Blick in die Glaskugel/Forrester sieht eine Entwicklung gegen den europäischen Trend

IT-Budgets sinken 2004 - steigen aber 2005

09.01.2004
2004 wird es die Hauptaufgabe der deutschen IT-Verantwortlichen sein, den "Value of IT zu verteidigen - und für diesen Wert müssen sie heftiger kämpfen als ihre europäischen Kollegen.Von Charles Homs*

Im europäischen Vergleich glänzen die deutschen Unternehmen immer wieder mit den sorgfältigsten Kostenkalkulationen. Dennoch zeigt sich Jahr für Jahr, dass sich ein feines Gespür für die Auswirkungen der Kürzungen von IT-Budgets in Kernbereichen in Deutschland bisher nicht entwickeln konnte. Das gilt besonders für den Mittelstand. Untersuchungen von Forrester Research zeigen, dass Unternehmen mit eher mittelmäßigen Bilanzresultaten anteilig höhere IT-Ausgaben haben als ausgesprochen leistungsstarke Unternehmen.

Der Druck auf die CIOs, deren Firmenchefs um diese Tatsache wissen, wird immer größer. Sie stehen im Mittelpunkt. Forrester geht davon aus, dass Unternehmensvorstände in Deutschland 2004 besonders stark auf eine effektive und preiswerte interne IT drängen werden.

Europäische CIO-Agenda für 2004

Doch nicht nur die deutschen CIOs haben im kommenden Jahr eine lange Liste von Aufgaben abzuarbeiten: Europaweit müssen die IT-Verantwortlichen den Spagat zwischen weniger Budget und mehr Leistung bewältigen. Forrester fragte 490 CIOs in Europa nach ihren Prioritäten. Ganz oben auf der Aufgabenliste aller europäischen IT-Verantwortlichen steht demnach wie bereits in der Vergangenheit die weitere Reduzierung der operativen Kosten, die Verbesserung der Prozessqualität und die Steigerung der Arbeitsproduktivität im IT-Bereich. Das Sparprogramm sieht ebenfalls eine Straffung der Verträge mit Dienstleistern vor. Parallel laufende und damit redundante Kontrakte mit mehr IT-Dienstleistern als nötig soll es künftig nicht mehr geben.

Dringenden Handlungsbedarf erkennen die Analysten bei der Strukturierung von IT-Projekten. Viele von ihnen werden schlecht gesteuert oder gleich ganz abgebrochen. Probleme entstehen auch durch Systeme und Applikationen, die untereinander nicht kompatibel sind oder nicht miteinander kommunizieren können. Vor allem Software wird oft entweder überhaupt nicht genutzt oder falsch dimensioniert. Die installierte Hardware verwenden dagegen die meisten Unternehmen wie geplant.

Das Generalthema "Sicherheit und damit eine geringere Verwundbarkeit von Informations- und Kommunikations-Technologien steht unverändert an erster Stelle auf der CIO-Agenda. Hohe Priorität genießen europaweit unter den IT-Verantwortlichen die folgenden zehn Themen:

- Security und Disaster Recovery,

- Portal- und Application-Server,

- Business-Intelligence-Software,

- ERP-Software,

- Content-Management-Software,

- CRM-Software,

- Enterprise Application Integration,

- Internet-Suchmaschinen-Technik,

- Supply Chain-Software sowie

- Product-Lifecycle-Management-Software.

2004: Europa investiert - Deutschland kürzt

Zurückhaltend bis pessimistisch ist die Stimmung laut der Erhebung von Forrester Research zum Jahresende 2003 unter den größeren Unternehmen in Deutschland hinsichtlich der für 2004 geplanten IT-Ausgaben: Um ein Prozent geringer werden diese gegenüber 2003 ausfallen. Bereits im letzten Jahr lagen die Kürzungen im Bereich von vier Prozent. Kräftig ansteigen sollen die Budgets allerdings 2005 - dann werden im Schnitt wieder vier Prozent mehr investiert. In Frankreich wird diese Ausgabenpolitik bereits 2004 mit Budgeterhöhungen von rund 3,5 Prozent greifen. Demgegenüber rechnet man in Großbritannien 2005 nur mit um 1,2 Prozent erhöhten IT-Budgets, nach einem starken Jahr 2003 mit plus 6,5 Prozent und einem ebenfalls stark prognostizierten 2004 mit plus 6,3 Prozent. Im westeuropäischen Mittel gehen die meisten Unternehmen von Ausgabenerhöhungen zwischen 2,5 und drei Prozent sowohl für 2004 als auch 2005 aus.

Durchschnittlich 60 Prozent der IT-Ausgaben in Deutschland werden 2004 in die Pflege und Wartung bestehender Systeme fließen, der Rest in neue Projekte. Je kleiner das Unternehmen, desto besser wird sich das IT-Budget entwickeln, und dies am deutlichsten in Unternehmen mit bis zu 1000 Mitarbeitern, die insgesamt auch mit den zuversichtlichsten Erwartungen in das neue Jahr 2004 gehen. Bei Großunternehmen und Konzernen schwindet mit der Unternehmensgröße die Bereitschaft, Geld für neue Projekte auszugeben, der Anteil liegt hier im Schnitt etwa bei 20 Prozent der IT-Gesamtausgaben.

Outsourcer kassieren vor allem bei Großkunden

Europaweit und über alle Unternehmensgrößen hinweg steigen die Ausgaben für IT-Dienstleistungen. Bezogen auf Deutschland und die Unternehmenskategorie bis 1000 Mitarbeiter wird sich 2004 der Anteil der Outsourcing-Aufwendungen am IT-Budget von sechs auf sieben Prozent, in der Kategorie bis 5000 Mitarbeiter von 14 auf 16 Prozent und für Großunternehmen von 21 auf 26 Prozent erhöhen. Auch beim Nachbarn Frankreich werden in Outsourcing-Kontrakte mehr Euro als im vergangenen Jahr fließen. Am größten ist derzeit der Anteil von Outsourcing-Leistungen an den IT-Services in Großbritannien, wo Großunternehmen fast 40 Prozent ihres gesamten IT-Budgets hierfür aufwenden.

Insbesondere durch Offshore-Outsourcing, also die Auslagerung von IT-Dienstleistungen in weiter entfernte Regionen wie beispielsweise nach Indien, können nach Ansicht von Forrester Research signifikante Beträge gespart werden. Die Erfüllung der technischen Anforderungen an Vorgaben wie Basel II oder International Accounting Standards (IAS) muss jedoch von IT-Service-Unternehmen mit europäischem Know-how realisiert werden - ist dies vorhanden, kann "offshore vergeben werden.

Schlecht sieht es für die IT-Dienstleister im nächsten Jahr aus. Die Hälfte der von Forrester befragten Unternehmen gab an, Ausgaben für IT-Beratung und -Integration zu streichen oder zumindest nicht zu erhöhen. In Deutschland werden rund 9 Prozent der IT-Budgets mittelständischer Unternehmen und auch Konzerne für diese Bereiche aufgebracht werden. Deutlichen Bedarf melden hier die französischen Unternehmen mit bis zu 5000 Beschäftigten an, die beachtliche 27 Prozent für IT-Consulting und Integration für 2004 eingeplant haben.

Drei Viertel aller Unternehmen in Deutschland werden 2004 keine zusätzlichen IT-Fachkräfte einstellen. Manche Firmen wollen sogar weiter entlassen. Am stärksten ausgeprägt ist die Kündigungsabsicht bei Großunternehmen mit mehr als 5000 Mitarbeitern: Von ihnen wollen 39 Prozent 2004 Personal abbauen, 34 Prozent der Unternehmen mit bis zu 5000 Mitarbeitern und 25 Prozent der Unternehmen mit bis zu 1000 Beschäftigten. Die gute Nachricht: Rund ein Viertel der Firmen mit mehr als 1000 Mitarbeitern wollen IT-Spezialisten einstellen. Ganz im Gegensatz zu den Großunternehmen im Nachbarland Frankreich, die zu zwei Dritteln ihren IT-Personalbestand verringern wollen - Jobmotoren sind 2004 in Frankreich vor allem die großen Mittelständler.

Deutsche Unternehmen führen im nächsten Jahr verstärkt Linux ein. 28 Prozent aller deutschen Firmen haben eine Linux-Implementierung abgeschlossen, weitere 40 Prozent ziehen eine Installation ernsthaft in Betracht. Ebenfalls gut nachgefragt werden dürften Tools für Web Services, die sich im kommenden Jahr in rund 65 Prozent aller deutschen Unternehmen in der Einführungs- oder Pilotphase befinden werden. Wachstum verspricht auch der Bereich Wireless LAN: Die drahtlosen Netze, bisher wenig verbreitet, stehen der Hälfte aller Unternehmen auf der Agenda.

Vorreiter bei VPNs

Virtual Private Networking ist 2004 nur für zwölf Prozent der Unternehmen kein Thema, 46 Prozent der deutschen Unternehmen betreiben bereits VPNs und sind damit Vorreiter in Europa. Rund die Hälfte aller Unternehmen in Deutschland wird im kommenden Jahr mit dem Einsatz neuer Content-Management-Anwendungen beginnen oder mit Pilotprojekten zur Verwaltung von Inhalten starten. In den Bereich Anwendungssoftware wollen 37 Prozent stärker investieren. Voraussetzungen für Voice over IP sind in etwas über 20 Prozent der Unternehmen geschaffen, 43 Prozent sind noch in der Entscheidungsphase, knapp 35 Prozent interessieren sich nicht dafür.

Fast jedes deutsche Unternehmen wird sich auch 2004 mit Server-Hardware eindecken, gefolgt von Netzwerk- und Storage-Hardware - oder entsprechende Upgrades vornehmen. Interessant ist daher der deutsche Markt auch für Anbieter von anspruchsvollen Lösungen, auch wenn hier in den nächsten Jahren die Investitionen rückläufig sein werden. 2004 werden rund 29 Prozent aller Unternehmen Server-Hardware im Wert von über eine Million Euro erwerben, 19 Prozent der Unternehmen diesen Betrag für Networking-Hardware ausgeben oder 18 Prozent diese Summe in Storage-Hardware investieren. Die Schmerzgrenze für Investitionen in diesem Bereich liegt für die Mehrzahl der Unternehmen bei einer halben Million Euro.

Investitionen in ERP

Systeme für Enterprise Resource Planning (ERP) werden das Marktwachstum im Application-Segment dominieren. Ein Drittel der Unternehmen gibt an, vorhandene ERP-Systeme auf den aktuellen Stand bringen zu wollen ein neues ERP-Systems zu planen, um die Anforderungen an die Richtlinien der Unternehmensführung genauso wie an internationale Bilanzierungsrichtlinien (International Financial Reporting Standards/IFRS) erfüllen zu können. Der Bereich Content Management-Systeme (CMS) wird ebenfalls von dieser Nachfrage profitieren. Automationssoftware für Marketing- und Sales-Anwendungen steht demgegenüber weniger im Unternehmensfokus. (ciw)

*Charles Homs ist Senior Analyst bei Forrester Research.

Noch ein hartes Jahr

- Die IT-Ausgaben werden 2004 um ein Prozent schrumpfen, aber im darauffolgenden Jahr um vier Prozent steigen.

- 60 Prozent der Ausgaben werden in Pflege und Wartung fließen, der Rest soll in neue Projekte investiert werden.

- Outsourcing hat Zukunft.

- IT-Dienstleister haben ein hartes Jahr vor sich.

- Nur jedes vierte Unternehmen will zusätzliche Fachkräfte einstellen.

Abb.1: Deutsche Unternehmen sparen am IT-Personal

Drei Viertel aller Unternehmen in Deutschland werden 2004 keine zusätzlichen IT-Fachkräfte einstellen. Manche Firmen wollen sogar weiter entlassen. Quelle: Forrester Research

Abb.2: Linux erobert den deutschen Markt

Virtual Private Networking ist 2004 nur für zwölf Prozent der Unternehmen kein Thema, 46 Prozent der deutschen Unternehmen betreiben bereits VPNs. Quelle: Forrester Research