Steuergelder verschwendet

IT-Chaos beim Bund

28.10.2020
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Die Bundesregierung vermurkse die Neuaufstellung der Bundes-IT und verschwende dabei viele Millionen Euro an Steuergeldern, kritisiert der Bund der Steuerzahler in seinem aktuellen Schwarzbuch.
In dem Projekt "IT-Konsolidierung Bund" könnten Millionen Euro an Steuergeldern sinnlos verpuffen, warnt der Bund der Steuerzahler.
In dem Projekt "IT-Konsolidierung Bund" könnten Millionen Euro an Steuergeldern sinnlos verpuffen, warnt der Bund der Steuerzahler.
Foto: canbedone - shutterstock.com

Die IT-Modernisierung der Bundesverwaltung ist eines der größten Reformvorhaben der Regierung. Mit dem seit 2015 laufenden Mammutprojekt "IT-Konsolidierung Bund" wurde das Ziel ausgegeben, die zersplitterte IT-Landschaft der rund 200 verschiedenen Bundesbehörden zu konsolidieren und zu modernisieren. Rechenzentren, Prozesse und Dienste sollen gebündelt, geordnet und in Sachen Sicherheit und Effizienz verbessert werden. Ziel war es, die Bundes-IT insgesamt stabiler und wirtschaftlicher betreiben zu können.

So lautete zumindest der Plan, den die politisch Verantwortlichen ausgegeben hatten. Bis 2025 sollte die neue Infrastruktur eigentlich stehen. Doch daraus wird wohl nichts, wie jetzt ein Bericht in der aktuellen Ausgabe 2020 des Schwarzbuch des Bundes der Steuerzahler (BdSt) schonungslos offenlegte.

Teures Expertenwissen

Schon kurz nach Beginn des Mega-IT-Projekts habe sich gezeigt, dass die Regierung die komplexe Reformaufgabe unterschätzt hatte, heißt es in dem Bericht. Fortlaufend mussten umfangreiche Änderungen und Erweiterungen am Projekt vorgenommen und für viel Steuergeld externe Berater angeheuert werden. Bis Anfang 2020 habe die Regierung bereits 257,6 Millionen Euro für externe Berater ausgegeben. Bis zum derzeit geplanten Projektende in fünf Jahren könnte sich dieser Posten auf mindestens 578,2 Millionen Euro mehr als verdoppeln.

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Auch die Entwicklung der Gesamtkosten zeigt, wie sehr das IT-Projekt aus dem Ruder gelaufen ist. Ursprünglich taxierte die Regierung den Aufwand für die Bündelung der rund 100 verschiedenen Rechenzentren und mehr als 1200 Serverräume sowie der diversen IT-Dienste und Lizenzen grob auf einen mittleren dreistelligen Millionenbetrag. "Dieses Geld verschlingen jetzt allein die angeheuerten Beratungsunternehmen", konstatiert der BdSt. Mittlerweile würden die Gesamtkosten für "IT-Konsolidierung Bund" mit etwa 3,4 Milliarden Euro kalkuliert.

Doch damit dürfte das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht sein, warnen die Prüfer und sprechen von Management-Chaos. Nachdem keine Fortschritte zu verzeichnen waren, hat die Regierung das Projekt inzwischen aufgesplittet: Das zuvor zentral zuständige Innenministerium hat seit diesem Jahr nur noch Teilkompetenzen inne, wichtige Projektaufgaben verantwortet nun das Finanzressort, und das übergreifende Controlling der IT-Konsolidierung liegt beim Bundeskanzleramt. Im Zuge der Umorganisation wird das Vorhaben derzeit auch neu analysiert: Dabei sollen Prioritäten neu geordnet sowie eine "Aktualisierung der Maßnahmen- und Ausgabenplanung" vorgenommen werden.

"Bedrohlich für die Steuerzahler"

"Das klingt bedrohlich für die Steuerzahler", fürchten die BdSt-Verantwortlichen. Aus ihrer Sicht drohen weitere Mehrkosten, der Zeitplan werde vermutlich weit über das Jahr 2025 hinaus reichen. Damit stehe die Wirtschaftlichkeit des Gesamtprojekts grundsätzlich infrage. Laut der aktuellen, mittlerweile aber auch schon wieder überholten Kalkulation, würde sich die neu aufgestellte IT-Landschaft des Bundes frühestens ab dem Jahr 2037 rechnen.

Nichtsdestotrotz habe eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung aus dem Jahr 2018 dem Gesamtprojekt trotz höherer Ausgaben immer noch einen messbaren Effekt attestiert, "insbesondere aus qualitativ- strategischen Gründen", zitiert der BdSt eine Aussage der Bundesregierung. Dem wollen die Spezialisten des Steuerzahlerbundes allerdings nicht folgen. Sie werfen den Politikern vor, sich das Mammutprojekt schön zu rechnen.

Das Fazit des BdSt fällt dementsprechend verheerend aus: "Abermals hat die Regierung den Aufwand eines Großprojekts maßlos unterschätzt - mit teuren Folgen für die Steuerzahler. Durch die bisherige und weiter drohende Kostenexplosion sowie das schwerfällige Vorankommen der IT-Reform droht das Projekt unterm Strich kaum positive Effekte zu entfalten."