Unternehmen erproben neues Modell

IT-Branche setzt auf die Älteren

08.11.2010
Der Branchenverband Bitkom und die IG Metall haben die "Initiative IT 50plus" ins Leben gerufen, um dem Personalmangel durch gezielte Förderung erfahrener IT-Experten zu begegnen.
Martin Schmidt, Bitkom: "Immer mehr Firmen erkennen, dass sie auf das Potenzial der Älteren setzen sollten."
Martin Schmidt, Bitkom: "Immer mehr Firmen erkennen, dass sie auf das Potenzial der Älteren setzen sollten."
Foto: Martin Schmidt, Bitkom

"Bisher galt die IT-Branche als jung und dynamisch und hat sich deshalb häufig von älteren Fachkräften getrennt", sagt Martin Schmidt, Projekt-Manager der Initiative IT 50plus beim Bitkom. Aufgrund des demografischen Wandels und sinkender Absolventenzahlen ist es für die Unternehmen aber zunehmend schwierig, neue Fachkräfte zu rekrutieren. "Immer mehr Firmen bemerken deshalb, dass sie in Zukunft bewusst auf das Potenzial erfahrener Mitarbeiter setzen sollten", so Schmidt.

In verschiedenen Pilotprojekten erprobt nun der Bitkom gemeinsam mit Forschungs- und Beratungsunternehmen, ältere IT-Fachkräfte gezielt weiterzuentwickeln. Daran beteiligt sind Siemens, Datev, die VR Netze GmbH und die Info AG. Der IT-Dienstleister aus Hamburg plant für dieses Jahr 100 Neueinstellungen und setzt dabei speziell auf erfahrene Leute. Zu ihnen zählt Hans-Jürgen Hochfeld. Bedingt durch eine Betriebsschließung seines vorherigen Arbeitgebers war der 55-Jährige gezwungen, noch einmal auf Jobsuche zu gehen. Keine leichte Aufgabe, denn auf seine Bewerbungen folgten zunächst nur Absagen. Dann kam die Zusage von der Info AG, bei der er nun seit einem halben Jahr als SAP-Berater arbeitet.

Den jüngeren Mitarbeitern fühlt sich Hochfeld im Arbeitsalltag keinesfalls unterlegen. Im Gegenteil: Sie profitieren häufig von seinem Erfahrungsschatz. "Jüngere Kollegen haben zwar oftmals ein hervorragendes theoretisches Rüstzeug, aber weniger praktische Erfahrung. Ich konnte ihnen schon oft pragmatische Lösungen vermitteln", so der IT-Experte. Sich auf neue Techniken und Funktionen einzustellen bereitet ihm keine Schwierigkeiten. Das gehörte für Hochfeld von Anfang an zu seinem Berufsalltag dazu.

Auf Bedürfnisse älterer Lerner eingehen

Um die Arbeitskraft erfahrener Mitarbeiter möglichst lange zu erhalten und die älteren Kollegen stetig weiterzuqualifizieren, bedarf es auf die speziellen Bedürfnisse ausgerichteter Qualifizierungskonzepte. "Die heute 50-Jährigen haben mindestens noch 15 Jahre Berufstätigkeit vor sich. Die würden verschenkt, wenn man nicht in die Mitarbeiter investiert", betont Bitkom-Mann Schmidt. "Die Betriebe sollten daher beispielsweise die körperliche und geistige Fitness und die Führungskompetenzen ihrer Fachkräfte fördern. Den erfahrenen Mitarbeitern wird auf diesem Weg auch besondere Wertschätzung entgegengebracht."

In den Pilotprojekten der Initiative IT 50plus finden zur individuellen Förderung älterer Fachkräfte in den beteiligten Unternehmen regelmäßig Workshops statt. Ute Büchele von der Gesellschaft für Ausbildungsforschung und Berufsentwicklung (GAB) München moderiert beispielsweise die "Kollegiale Beratung", bei der erfahrene Mitarbeiter miteinander und voneinander lernen. Die Teilnehmer erarbeiten sich mit Unterstützung von Büchele und der Personalentwicklung der Info AG persönliche Entwicklungsziele, die langfristig angesteuert werden sollen. "Die Fachkräfte konzentrieren sich jeweils auf Aufgaben, die in ihrem Arbeitsalltag wichtig sind, und wenden das Erlernte dann direkt praktisch an. Ihnen wird also kein pauschales Wissen vermittelt, das sie nicht brauchen", erklärt die Beraterin. Axel Fischer, Gruppenleiter SAP Basis beim Hamburger Dienstleister, nimmt an dem Förderprogramm teil und hat sich zwei Ziele gesetzt: Er will einen jüngeren Kollegen coachen und außerdem seine Präsentationstechniken weiterentwickeln.

Alle acht Wochen treffen sich die Teilnehmer und erörtern in einem Gruppengespräch, wie der aktuelle Entwicklungsstand aussieht. "Jeder Kollege erzählt, wo er momentan steht und welche Probleme es gibt. Das wird dann in der Gruppe diskutiert. Die Kollegen stellen Fragen und geben Tipps, wie der Mitarbeiter seine Baustellen angehen kann", so Büchele von der GAB München. Die Teilnehmer lernen dadurch, ihre Arbeit zu reflektieren, eine neue Perspektive einzunehmen und Hürden des Alltags zu meistern. Hinzu kommen Reflexionsgespräche unter vier Augen mit dem Coach.

Die IT-Branche muss für das Thema weiter sensibilisiert werden

Thomas Stoek, Info AG: "Die über viele Jahre gesammelte Projekterfahrung ist für uns sehr wertvoll."
Thomas Stoek, Info AG: "Die über viele Jahre gesammelte Projekterfahrung ist für uns sehr wertvoll."
Foto: Thomas Stoek, Info AG

Die Initiative IT 50plus steht zwar mitten in der Phase der Erprobung neuer Konzepte für die Entwicklung erfahrener IT Fachkräfte, doch nicht nur die Teilnehmer, sondern auch die Initiatoren bewerten das Projekt positiv. "Ein Erfolg ist für uns alleine schon, dass sich Unternehmen gefunden haben, die die Weiterentwicklung älterer IT-Fachkräfte als wichtiges Thema ansehen", so Schmidt. Ziel ist es nun, die Branche weiter dafür zu sensibilisieren und Konzepte bereitzustellen, damit die Unternehmen entsprechende Maßnahmen umsetzen können. Info- AG-Vorstandsmitglied Thomas Stoek ist überzeugt, dass Arbeitgeber in Zukunft um die Förderung älterer Mitarbeiter kaum herumkommen werden: "Wer dem Personalmangel entgegensteuern will, kann es sich in Zukunft gar nicht mehr leisten, Fachkräfte über 50 zu ignorieren. Deren Erfahrungen sind insbesondere im Projektgeschäft von hoher Bedeutung."

So verbessern 50-Jährige ihre Chancen

  • Sich selbständig weiterqualifizieren;

  • Das eigene Können immer auf den neuesten Stand bringen: Methoden und Werkzeuge erlernen, die in der Branche aktuell sind;

  • Dabei auch innovative Wege wählen (wie E-Learning);

  • Neben fachlichem Know-how auch Soft Skills ausbauen;

  • Überfachliche Kompetenzen durch entsprechende Seminare steigern;

  • Weiterbildungen immer mit Zertifikaten belegen;

  • Sich offen zeigen für neue Techniken und Aufgaben.