999 der im Bereich E-Business generierte Umsatz noch relativ bescheiden aus (6,3 Millionen Mark im Vorjahr).

Insgesamt ist den Hanseaten im Jahr ihrer Börseneinführung nicht unbedingt ein überzeugender Auftakt als Wachstumsunternehmen geglückt. Mit 50,6 Millionen Mark wurde das geplante Umsatzziel von 52 Millionen Mark sogar knapp verfehlt. Nach unten mussten die Hanseaten vor allem aber das Ergebnis korrigieren. Hatten sie noch beim IPO im Juli mit 3,9 Millionen Mark Gewinn kalkuliert, wurde in der vor kurzem vorgelegten Jahresbilanz für 1999 ein Minus von 2,5 Millionen Mark ausgewiesen. Vorstandschef Nicklisch begründete das enttäuschende Ergebnis mit Investitionen in den Ausbau des Richtfunknetzes und den Kosten für den Börsengang.

Bereits profitabel arbeiten Nicklisch zufolge die angestammten Geschäftsbereiche IT-Consulting und Systemintegration. Mit dieser Positionierung ging der heute 47-jährige Vorstandschef 1994 an den Start. 32 Prozent der Einnahmen entfielen im letzten Geschäftsjahr auf Beratungsleistungen im Bereich Supply-Chain-Management (SCM) und SAP, etwa der R/3-Einführung oder dem Recustomizing bestehender Lösungen. Doch auch diese Unit entwickelte sich zuletzt nur verhalten. "Wir bekamen den durch das Jahr 2000 ausgelösten Investitionsstau stark zu spüren", erklärte Nicklisch, der ab dem zweiten Quartal 2000 mit einer deutlichen Belebung des Geschäfts rechnet.

Für die Umsatzdelle im letzten Jahr zeichnete allerdings auch die Sparte Systemintegration verantwortlich - der dritte und mit rund 50 Prozent wichtigste Geschäftsbereich des Unternehmens. Schwerpunkte sind hier Workflow-Lösungen, DB2-Anwendungen und Entwicklungen auf Basis der "Soft Factory" (Framework-Lösungen zur Entwicklung realer Dreischicht-Architektur).

Dass die Hanseaten mit dieser Positionierung in IT-Segmenten operieren, in denen ein "riesiger Wettbewerb" herrscht, daraus macht Vorstandschef Nicklisch keinen Hehl. Konkurrenz kommt beispielsweise von den Neuen-Markt-Playern IDS Scheer, SVC und Tria. Schlagkräftiger sind jedoch die Großen der Branche mit Namen wie Andersen Consulting, KPMG, CSC Ploenzke oder Debis. Mindestens genauso wettbewerbsintensiv ist allerdings auch der gesamte E-Business-Markt. Aufgrund lukrativer Marktpotenziale und Renditen, die Anbietern in diesem IT-Segment winken, will Nicklisch die Positionierung als E-Business-Company jetzt stark forcieren. "Mittelfristig soll mehr als die Hälfte des Umsatzes mit E-Services erzielt werden", gibt er als Richtwert aus.

Bis dahin sind jedoch noch einige Hürden zu nehmen. So steht die Internationalisierung des Unternehmens mit einem Auslandsanteil, der 1999 noch unter zehn Prozent lag, erst am Anfang. Was das laufende Geschäftsjahr angeht, hoben die Hanseaten vor kurzem die Umsatzprognose von 76 auf 85 Millionen Mark an und stellten erneut ein negatives Ergebnis in Aussicht.

Die zweite Herausforderung, vor der das Unternehmen steht, ist das Management des Wachstums. Für einen IT-Dienstleister aus der Mittelstandsecke, dem es vor allem noch an kritischer Größe fehlt, ist Emprise bereits relativ breit aufgestellt. So wurden mit den Beteiligungen der letzten Monate immer neue Baustellen eröffnet. Jetzt heißt es, die gewonnenen Synergien zu bündeln und strategisch auf eine Linie auszurichten.

* Andrea Goder ist freie Journalistin in München.

Abb: Wachstumskurve: Die Umsatzsteigerungen von Emprise waren zuletzt eher enttäuschend. Quelle: Emprise